Di, 2. Juli 24
Rifugio Micheluzzi (1.860 m) – Sellapass (2.150 m)
Eine meiner Lieblingswanderungen in den Dolomiten ist die Langkofel-Umrundung. Die musste unbedingt in unsere Hüttentour eingebaut werden, allerdings mit einer Variante: Von der Langkofelscharte wollen wir mit dem kuriosen Gondellift zum Sellajoch abfahren. Dafür müssen wir aber erstmal raufkommen.
Ein tiefblaues Himmelsdach spannt sich über dem Val Duron – genau so habe ich mir das für die Tour heute gewünscht. Als wir unsere im Keller des Rifugio aufgehängten Sachen einsammeln, stellen wir fest, dass die noch fast genauso nass sind wie gestern. Ein paar Minuten draußen in der kräftig strahlenden Morgensonne lösen das Problem.
Wir staunen, wie viele sich in Kleinbussen zum Rifugio Micheluzzi bringen lassen, um hier ihre Wanderung zu beginnen. So spart man sich eine Stunde Zustieg durch den Wald von Campitello di Fassa.
Marmolata in Sicht
Für uns geht es auf einem Steig bergan Richtung Rifugio Sasso Platto, die Plattkofelhütte. Der Weg folgt bald einem Bach und wo wir die Baumgrenze erreichen, öffnet sich der Blick auf die Marmolatagruppe, höchster Berg der Dolomiten und der einzige mit größeren Gletscherflächen.
Der Weg über Almwiesen ist noch ganz schön matschig. Die Sonne dürfte hier im Laufe des Tages für Besserung sorgen. Gegen 10:20 Uhr kommen wir an der Plattkofelhütte vorbei, die viel größer ist, als ich es vom letzten Mal in Erinnerung habe. Sieht jetzt eher nach Berghotel aus. Vor uns breitet sich das Plateau der Seiser Alm aus, größte Hochalm Europas. Die kenne ich gut von unseren Urlauben in Kastelruth. Beim letzten Besuch, im September 2020, war sie schneebedeckt.
Wir folgen dem Schotterweg ein kurzes Stück bergab und biegen dann rechts in den Pfad mir der Nummer 527 ein. Durch blühende Wiesen geht es in einem großen Bogen um den Plattkofel herum und dann unter dessen Nordabbruch durch lichten Bergwald. Wunderschön, aber auch nicht gerade einsam. Herrlich ist auch die Aussicht über das Grödner Tal auf die Geislergruppe. Da drüben, zwischen Seceda und Monte Stevia, haben Conny und ich schon so einiges abgegrast.
Jetzt kommt der anstrengende Teil
Das Genusswandern endet im Anstieg zur Langkofelhütte (2.256 m), die wir um 12:20 Uhr erreichen. Zehn Minuten später habe ich ein Bier vor mir stehen, kurz darauf einen Teller Bratkartoffeln mit Speck und Spiegelei.
Von der Terrasse der Hütte aus können wir gut das steile Kar einsehen, durch das im wilden Zickzack der Aufstieg zur Langkofelscharte führt. Gut 400 Höhenmeter sind es bis dahin. Wie Ameisen bewegen sich die Wandernden in den Serpentinen, wobei es sich an einigen Schneefeldern zu stauen scheint. Schauen wir uns das mal aus der Nähe an! Nach einer halben Stunde brechen wir wieder auf.
Schritt für Schritt geht es über feines Geröll zwischen den immer enger zusammenrückenden Felstürmen des Langkofels nach oben. Wo der Weg unter Schnee verschwindet, beginnt der Spaß. Der Schnee ist tief, aber noch fest genug, um darüber zu laufen, ohne allzu sehr einzusinken. Wenn man weiß, wie man auf Altschnee zu gehen hat: Hacken in den Boden, ein Schritt nach dem anderen. Die Intuition der Turnschuhfraktion ist eine andere. Ich zeige einem panischen Mädchen, das auf allen Vieren krabbelt, wie es geht.
Völlig unverantwortlich, wie einige – vor allem Familien mit Kindern – in diesem Gelände unterwegs sind. Da weiß man auch, warum die Langkofelscharte einer der Hot Spots für die Bergrettung ist. Es ist aber auch zu verführerisch, von der Seilbahnstation oben mal eben zur vermeintlich nicht weit entfernten Langkofelhütte zu wandern…
Don't Go!
Der Weg verlangt auch uns einiges ab. Schnee, Sand und Felsstufen wechseln sich ab. Eine ältere Frau mit Hund steht zweifelnd an einer Kante. Sie fragt uns, wie denn der weitere Weg sei. Ich frage zurück, wie bergerfahren ihr Hund ist. Weiter unten würde es sehr mühsam werden. Da beschließt sie, umzudrehen. Es gibt auch vernünftige Menschen.
Der Anstieg endet auf einem abflachenden Schneefeld, über das es zur Toni-Demetz-Hütte (2.685 m) und zur Bergstation der Gondelbahn geht. Eine holländische Familie in Sneakern spricht uns an. Wie schwierig die Wanderung sei und ob sie sie uns empfehlen würden. “Very difficult, don’t go”, ist unsere Antwort. Wir wirken anscheinend sehr überzeugend, auch sie canceln die Idee.
Das beste Panorama der Dolomiten?
Gegen 14:15 Uhr haben wir es geschafft: Aus der Langkofelscharte blicken wir über den Sellapass auf die Marmolata zur Rechten, das Sella-Massiv zur Linken – was für ein Panorama! Damit endet aber auch schon die heutige Wanderung. Unsere nächste Unterkunft ist zwischen Sella und Passo Pordoi gelegen, zu der werden wir mit dem Bus fahren. Wir könnten natürlich noch von der Langkofelscharte zur Passstraße absteigen, wollen uns aber nicht die Fahrt in der eigentümlichen Gondelbahn entgehen lassen.
Bei der Langkofel-Seilbahn handelt es sich um eine Stehgondelbahn. Der Form der Kabinen wegen wird sie auch “Sarglift” genannt. Seit 1972 pendeln die Gondeln zwischen Sellajoch und Langkofelscharte, allerdings nur im Sommer. Eröffnet wurde die Seilbahn schon 1959, damals reiste man in Metallkörben hinauf. Da wäre ich dann wahrscheinlich doch lieber gelaufen. Ich hatte gelesen, dass es Diskussionen über die Zukunft der in die Jahre gekommenen Bahn gibt und wollte sie daher unbedingt nochmal fahren.
Das Abenteuer beginnt schon beim Einstieg: Anders als moderne Kabinenbahnen verlangsamen die Gondeln in der Station nicht ihren Lauf und die Tür ist hinten. Man packt einen Griff und schwingt sich in die fahrende Bahn, bekommt dabei noch einen kräftigen Schubs vom Mitarbeiter – fertig. Weil jetzt nicht so viel los ist, gönnt man uns Einzelkabinen. Normalerweise werden zwei Personen in die Gondel gequetscht. Die hintere Person hängt da praktisch mit der Nase auf dem Rucksack des Vordermanns oder der Vorderfrau.
Die Aussicht auf der zwanzigminütigen Fahrt ist absolut traumhaft. Ganz schön knapp kommt die Bahn an einigen Felsen vorbei. An der Talstation (2.150 m) angekommen, springt man dann rückwärts wieder raus. Schon sehr speziell das Ganze.
Jetzt schnell zusteigen für noch 'ne Runde
Dirk gibt sich direkt noch eine zweite Fahrt. Er hat seine Wanderstöcke oben an der Toni-Demetz-Hütte stehen lassen. Die wird er spätestens übermorgen wieder brauchen und ein neues Paar zu kaufen, käme auf jeden Fall teurer als die Berg- und Talfahrt mit der Seilbahn. Zeit haben wir allemal. Ich suche mir eine Bank.
Am Sellapass herrscht ein ganz schöner Touristentrubel. Bei meinem letzten Besuch war hier noch eine Riesenbaustelle. Aus der ist das Passo Sella Dolomiti Mountain Resort geworden. Das liegt weit außerhalb der Preisklasse unserer Hüttentour. Auf der Terrasse des Hotels sehe ich die Frau mit Hund von vorhin bei Kaffee und Kuchen sitzen. Ich frage, ob sie gut wieder runtergekommen ist und sie bedankt sich nochmal für unseren Rat. Der Hund liegt zufrieden in der Sonne.
Gegen 16 Uhr ist Dirk zurück von seiner Ehrenrunde – samt seiner Stöcke. Immerhin: Die Talfahrt musste er nicht alleine antreten, da bekam er weibliche Begleitung quasi aufgedrängt. Ein paar Minuten später steigen wir in den Bus Richtung Canazei. Tickets habe ich uns schon mit der Südtirolmobil-App gekauft. Damit muss man nur beim Fahrer einen QR-Code an einen Scanner halten.
Wir bleiben länger
Um 16:40 Uhr setzt uns der Bus an der Haltestelle Pian Sciavaneis (1.850 m) ab. Hier, mitten im Wald und zu Füßen der Sellawände, stehen zwei Pensionen. Unsere ist das rechte Haus, das Rifugio Monti Pallidi. Weil das einen Mindestaufenthalt von zwei Nächten hat, habe ich uns hier bis Donnerstag eingebucht.
Der Plan bei gutem Wetter: Eine aussichtsreiche Wanderung zum spektakulär auf einem Höhenzug zwischen Marmolata und Sella gelegenen Rifugio Luigi Gora. Der Plan bei nicht so gutem Wetter: Schau’n wir mal. Leider hat der Wetterbericht reichlich Regen in der Vorhersage für morgen.
Der Empfang an der Rezeption fällt ein bisschen unterkühlt aus. Die Dame wirkt so, als sei das mit dem Hotelbetrieb nicht ihr Lebensentwurf gewesen. Unser Dreibettzimmer ist dagegen sehr einladend. Wieder dürfen wir den Luxus frischer Bettwäsche und eines eigenen Badezimmers genießen, wieder können wir den Inhalt unserer Rucksäcke großzügig ausbreiten. Auch das Abendessen im gut besuchten Restaurant ist ganz hervorragend. Hier dürfte sich auch ein Regentag gut aushalten lassen.
Unterkunft: Rifugio Monti Pallidi, Canazei
Wegstrecke: 10 km
Höhenmeter: +1.190 / -355
Nützliche Links
Dolomiti.org - die verschiedenen Regionen der Dolomiten im Überblick
Zufluchtsort am Langkofel - über die Geschichte der Toni-Demetz-Hütte
Südtirol Mobil - Fahrplansuche für Bus und Bahn