So, 24. September 23
Wer sich selbst im Instagram-Profil als "Hiker" bezeichnet, sollte einmal auf dem höchsten Berg Deutschlands gestanden haben, der 2.962 Meter hohen Zugspitze. Ich war bereits zwei Mal oben, allerdings mit Unterstützung der Seilbahn. Eine Wanderung zum Gipfel stand schon länger auf der Bucket-List, da ergab sich Ende September 2023 die perfekte Gelegenheit.
Mein Herzensverein hatte am 23. September ein Auswärtsspiel in Augsburg zu bestreiten. Bis in die Alpen ist’s von dort ja nur noch ein Katzensprung. Es würde sich anbieten, nach einer Übernachtung in München am Sonntag nach Garmisch-Partenkirchen zu fahren, zur Reintalangerhütte zu wandern und von dort am Montag die Gipfeltour in Angriff zu nehmen. Zwar brachte ein Temperatursturz unter der Woche den ersten Schnee, aber es sollte genau das für mich passende Wetterfenster aufgehen. Aufi, Bua!
Dunkle Wolken über dem Gebirge
Gegen 10:30 Uhr setzt mich die Regionalbahn in Garmisch-Partenkirchen ab. Hatte es in München am Morgen strahlenden Sonnenschein gegeben, sieht es zwischen den Gipfeln des Wettersteingebirges ziemlich trüb aus. Dunkle Wolken kleben an den Bergen und geben nur hier und da der Sonne eine Lücke frei. Schade, aber auch nicht weiter schlimm für mein Vorhaben.
Der lange Weg zur Reintalangerhütte beginnt an der Olympiaschanze. 19 Kilometer sind es von dort immer entlang des Baches, ab Ausgang der Partnachklamm eine eher eintönige Angelegenheit. Dieser Weg verlangt den Wandernden dazu noch einiges an Höhenmetern ab, nämlich mehr als 1.500 im Auf- und etwa 900 im Abstieg.
Ich habe mir eine Abkürzung ausgedacht: den Zustieg vom Kreuzeck. Von dort sind es nur 11,5 Kilometer und die Seilbahn sorgt dafür, dass es zu Fuß überwiegend moderat bergab geht.
Ich treffe auf alte Bekannte
Leider macht die Zugspitzbahn eine durch Bauarbeiten bedingte längere Pause, deshalb laufe ich bis zur Talstation der Kreuzeckbahn. Dabei komme ich am idyllischen Riessersee vorbei. Im Hotel am See hatte ich bei meinem allerersten Besuch von Garmisch vor vielen Jahren übernachtet.
Kurz vor 12 Uhr erreiche ich die Bergstation auf 1.630 Meter. Vor mir ragt die Alpspitze auf, zu der ich einen sehr persönlichen Bezug habe. Unvergessen, wie wir hier einmal völlig unbedarft und ohne Ausrüstung in die Via Ferrata zum Gipfel eingestiegen sind - das mit Abstand unvernünftigste und gefährlichste Abenteuer, das ich je in den Bergen angegangen bin. Wenn man ungesichert auf einem vereisten Bügel stehend 1.000 Meter Luft unter dem Fuß hat, kickt die Höhenangst nochmal ganz anders.
Ein schmaler Pfad zweigt links ab Richtung Reintal, der erst am Ende recht steil abfällt und auf den letzten eineinhalb Kilometern 500 Höhenmeter verliert. Vor allem auf glitschiges Wurzelwerk muss man hier achten.
Zwischenstopp an der Bockhütte
Nach nicht einmal zwei Stunden komme ich an der Bockhütte raus. Die liegt am Hauptweg entlang der Partnach und wird auch von vielen Mountainbikern angesteuert. Weiter talauf verengt sich der Weg, aber bis hierher kommt locker noch jedes E-Bike. Ich lasse mir eine Suppe und ein Bier schmecken.
Laut Beschilderung sind es nun noch 1:45h bis zur Reintalangerhütte. Ich glaube, dass ich die fünf Kilometer in kürzerer Zeit packe. Es geht die munter und hellblau durchs Tal sprudelnde Partnach entlang. Tief hängen die Wolken zwischen den Felswänden. Kurz nachdem der Bach sich einen imposanten Wasserfall hinabgestürzt hat, kommt die Hütte in Sicht. Eine Stunde und fünfzehn Minuten war ich jetzt ab der Bockhütte unterwegs. Schätze, bei schönerem Wetter hätte ich mehr Zeit mit Fotografieren vertrödelt.
Es wird eng heute Nacht
Meine Frage, ob ich den Platz im Lager noch gegen ein Bett tauschen könnte, wird verneint. Ausgebucht. Ich ärgere mich ein bisschen, nicht schon früher einfach mal im Mehrbettzimmer reserviert zu haben.
Als ich dann den mir zugeteilten Schlafplatz in Augenschein nehme, muss ich gegen den Impuls ankämpfen, sofort kehrt zu machen und nach Garmisch zurück zu wandern. Da soll ich schlafen? Auf einem halben Meter Matratze? Herrje…
Auch Ablageplatz gibt es keinen, nicht einmal ein Brettchen an der Wand. So eine spartanische Hütte ist mir schon lange nicht mehr untergekommen. Es hilft aber alles nichts: Wenn ich morgen auf die Zugspitze will, MUSS ich hier übernachten. Irgendwie.
Nach Bezug von Decke und Kissen zieht es mich raus auf die Terrasse. Schon ein bisschen arg frisch, aber ich habe keine Lust, mich in die volle Stube zu quetschen. Auch das Abendessen - Spaghetti - nehme ich draußen ein. Es wird in zwei Schichten gegessen, so voll ist die Hütte.
Abendspaziergang zur Quelle der Partnach
Immerhin: Der Himmel reißt noch auf. Zwar erreicht uns hier im tiefen Tal die Sonne nicht mehr, aber die umliegenden Berge erstrahlen schön im letzten Licht des Tages. Das motiviert mich, noch einen kleinen Spaziergang zu unternehmen.
Zwanzig Minuten von der Hütte entfernt, komme ich an den Partnach-Ursprung. Wie der Bach hier aus dem Bauch des Berges kommt, ist schon erstaunlich. Gespeist wird die Partnach vom Schmelzwasser des Schneeferners. Die Reste des Gletschers liegen 1.100 Meter höher. Dazwischen befindet sich für die Nordalpen typisches Karstgestein, durch das das Wasser sickert, ehe es hier unten hervorquillt und seine lange Reise über Loisach, Isar und Donau bis zum Schwarzen Meer antritt.
Zurück an der Hütte trinke ich noch einen Tee, dann wird es mir endgültig zu kalt draußen und ich beschließe, früh zu Bett zu gehen. Vielleicht schlafe ich ja ein, bevor alle anderen ins Lager kommen. Wie es ausschaut, bleibt zumindest eine Matratze neben mir frei.