20150726 E5 02
Steinbock


So, 26. Juli 2015

STEINBÖCKE GALORE

Die zweite Etappe auf dem E5 führt von der Kemptner Hütte über das Mädelejoch nach Holzgau im Lechtal und schließlich auf die wildromantisch gelegene Memminger Hütte, eine der am stärksten frequentierten Alpenvereinshütten überhaupt. Kein Wunder, kreuzen sich hier doch gleich mehrere Fernwanderwege. In der Nachbarschft: jede Menge Murmeltiere und Steinböcke.   

Die erste Hüttennacht meines Lebens war gar nicht so übel. Die Kombination aus Seidenschlafsack und Decke war ziemlich warm und irgendwie ratterte der Kopf noch ganz schön, aber das Bett erwies sich als einigermaßen bequem. Allerdings musste ich irgendwann eine der drei Halben vom Abend wegtragen.


Kurz nach 6 Uhr ist Aufstehen angesagt. Das ist die normale Hüttenweckzeit und man kann sich kaum einen geschäftigeren Ort um diese Uhrzeit an einem Sonntagmorgen vorstellen als so eine Berghütte. Das Frühstück auf der Kemptner Hütte ist recht teuer und eher bescheiden, aber so früh habe ich eh noch keinen großen Appetit.


Über die Grenze nach Österreich


Gegen 8:45 Uhr beginnen wir den Aufstieg zum Mädelejoch, wo wir in 1.974 Metern Höhe die Grenze nach Österreich überschreiten. Dahinter geht es zunächst steil, dann immer gemächlicher hinab durch das Höhenbachtal Richtung Holzgau. Das Wetter ist ein Traum heute Morgen, das Panorama aus Bergen und Almen wie aus dem Bilderbuch. SO hatte ich mir das Ganze vorgestellt!


Besonders spektakulär ist der Simmswasserfall, benannt nach einem britischen Industriellen am Wiener Hofe, dessen bevorzugtes Jagdrevier einst die Gegend um Holzgau war. Dass der Wasserfall heute so fällt wie er fällt, ist tatsächlich Mister Simms zu verdanken, denn der ließ um die Wende zum zwanzigsten Jahrhundert Sprengungen durchführen, um dem sich tief ins Gestein gegrabenen Höhenbach wieder einen Weg über seine einstige Kante freizumachen. Ob es sich hier nun um einen künstlichen oder natürlichen Wasserfall handelt, lässt sich streiten. Imposant ist er allemal.


Am späten Vormittag erreichen wir Holzgau, von wo es mit dem Taxi weitergeht. Die Wartezeit darauf reicht für ein Radler und eine Knödelsuppe im "Gasthaus zum Bären". Eine zu beherzigende Regel jeder Fernwanderung lautet: Keine Gelegenheit zum Essen auslassen!



Abkürzung per Taxi


Für fünfzehn Euro pro Nase lassen wir uns etwa fünfzehn Kilometer durchs Lech- und Madautal chauffieren. Man würde sonst auf schnöden Teerwegen wandern - das muss natürlich nicht sein. Die Fahrt mit dem Sammeltaxi ist aufregend genug. Auf den engen Holztransportwegen scheint der Bus mehr als einmal höchstens drei Reifen auf die Straße zu bringen.


An der Materialseilbahn der Memminger Hütte werden wir abgesetzt. Weniger als eine Handvoll aus der Gruppe entscheidet sich für die bequeme Variante des Aufstiegs ohne Gepäck. Der Rest bewältigt die 700 Höhenmeter mit vollem Gerödel und in der prallen Mittagssonne - eine extrem anstrengende Angelegenheit, die noch dadurch erschwert wird, dass der Weg immer steiler wird, je höher wir kommen. Entsprechend groß ist die Erleichterung, als wir schließlich die Hütte auf 2.242 Metern erreichen. Aber Schock: Wir müssen zu 21 in einem Raum schlafen! Das wird kuschelig.


Erstmal ist aber Entspannung angesagt bei Spezi und Kuchen. Die wecken meine Lebensgeister und so entscheide ich mich dafür, allein auf den Seekogel zu gehen, jenen etwa 300 Meter hohen grasbewachsenen Hügel gegenüber der Hütte, an dessen Hängen man schon von der Terrasse aus Steinböcke beobachten kann. Nichts wie hin!


Unter Steinböcken


Um die dreißig Tiere zählt die Herde rund um die Memminger Hütte. Vor Menschen haben die Hornträger überhaupt keine Scheu. Diese Erfahrung durfte ich auch schon einmal im Wallis machen. Natürlich sollte man sich nicht zu hektisch bewegen, aber wenn man sich ihnen in Ruhe nähert, heben die Steinböcke höchstens mal kurz für einen mäßig interessierten Blick den Kopf. Ansonsten gehen sie in angemessener Würde ihrem Tagwerk nach, und wenn's direkt am Rand des Wanderweges ist.



Etwas aufgeregter als die Steinböcke sind die Murmeltiere. Auch davon gibt es jede Menge am Seekogel und wenn man sie erstmal in der Wiese entdeckt hat, kann man sie mit einem Pfiff jederzeit Männchen machen lassen.


Neben der Fauna beeindruckt aber auch der Rundumblick vom Gipfel. Gut sieht man die steilen Serpentinen, die wir heute hinaufgewandert sind, oder auch den hübschen kleinen Seewisee hinter der Memminger Hütte, die wie in einem Kessel vor der imposanten Reihe der Seeköpfe liegt.


Wieder vom Seekogel hinabgestiegen ist es fast schon Zeit für das Abendessen. Die Hütte ist jetzt proppenvoll. Ich weiß nicht, was mir mehr Sorge bereitet: Der Gedanke an den langen Abstieg über fast 2.000 Meter ins Inntal morgen oder die Aussicht auf die Nacht im Massenlager...


Wanderung:  8 km

Höhenmeter: +920 / -870

Übernachtung: Memminger Hütte - 34 EUR inkl. Halbpension