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Alpenglühen


Sa, 25. Juli 2015

NASSER START

Von Mainz sind die Alpen etwa zweieinhalb Mal so weit entfernt wie Start- und Zielpunkt unserer zweiwöchigen Wanderung voneinander. Luftlinie zumindest. Also beginnt das Abenteurer Alpenüberquerung am Mainzer Hauptbahnhof. Zusammen mit einem guten Dutzend Mitstreiter vom Deutschen Alpenverein mache ich mich auf die Reise nach Oberstdorf.   

Mit einem Gruppenticket ist das Ganze eine recht günstige Angelegenheit - wir zahlen nur 27 Euro pro Kopf inklusive Sitzplatzreservierung, alles bestens organisiert von Chefplaner Manfred. Unterwegs gabeln wir noch einige weitere Bergkameraden auf, etwa in Mannheim, wo wir das erste Mal umsteigen. Das klappt reibungslos, dafür fährt uns in Ulm der Anschlusszug vor der Nase weg. Wir haben zu lange in Stuttgart herumgestanden. Eine Stunde Pause und Gelegenheit, das örtliche Bier zu testen.


In einem sehr vollen Bummelzug geht es dann ins Allgäu, wobei wir in Kempten ein weiteres Mal umsteigen müssen. Um 14:19 Uhr erreichen wir schließlich Oberstdorf, sehr zur Erleichterung unseres Wanderführers Berthold und der restlichen, eigeninitiativ angereisten Gruppenmitglieder. Wer nun meint, hier ginge das Wanderprogramm los: Weit gefehlt! Wozu gibt es schließlich die "Bergsteigerlinie Spielmannsau"? Per Kleinbus geht es noch ein ganzes Stück aus Oberstdorf das Trettachtal hinauf. Hier endet dann allerdings der komfortable Transport, oder besser: Hier endet jeglicher Komfort, denn es regnet. Und zwar immer stärker, je weiter wir laufen.


In strömendem Regen zur Kemptener Hütte


Bis wir nach zweieinhalb Stunden Aufstieg die Kemptner Hütte erreicht haben, sind wir nass bis auf die Haut. Meine neue, sündhaft teure Regenjacke ist zwar tatsächlich sehr leicht und angenehm zu tragen, kapituliert allerdings irgendwann beim Feuchtigkeitstransfer.



Auch nichts für Weicheier: Das erste Mal den Schuhraum einer Berghütte zu betreten. Wo genau soll ich hier nur mit meinen Sachen hin? Die Regale sind bereits bis unter die Decke mit dampfenden Stiefeln vollgestopft und im angrenzenden Trockenraum hängt das Warenlager eines Globetrotter-Megastores von der Decke. Irgendwie kriegt es dann aber doch jeder hin, ein Plätzchen für die eigenen durchweichten Klamotten zu finden. Zum Glück müssen wir auch in der ersten Nacht nicht mit einem Matratzenlager vorlieb nehmen, sondern haben richtige Zimmer, die wir uns zu viert oder fünft teilen.


Endlich im Trockenen


Schnell in trockene Kleidung gewechselt und einen Tisch in der Gaststube besetzt. Die hat auf der Kemptner Hütte mit den Bierbänken unter Neonbeleuchtung ungefähr den Charme einer Bahnhofshalle. Immerhin sind die Bedienungen auf zack und so steht bald eine warme Suppe und ein frisches Bier vor mir. Prost!


Verrückterweise treibt schlechtes Wetter das Stimmungsbarometer auf Berghütten eher in die Höhe, denn so mancher entscheidet sich dann spontan gegen einen Abstieg und verbringt stattdessen Stunden mit Trinken. So auch eine Gruppe Kölner Jungs in unserer Nähe, die so unzurechnungsfähig sind, dass sie sich längst darauf freuen, die Nacht im Notlager verbringen zu dürfen. Das wird im Trockenraum aufgeschlagen werden. Viel Spaß!

Völlig unverhofft hält der Abend dann aber noch ein Highlight bereit, nämlich ein wunderschönes Alpenglühen. Die letzten Sonnenstrahlen haben es unter den Wolken hindurch geschafft, die die Kemptner Hütte umgebenden Berge in ein sagenhaftes orangerotes Licht zu tauchen. Es ist ein sehr befriedigender Abschluss für einen langen Tag.


Wanderung:  6 km

Höhenmeter: +859

Übernachtung: Kemptner Hütte - 14 EUR + Essen