Do, 1. Jul 21
Rifugio Sette Selle (1.978m) - Compet (1.383m)
Das beste an einer Hüttenübernachtung ist, dass man morgens schon in den Bergen ist und nicht erst mühsam aus einem Ort im Tal heraufkommen muss. So haben wir es heute auch nicht weit zu einigen der tollsten Flecken, die das Fersental für Wandernde bereithält.
Gar nicht so übel war die Nacht im Rifugio. Wie erwartet, bin ich recht früh wach und blende das Schnarchkonzert noch mit einem Podcast auf den Airpods aus. Weil das Zimmer so eng ist, dass man sich kaum umdrehen kann, machen wir uns nacheinander fertig.
Ganz ungewohnt ist das bei Hüttentouren ja durchaus übliche Ritual aus dem Einsammeln der Sachen, die man sich schon abends griffbereit hingelegt hat, und dem umständlichen Zusammenrollen des Schlafsacks. Immer wieder erstaunlich jedenfalls, dass der am Ende in das winzige Säckchen passt. So ein gemachtes Bett im Hotelzimmer ist schon eine feine Sache.
Um zwanzig nach acht sind wir auf dem wunderschönen Wanderweg, der vom Rifugio Sette Selle einem munteren Bächlein folgend talwärts führt. An einem Abzweig halten wir uns links Richtung Lago Erdemolo, dessen Ufer wir um Punkt zehn erreichen.
Schöner geht nicht
Der kleine Bergsee ist vielleicht das landschaftliche Highlight der ganzen Woche. Smaragdgrün schimmert das Wasser, in dem sich der Gipfel des Monte del Lago spiegelt. Lawinen von dessen Hängen haben auf der gegenüberliegenden Seite ein dickes Schneefeld angehäuft, von dem wie bei einem Gletscher in einem Fjord Eisschollen abgebrochen sind, die nun auf dem See treiben.
Leider ist der Lago Erdemolo alles andere als ein Geheimtipp. Selbst so früh am Tag haben es schon zahlreiche Wandernde vom großen Parkplatz im Tal herauf geschafft. Nach einer viel zu kurzen Rast steigen wir steil auf zu einer Scharte, der Forcella del Lago. Wir befinden uns nun auch wieder auf dem E5-Normalweg.
Die Aussicht: Fabelhaft
Vom Grat der Lagorai-Kette, auf dem wir nun entlang wandern, bietet sich eine fantastische Aussicht: Im Norden das Fersental, im Süden das Valsugana, das Suganertal, und unzählige weitere Höhenzüge dahinter. Es stimmt: Die Alpen enden nicht in Südtirol!
Auf dem Weg zum Passo della Portella sind ein paar knifflige, weil bröckelige Passagen zu durchsteigen, danach haben wir uns eine Pause verdient. Drei Wege liegen vor uns ausgebreitet, die wir alle nehmen könnten, um das heutige Ziel zu erreichen: Der links geht zügig bergab in den Wald. Der mittlere Weg führt am Hang entlang, wo er später wieder auf den eigentlichen E5 trifft, der nämlich oben auf dem Berg, dem Monte Gronlait, verläuft. Für letztere Variante, die einen steilen Aufstieg über 200 Höhenmeter bedeutet, entscheiden sich nur zwei von uns - ich bin dabei.
Der Monte Gronlait ist der höchste Punkt der Tour
Und was soll ich sagen? Die kurze Kraxelei hat sich absolut gelohnt, denn die Aussicht vom Gipfelkreuz ist atemberaubend. 2.381 Meter über Meer sind wir damit auch auf dem höchsten Punkt der ganzen Wanderwoche angekommen.
An der Forcella del Fravort treffen wir wieder auf den Rest der Bande. Die hat es sich gerade in der Sonne gemütlich gemacht und scheint mit einer längeren Pause gerechnet zu haben. Nichts da!
Kaffee und Kuchen fallen aus
Man könnte nun noch den direkt vor uns aufragenden Gipfel des Monte Fravort mitnehmen, stattdessen steigen wir aber rechts ab in eine Senke, wo wir auf eine alte Militärstraße treffen, die uns um den Berg herumführt. Der Weg ist sehr angenehm zu gehen, zieht sich dann aber schon ein bisschen bis er die kleine Hochebene La Bassa erreicht. Ein paar Serpentinen unterhalb davon ist eine Einkehr geplant, auf die wir uns alle mittlerweile sehr freuen. Entsprechend groß ist die Enttäuschung, als wir das Rifugio Malga Masi verlassen und verschlossen vorfinden. Fünf Kilometer liegen noch vor uns, eine kleine Stärkung wäre perfekt gewesen für den Endspurt.
Endspurt in einer Mondlandschaft
Wir befinden uns nun an der Südflanke des Monte Panarotta, Radsportfans womöglich als Etappenort des Giro d’Italia ein Begriff. Leider zieht sich die Forststraße durch ausgedehnte Kahlschlagflächen. Meterhoch stapeln sich die Baumstämme und mindestens genauso viele liegen noch kreuz und quer im Hang. Nach den herrlichen Eindrücken, die uns der Tag bisher bescherte, ist der Anblick hier umso deprimierender.
Erst am Ortsrand von Vetriolo, dem höchstgelegenen Thermalbad der Alpen, endet die Wüstenei. Wir überlegen kurz, auf der erstbesten Hotelterrasse noch eine Trinkpause einzulegen, entscheiden dann aber, die letzten zwei Kilometer durchzuziehen. Die geht es entlang der Straße durch den langgezogenen Ort und um ein paar Kurven, dann kommen wir nach Compet, einer Ansammlung von Häusern an einer Kreuzung. Unsere Fußsohlen glühen.
Die voll auf Hiker und Mountainbiker eingestellte Albergo Aurora empfängt E5-Wandernde mit einem Willkommensschild. Wobei das nicht nur uns gilt, sondern auch der OASE-Wandergruppe, auf die wir hier wieder treffen.
Ein Riegele löscht den ärgsten Durst
Die erste Runde Getränke ist schnell bestellt. Das alkoholfreie Weißbier kommt hier von einer meiner Lieblingsbrauereien, von Riegele aus Augsburg, und schmeckt außergewöhnlich gut. Die Geschichte dahinter, wie irgendwelche bayerischen Kleinbrauereien ihre Produkte in diese abgelegenen italienischen Bergdörfer gebracht haben, würde uns ja schon mal interessieren. Wahrscheinlich hat sie mit den Urlaubsreisen eines Vertrieblers zu tun.
Übernachten werden wir nicht in dem 1-Sterne-Hotel, sondern in dem direkt daneben gelegenen nagelneuen Garni. Das bringt es mit seinem kleinen Wellness-Bereich und den modernen Zimmern gleich auf zwei Sterne mehr. Gehört freilich derselben Familie.
Wir Männer verteilen uns auf zwei Drei-Bett-Zimmer und ich hüpfe direkt unter die Regendusche. Der Kontrast zum Rifugio von gestern entspricht ungefähr der Distanz von der Erde zum Mond. Als ich auf dem Balkon in der Sonne sitze und in meinem Buch lese, fühlt es sich an wie Urlaub.
Auch kulinarisch ist der Gipfel erreicht
Abendessen gibt es wiederum im Albergo auf der anderen Straßenseite. Wir sind schon völlig hin und weg von dem Salat- und Vorspeisenbuffet. Zum Glück hatte ich vorhin ein Eis mit Himbeeren gegen den Heißhunger, sonst würde ich hier direkt Nachschlag holen. Das Drei-Gänge-Menü, bei dem verschiedene Hauptspeisen auf großen Platten auf unserem Tisch landen, füllt die Mägen schließlich bis zum Anschlag. Ein Grappa bitte!
Unterkunft: Garni & Wellness Anderle, Compet - HP 59,90 EUR
Wegstrecke: 19,3 km
Höhenmeter: +887 / -1.478
Nützliche Links
Valsugana/Lagorai - die Gegend ist voll auf Aktivurlaub eingestellt
Outdooractive - Details und Karten zur Planung des E5-Südteils
Europawanderweg 5 - E5-Programm des DAV Mainz
Südtirol Mobil - Fahrplansuche für Bus und Bahn