Mi, 30. Jun 21
Segonzano (660m) - Rifugio Sette Selle (1.978m)
Im Cembratal eröffnen sich mehrere Routenoptionen auf dem E5. Wir sind vom Alpenverein, also gehen wir die alpine Variante über die Höhen des Lagoraigebirges an. Mit einher geht damit der Verlust an Komfort bei der Unterkunft: Die erste - und einzige - Hüttenübernachtung steht im Tourplan.
Das Hotel bietet pandemiebedingt kein Frühstücksbuffet an. Stattdessen bestellen wir bei der Bedienung aus einer langen Liste - und zwar alles! Der Tisch biegt sich fast unter dem Essen, das wir allerdings so gut wie restlos verputzen.
Mit dem Taxi in die Berge
Nach dem Frühstück holt uns ein Fahrer mit einem Minivan ab. Statt kilometerlang über Asphalt- und Schotterstraßen zu marschieren, lassen wir uns in gut halbstündiger Fahrt zur Alm Malga Stramaiolo oberhalb von Bedollo bringen. Damit haben wir auch gleich 1.000 Höhenmeter Aufstieg gespart, wir wandern direkt auf 1.659 Metern los.
Nach einer Stunde auf teils steinigem, teils von Lärchennadeln bedecktem Pfad erreichen wir das Rifugio Tonini - oder das, was noch von ihm übrig ist. Die Hütte ist nämlich vor fünf Jahren abgebrannt und nur noch ein Haufen Schrott und Ziegel. In der Küche stehen noch einige Schüsseln und Teller im Regal. Mittlerweile gibt es Pläne für einen Wiederaufbau 2024. Die Lage ist jedenfalls ein Traum. Wäre schön, wenn hier bald wieder Gäste die Aussicht genießen könnten.
Wir erreichen die Baumgrenze
Der Bergwald lichtet sich nun immer mehr. Zwischen Blaubeerbüschen, herrlich pink blühenden Alpenrosen und bald auch über Blockwerk führt der E5A auf einen Grat und damit endlich in Höhen jenseits der 2.000 Meter. Wir queren die ersten Schneefelder. Der Weg ist zwar gut markiert, aber teilweise ganz schön zugewuchert. Anscheinend wird diese Variante nicht all zu regelmäßig gegangen.
Nicht weit entfernt wetzt ein dickes Murmeltier über eine Wiese. Die haben es schön ruhig hier oben.
Am Passo Val del Mattio haben wir den höchsten Punkt erreicht: 2.270 Meter. Ohne größere Höhenverluste schlängelt sich der Weg nun den Bergkamm entlang. Wir passieren einige Stellungen aus dem Ersten Weltkrieg.
Erwischt uns doch noch ein Gewitter?
Mittlerweile hat ein Wechselspiel aus Sonne und Wolken eingesetzt. Die Bergfex-App hatte erst später am Nachmittag die Chance auf Gewitter in der Vorhersage. So wie der Wind weht, ist es auch unwahrscheinlich, dass sich da ein größeres Unwetter zusammenbraut, aber ein paar Hagelkörner bekommen wir doch ab. Immerhin: Wir haben die Regenjacken nicht ganz umsonst mitgenommen.
Nach dem Passo Palù steigen wir wieder ab in den Wald. Hier, am Ende des Fersentals, liegt unsere Unterkunft, das Rifugio Sette Selle. Das sieht von außen aus wie eine Bilderbuch-Berghütte. Werner hat uns allerdings schon darauf eingeschworen, dass wir es hier mit sehr einfachen Verhältnissen zu tun bekämen. Der Pächter Lorenzo sei aber ein echtes Original, der das Leben in den Bergen liebt - mehr als die Frauen jedenfalls, denn die Partnerinnen an seiner Seite würden öfter wechseln.
Sonderlich umweltfreundlich scheint der Hüttenbetrieb nicht zu sein
Seine junge Aushilfe treiben wir schon bei der ersten Bestellung in den Wahnsinn, denn die versuchen wir in Deutsch und Spanisch anzubringen - dabei spricht sie fließend Englisch.
Sehr gewöhnungsbedürftig: Es gibt auf der Hütte nur Einweggeschirr. Pappteller, Plastikbesteck, Dosen. Dass dabei durchgehend recyceltes Material verwendet wird, das zumindest teilweise einfach hinter der Hütte verbrannt wird, beruhigt das grüne Gewissen nicht.
Aber kommen wir zu den Zimmern. Wir haben zwei davon - eines ganz komfortabel mit zwei Stockbetten, Regalen und einem Tisch, und eines mit zwei Kojen, einem Stock- sowie darunter einem Ausziehbett. Werners Idee, sich nur mit Marion das Viererzimmer zu teilen, wird umgehend abgelehnt. Dass sich fünf Mann in die Kammer quetschen, während im größeren Zimmer zwei Betten frei bleiben, kommt nicht in Frage.
Abstriche bei der Körperpflege
Für mich auch nicht in Frage kommt, in der Hütte zu duschen. Dazu legt man nämlich ein Holzgitter über die Hocktoilette - fertig ist das kleinste Bad der Welt. Eine Katzenwäsche am Waschbecken wird’s tun. Die Tour heute war ohnehin nicht allzu schweißtreibend.
Die Zeit bis zum Abendessen vertreiben wir uns mit Lesen und Kartenspielen in der Stube, denn leider hat es nun doch heftig angefangen zu regnen. Mit uns ist eine Gruppe Jugendlicher auf der Hütte, die diese als Basis für Klettertouren nutzt. Später kommen noch ein paar junge Männer vorbei. Für sie ist kein Platz mehr im Rifugio, denn das Lager unter dem Dach kann Corona sei Dank nicht bis zum letzten Bett belegt werden. Aber sie dürfen auf der Terrasse ihr Zelt aufschlagen.
Zum Abendessen gibt es Polenta mit Gulasch. Gar nicht schlecht. Nachdem der Regen weitergezogen ist, schnappen wir draußen noch etwas Luft, dann kriechen wir in die Schlafsäcke. Zum Glück gibt es auch noch Decken dazu, denn es ist empfindlich kalt geworden - und das winzige Fenster heute Nacht geschlossen zu halten, ist keine Option.
Unterkunft: Rifugio Sette Selle
Wegstrecke: 10 km
Höhenmeter: +850 / -560
Nützliche Links
trentino.com - über das Fersental
Outdooractive - Details und Karten zur Planung des E5-Südteils
Europawanderweg 5 - E5-Programm des DAV Mainz
Südtirol Mobil - Fahrplansuche für Bus und Bahn