E5 Teil 3 / Tag 3
Naturpark Trudner Horn


Mo, 28. Jun 21

HILFE, WIR SIND ÜBERBUCHT!

Oberradein (1.570m) - Gfrill (1.300m)


Wir bleiben weiterhin unterhalb der Baumgrenze - dürfen uns aber trotzdem auf fantastische Fernblicke freuen. Der E5 führt durch den Naturpark Trudner Horn ins hoch über dem Etschtal gelegene Örtchen Gfrill. Dort erwartet uns eine Überraschung.


Heute müssen wir uns um keine Essens- oder Helmabgabezeiten Gedanken machen, dementsprechend starten wir erst um halb neun in die nächste E5-Etappe - nach einem auch im Thomaserhof wieder ganz hervorragenden Frühstück.


Von Oberradein aus geht es entlang der Straße und dann auf einem Waldweg eine ganze Stunde lang steil bergab ins knapp 800 Meter tiefer gelegene Unterradein, dort über den Schwarzenbach und die Landstraße entlang Richtung Kaltenbrunn. An dessen Ortsausgang beginnt der Naturpark Trudner Horn, der als der artenreichste ganz Südtirols gilt.


Endlich mal wieder einkaufen


In Truden gilt es, die Vorräte aufzufüllen, denn hier gibt es einen kleinen Supermarkt, dazu die absehbar einzige Gelegenheit des Tages auf ein Eis und einen Cappuccino. Die Hornalm, an der wir später vorbeikommen werden, hat nämlich laut Internet diesen Montag geschlossen. 


Wie das so ist bei solchen Gelegenheiten, kaufen alle ein, als gelte es, für Tage autark in der Wildnis zu überstehen. Reichlich Käse, Wurst und Obst landen in den Rucksäcken. Mein Vorrat besteht aus zwei Äpfeln. Eine Packung Loafer-Waffeln verputze ich auf der Stelle.


Nun folgt ein langer Anstieg über den Passo Cisa, den Ziss-Sattel, zur Hornalm. Unterwegs nochmal ein Hinweisschild, dass diese heute geschlossen ist. Zwei Mountainbiker überraschen uns dann mit der Auskunft, am Ende des Weges würde leckerer Kaiserschmarrn auf uns warten. Und tatsächlich: “Aperto” steht am Eingang zum Biergarten, geöffnet. Was für eine schöne Überraschung!


Die Rast haben wir uns verdient


Der Wanderführer verhandelt mit der Bedienung, dass wir das mitgebrachte Proviant auspacken dürfen, was hier eigentlich nicht erlaubt ist. Wobei sich der Umsatzverlust in Grenzen hält, so viel bestellen wir dann noch dazu. Eine Speckknödelsuppe geht bei mir ja eh immer rein. Und bei der grandiosen Aussicht verweilen wir nur zu gerne etwas länger. Die halben Dolomiten breiten sich am Horizont aus, bis zur Marmolata reicht das Panorama.


Hinter der Hornalm geht es noch ein kurzes Stück bergauf, danach auf breiten Waldwegen hinunter nach Gfrill. Unsere heutige Unterkunft, der Fichtenhof, liegt gleich neben der Pfarrkirche und ist bekannt für seine gute Küche, in der die ebenso resolute wie sympathische Ingrid das Kommando führt. Der ist es spürbar unangenehm, uns die Nachricht überbringen zu müssen, dass sie nur für drei aus der Gruppe einen Platz zum Schlafen anbieten kann. Der Fichtenhof ist überbucht!


Ein bisschen Improvisation gehört zu so einer Tour


Nun wäre Ingrid nicht so eine weithin geschätzte Gastgeberin, wenn sie nicht eine Lösung parat hätte. Für drei Mann gibt es ein Zimmer in einer nahegelegenen Pension. Die vierte Person müsste allerdings in ein Hotel in Buchholz gehen. Der Haken: Buchholz liegt sieben Kilometer entfernt und 800 Höhenmeter tiefer Richtung Etschtal. Etwa zehn Minuten wären es mit dem Auto. Spontan erkläre ich mich bereit, das Zimmer dort und auch die Fahrerei zu übernehmen. Ingrids Bruder Christian räumt seinen uralten, übelst verbeulten Passat aus, so dass wir zu viert samt Rucksäcken darin Platz finden, schon rollen wir vom Hof.


Ich setze die drei Mitwanderer an ihrer Pension ab, verfranse mich dann aber auf dem weiteren Weg bergab auf einem Feldweg. Ups, der Pfeil Richtung Buchholz war wohl für Fußgänger gedacht... Aber auch die Straße ist nichts für schwache Nerven, windet sie sich doch in engen Serpentinen den Berg hinunter. 


Vor verschlossener Tür


Das Hotel Buchholz ist nicht zu verfehlen, liegt direkt an der Hauptstraße des Ortes, sieht allerdings ziemlich verlassen aus. Die Eingangstür ist verschlossen und auf mein Klingeln reagiert niemand. Als ich schon nach der Telefonnummer des Fichtenhofs google, kommt dann doch eine Frau heraus und entschuldigt sich, dass sie mich nicht gehört hätte. Sie drückt mir einen Zimmerschlüssel in die Hand - offenbar bin ich der einzige Gast in dem riesigen Hotel, in dem die Saison noch nicht begonnen hat.


Das Haus hat es weitgehend unverändert aus den Siebzigerjahren in unser Jahrzehnt geschafft, aber das ist mir egal. Ich habe ein Zimmer nur für mich mit einem frisch bezogenen Bett, dazu ein eigenes Bad - was will man mehr? Ich wasche die heute getragenen Klamotten und hänge sie zum Trocknen auf den Balkon. Als ich gerade mit Duschen fertig bin, klopft es an der Tür. Es ist die Frau von vorhin, die einen neuen Duschkopf anbringen will. Stimmt, irgendwie fehlt da was.


Schließlich jage ich den Passat wieder die Serpentinen hinauf nach Gfrill. Unterwegs lese ich die anderen auf. Kurz nach halb acht laufen wir in der Stube des Fichtenhofs ein. Die ist proppenvoll. Kein Wunder, dass hier kein Zimmer mehr frei ist. Es stellt sich heraus, dass wir diese Woche nicht die einzige Wandergruppe auf dem E5 sind. Auch das OASE Alpincenter der Bergschule Oberstdorf ist im Fichtenhof abgestiegen, mindestens 15 Leute. Ist das hier schon Overtourism?


Unser Guide Werner scheint fast ein wenig entsetzt zu sein über den Trubel. Andererseits ist es natürlich schön, dass solche Orte nun endlich wieder Gäste empfangen können und die denn auch in großer Zahl kommen. Halb so wild alles. 


Ich kann als einziger Fußball schauen


Schon kurz nach dem Essen blase ich zum Abmarsch. Ich will die Straße nach Buchholz nicht in völliger Dunkelheit hinunterfahren. Die anderen Drei setze ich in der Nähe ihrer Unterkunft ab, die letzten Meter können sie ruhig zu Fuß gehen. So bin ich pünktlich zur zweiten Halbzeit des EM-Spiels Schweiz gegen Frankreich wieder im Hotel - und an diesem Abend überhaupt der einzige von uns mit einem Fernseher. Also werde nur ich Zeuge des spektakulären Dramas, das mit dem Ausscheiden des Titelverteidigers endet.


Unterkunft: Fichtenhof,, Gfrill / Hotel Buchholz

Wegstrecke: 19 km

Höhenmeter: +850 / -1.080


Nützliche Links

suedtirolerland.it - rund um den Naturpark Trudner Horn

Outdooractive - Details und Karten zur Planung des E5-Südteils

Europawanderweg 5 - E5-Programm des DAV Mainz

Südtirol Mobil - Fahrplansuche für Bus und Bahn