Fr, Sep 21, 2018
Vom hippen Trinity-Bellwoods aus machen wir uns an die Erkundung der größten Stadt Kanadas. Mit etwa 6,4 Millionen Einwohnern ist der Großraum Toronto DAS wirtschaftliche und kulturelle Zentrum des Landes. Die Dynamik der Stadt lässt sich ablesen an der Parade der in den Himmel schießenden Neubauten entlang des Lake Ontario und an der Vielfalt der von unterschiedlichsten Kulturen geprägten Neighborhoods. Warum waren wir eigentlich noch nie hier?
Das Magazin Vogue packte Queen West vor ein paar Jahre auf eine Liste der "15 Coolest Neighborhoods in the World". Queen West ist die übernächste Querstraße von unserem Apartment aus und in der Tat ist die Konzentration an Kunstgalerien, coolen Läden, Designstudios, angesagten Bars, Clubs and Restaurants in diesem Viertel enorm. Dabei wirkt alles überschaubar, denn kaum ein Gebäude ist höher als drei Stockwerke, die Straßenbahn rumpelt gemütlich über die Gleise wie sie es wohl seit 70, 80 Jahren tut und dann ist da ja mittendrin auch noch der große Trinity-Bellwoods Park, nach dem der Stadtteil offiziell benannt ist. Es lässt sich hier also dem Anschein nach prima leben und wir fühlen uns sofort wohl in der Gegend, als wir uns am ersten Morgen in Toronto auf den Weg zu einem Frühstückslokal machen.
Nach dem Frühstück: Foto-Safari
In Vorbereitung unserer Reise war ich auf The Lakeview gestoßen, dass schon seit 1932 im Geschäft ist und rund um die Uhr geöffnet hat. Hier treffen also die Nachteulen beim letzten Absacker auf die Frühaufsteher. Etwa auf deutsche Touristen mit Jetlag. Bestens gestärkt spazieren wir dann weiter durch das Viertel - die zahlreichen Street-Art-Werke haben unseren Jagdtrieb geweckt. Foto-Safari!
Auf Walking Tour durch Chinatown
So richtig Programm haben wir dann ab 10 Uhr, denn ich habe uns eine Walking Tour durch Kensington Market und Chinatown gebucht, zwei ebenfalls interessant klingende benachbarte Viertel. An einer Kreuzung vor der Art Gallery of Ontario treffen wir auf Mike von Urban Adventures. Der ist schon etwas nervös, denn bisher ist von den angemeldeten Teilnehmern seiner Tour außer uns beiden nur noch eine Australierin mit ihrem Baby aufgetaucht. So vertreiben wir uns die Zeit mit Smalltalk und bekommen schonmal ein bisschen Allgemeinwissen zu Toronto und überhaupt Kanada aufgetischt, wobei Mike die Unterschiede zum südlichen Nachbarland immer wieder besonders betont. Verständlich in diesen Zeiten.
Schließlich ziehen wir zu viereinhalb los, ehe im Park hinter dem Museum immerhin noch eine junge Amerikanerin dazustößt. Hier stehen wir dann auch gleich vor einem der ältesten Gebäude Torontos - The Grange. Der Backsteinbau wurde 1817 als Sitz der politisch überaus einflussreichen Familie Boulton erbaut, aber bereits seit 1910 als Kunstmuseum genutzt. Heute ist er Teil der Art Gallery of Ontario.
Ein paar Ecken weiter stehen wir an der Kreuzung Dundas Street West und Spadina Avenue dann in der Mitte von Old Chinatown. Wobei das "old" hier ein bisschen irreführend ist, denn das ursprüngliche chinesische Viertel Torontos lag seit den 1860ern weiter östlich und wurde in den 50er und 60er Jahren geräumt, um dem neuen Rathaus Platz zu machen.
In Toronto lernt man, wie Einwanderung funktioniert
Die Rolle der chinesischen Einwanderer für die Entwicklung Kanadas kann gar nicht als groß genug eingeschätzt werden, waren sie doch ganz maßgeblich am Bau der Eisenbahn beteiligt, die das riesige Land erst erschloss. Beliebt waren die Chinesen trotzdem nie bei den Weißen, bei den europäisch-stämmigen Einwanderern. Die Chinatowns Nordamerikas sind das Ergebnis von Ausgrenzung und Diskriminierung und genau die Parallelgesellschaften, vor denen bei Diskussionen zum Thema Integration in Deutschland immer wieder gewarnt wird.
Dabei bieten solche ethnisch homogenen Viertel den Neuankömmlingen natürlich einige Vorteile, vor allem ein Netzwerk an Landsleuten, das das Ankommen in der neuen Heimat erleichtert. Das Versprechen, das klassische Einwandererländer wie Kanada ihren Migranten freilich geben, ist, dass spätestens deren Kinder durch das Erlernen der Sprache (wobei Kanada selbst ja schon mehrere Amtssprachen hat) und eine Ausbildung ganz selbstverständlich zu Kanadiern werden und in der Gesellschaft aufgehen. Es ist ein vielfach erprobtes Erfolgsrezept, das aber doch im Laufe der Geschichte immer wieder aufs Neue gegen die Angst der etablierten Bevölkerung vor den Fremden verteidigt werden muss. An einer multikulturellen Stadt wie Toronto lässt sich das Prinzip gut studieren. Aber ich schweife ab.
Jedenfalls ist Torontos Chinatown selbst in ihrer Existenz bedroht - durch die immer älter werdende Bevölkerung. Die Nachkommen der Einwanderer ziehen in andere Gegenden oder die Vorstädte so wie alle anderen auch, die Studenten der nicht weit entfernten Universitäten entdecken die kleinen Häuser als günstigen Wohnraum, so dass Chinatown immer multikultureller wird. So wie man in Trinity-Bellwoods nur noch vereinzelt Ladenschilder in portugiesischer, ukrainischer oder polnischer Sprache sieht.
Kunterbuntes Kensington
Als Symbol für das tolerante Toronto taugt Kensington Market, das wir als nächstes besuchen. In den 1880ern wurden hier kleine Häuser für irische und schottische Immigranten gebaut. Eine Siedlung im viktorianischen Stil entstand, oft mit der Straße zugewandten Läden, wie man es aus Großbritannien kennt. Später zogen osteuropäische Juden ein, es folgten Asiaten und US-Amerikaner auf der Flucht vor dem Kriegsdienst in Vietnam. Genau diese herrlich alternative Mischung macht bis heute den Charme von Kensington Market aus - irgendwo zwischen Hippie-Flohmarkt und Hipster-Kirmes.
Wenig überraschend ist, dass man in Kensington Market gut essen kann. Mike empfiehlt hier mehr Restaurants als man auf einer Reise ausprobieren könnte - vom jamaikanischen Jerk Chicken bis zum Berliner Döner. Er schleppt uns in einen Käseladen, um uns cheese curds probieren zu lassen, Käsestückchen, die zu einer ordentlichen Poutine gehören (und nur die!), und auf eine Kaffeepause in den ruhigen Hinterhof einer Filiale von Jimmy's Coffee, einer lokalen Kaffeekette, die erfolgreich den allgegenwärtigen Tim Hortons und Starbucks trotzt.
Nach gut zwei Stunden endet die Tour, die uns viel Spaß gemacht und interessante Einblicke gewährt hat. Genau das Richtige zum Einstieg!
Ausflug auf die Islands
Nun ist der Tag noch nicht mal halb rum und überraschend warm und sonnig. Also beschließen wir, einen Ausflug auf die Toronto Islands zu unternehmen. Wir gehen uns fix etwas Luftigeres anziehen und fahren dann mit Streetcar und Subway zur Union Station, dem großen Bahnhof von Toronto. Rund um den erschweren Baustellen die Orientierung. Mike erzählte vorhin etwas von an die 100 Großbaustellen in der Stadt, Zeichen des rasanten Wachstums Torontos. Schließlich finden wir aber den Weg ans Wasser und zum Jack Layton Ferry Terminal.
Die Fahrt auf die der Innenstadt vorgelagerten Inseln ist ein günstiges Vergnügen und kostet hin und zurück gerademal 7,87 Dollar pro Person. Die nächste Fähre geht nach Hanlan's Point, die westlichste der drei Hauptinseln, die einen Park bilden, in dem von Baseball bis Tennis, von Surfen bis Picknicken mit allen nur erdenklichen Aktivitäten die Freizeit verbracht werden kann. Und dann ist da ja noch der fantastische Blick auf die Skyline, die allein den Ausflug wert ist.
Ein Sturm zieht auf
Wir hätten uns gerne irgendwo Fahrräder geliehen, finden aber keine Leihstation. Also machen wir uns zu Fuß auf den Weg. Dabei wechselt fast schlagartig das Wetter. Aus dem den ganzen Tag schon wehenden frischen Wind ist ein Sturm geworden, der den Lake Ontario ganz schön Wellen schlägen lässt. Die Nackten am Strand lassen sich davon zunächst nicht vertreiben. Auf der Insel gibt es einen clothing optional beach, einen von zweien in ganz Kanada wohlgemerkt. Später allerdings fliegen sogar Mülltonnen über die Rasenflächen und wir müssen uns ganz schön gegen den Wind stemmen. Zum Glück regnet es nicht.
Als wir nach gut zwei Stunden den Anleger auf Centre Island erreichen, legt sich der Sturm und die Sonne kommt wieder zum Vorschein. Hier müssen wir noch eine halbe Stunde auf die nächste Fähre warten, wobei wir aus bequemen, überall herumstehenden bunten Holzstühlen den Blick auf die Stadt genießen.
Zum Schluss gibt's Bier und Burger
Die letzte Frage, die an diesem Tag geklärt werden muss: Wohin zum Abendessen? Wir haben in Trinity-Bellwoods die Qual der Wahl. Die fällt schließlich auf die Burger und Craft Beer Bar BQM in der Ossington Avenue. BQM steht für beer & quality meats, und so lassen wir uns beides schmecken. Wobei: Conny ignoriert natürlich das Bierangebot und trinkt zum Burger Wein. Den gibt es in Kanada glasweise zu recht teuren Preisen. Aber was soll's? Wir haben ja Urlaub!
Unterkunft: Airbnb - 101 EUR
Nützliche Links:
blogTO - DER Blog zu Toronto! Ausgehen, Nachrichten, Events
#kanadastisch - der Entdecke-Kanada-Blog mit coolen Tipps für Toronto
OntarioTravel - Official Website of Tourism in Ontario
TO. - The Official Website of Tourism Toronto
Local Toronto City Blog - 35+ Incredible Things To Do Around Trinity Bellwoods Toronto
Local Toronto City Blog - 26+ Unique Ways to Explore Kensington Market
TripAdvisor Ontario Travel Forum - beantwortet alle Fragen