2008 New England 22
Boston

Do, Oct 23, 2008

EIN TAG, ZWEI HAUPTSTÄDTE

Am Tag vor dem Heimflug steht der letzte Quartierwechsel der Reise an: von Boston nach Providence. Pünktlich zum Frühstück verziehen sich die letzten Wolken Richtung Ozean und wir haben strahlend blauen Himmel über Boston. Perfekt für eine ausgiebige Besichtigungstour.


Weil das Parken in der Innenstadt tagsüber ruckzuck über 30 Dollar kosten würde, nehmen wir diesmal die Bahn nach Boston. Nicht weit von unserem Hotel ist die T-Station Wellington, wo man für drei Dollar den ganzen Tag in einem Parkhaus stehen kann. Bahnfahren in Boston ist absolut idiotensicher: man zieht sich eine Karte am Automat, die man immer wieder aufladen kann, wenn keine zwei Dollar mehr für die nächste Fahrt drauf ist. Mit der Karte geht's durch die Schranke – fertig. Das gleiche System wie in New York und Washington. Orientierung ist auch leicht, denn das Streckennetz beschränkt sich auf eine Handvoll Linien.


Der Freedom Trail führt zu allen Sehenswürdigkeiten


So fahren wir bis Downtown Crossing, von da sind es nur zwei Querstraßen bis zum Boston Common, dem ältesten Stadtpark des Landes. Am Visitor Center holen wir uns für zwei Dollar einen Plan vom Freedom Trail, dann folgen wir der roten Linie auf dem Boden, die zu den wichtigsten Sehenswürdigkeiten der Stadt führt. Sehr praktisch das. State House, Park Street Church, Granary Burying Ground, Old South Meeting House, Faneuil Hall – alles nicht zu verfehlen. Das Problem: heute scheint Wandertag zu sein und Dutzende von lärmenden Schulklassen sind auf dem Freedom Trail unterwegs. Nerv.


Wir bezahlen fünf Dollar extra um das Museum im Old State House zu besuchen, Dreh- und Angelpunkt praktisch aller relevanten Entwicklungen Bostons bis zur Unabhängigkeit – von den Versammlungen der gewählten Vertreter der Kolonie über das Boston Massacre bis zur Verlesung der Unabhängigkeitserklärung. Ich habe die ganze Geschichte mal im Detail gelernt, in der sehr schönen Ausstellung klingelt die eine oder andere Glocke in meinem Gedächtnis. Sogar ein paar Teekrümel der Boston Tea Party werden hier aufbewahrt.


Im Quincy Market gibt es die beste Chowder der Reise


Wir laufen den Freedom Trail bis zur North Church, der ältesten Kirche Bostons, die am Tag der Schlacht von Concord und Lexington eine Rolle spielte, als im Kirchturm eine Laterne das Ausrücken der britischen Truppen aus Boston verriet. Der Trail geht noch bis Bunker Hill auf der anderen Seite des Charles River, uns reicht es dann aber. Am Haus des Revolutions-Helden Paul Revere vorbei, dem ältesten Wohnhaus Bostons von 1680, gehen wir zurück zum Quincy Market, wo unzählige Essensstände alle möglichen Köstlichkeiten anbieten. Ich entscheide mich natürlich noch einmal für eine Clam Chowder – es ist die beste, die ich bisher gegessen habe.


Anschließend gehen wir quer durch die Innenstadt zum hübschen Viertel Beacon Hill. Baumbestandene Seitenstraßen, typische braune Stadthäuser – eine Idylle mitten in der Metropole. Am Charles River braust dafür wieder der Verkehr. Wir gehen noch über die Longfellow Bridge nach Cambridge rüber, vor allem des schönen Blicks auf die Skyline wegen. Am MIT steigen wir dann in die U-Bahn und fahren zurück zu unserem Auto.


Boston ist eine Reise wert


Auch Boston gefällt uns gut. Natürlich könnte man hier locker noch einige Tage verbringen, so viel Historie gibt es zu entdecken, so viele Museen zu besuchen. Andererseits: Wir kennen ja andere Ostküsten-Metropolen wie New York, Philadelphia und Washington schon sehr gut und so viel anders ist Boston denn für den Besucher auch nicht. Ich finde zum Beispiel nicht, dass Boston europäischer wäre, als die anderen Städte. Boston wirkt genauso amerikanisch und damit multikulturell wie die anderen. Wenn man tiefer in die Traditionen eintauchen würde, ergäbe sich sicher ein differenzierteres Bild, aber als Tourist ist das eh nur bis zu einem gewissen Grad möglich. Eine schöne und sehr interessante Stadt ist Boston auf jeden Fall.


Es ist halb drei und anscheinend beginnt schon der Feierabendverkehr. Die Interstate 93 Richtung Süden ist jedenfalls gut voll. Eine Stunde später sind wir in Providence. Der Kreis schließt sich, unsere Rundreise geht zu Ende.


Bei Sonnenschein ist Providence gleich viel schöner


Da das Wetter bei unserem letzten Besuch von Providence nicht so besonders war, machen wir jetzt noch mal einen Rundgang. Zuerst aber gebe ich noch ein zu kleines Polo-Shirt bei Abercrombie zurück. Das habe ich jetzt tatsächlich drei Wochen lang durch die Gegend gefahren in der Hoffnung, dass wir am Ende noch mal in der Providence Place Mall vorbeikommen. Ende gut, alles gut.


Rhode Island State House
Providence, RI
Providence, RI
Providence, RI
Rhode Island State House
Providence, RI
Brown University
Brown University
Providence, RI

Wir gehen am State House vorbei, das in seiner ganzen marmornen Pracht auf einem Hügel über Downtown thront. An der sehr schön angelegten Promenade spazieren wir den Providence River entlang, dann klettern wir die steile College Street hinauf zum Campus der Brown University. Immer wieder schön die Campi dieser alten Universitäten mit ihren neo-klassizistischen Gebäuden und riesigen alten Bäumen, unter denen die Studenten auf dem Rasen sitzen.


Brown gehört zur berühmten Ivy League und damit zu den renommiertesten Hochschulen der USA. Mit der benachbarten Rhode Island School of Design, der University of Rhode Island und dem Rhode Island College besitzt die zweitgrößte Metropole New Englands gleich drei weitere Hochschulen. Eine sehr angenehme Stadt mit vielen netten Ecken. Kennt ja eigentlich kein Mensch in Deutschland, den Besuch kann ich aber sehr empfehlen.


Perfekte Steaks bei Ruth's Chris


Jetzt haben wir Hunger – auf zu Ruth’s Chris. Ruth’s Chris ist eine Steakhouse-Kette für Prime Beef, dem besten Rindfleisch, das es in Amerika gibt. Eine Tiefkühltruhe haben diese Steaks nie gesehen. Man lässt sie bei niedriger Temperatur reifen, bis das Fleisch mürbe wird. Bei Ruth’s Chris werden die Steaks dann scharf gewürzt, gegrillt und in brutzelnder Butter auf einem heißen Teller an den Tisch gebracht. Das Sizzle-Geräusch ist Markenzeichen der Kette und allein beim Gedanken daran ist mir schon immer die Spucke im Mund zusammengelaufen, seitdem wir letztes Jahr in New York das erste Mal bei Ruth’s Chris waren.


Der ganze Spaß ist nicht ganz billig, ein Rib-Eye ohne Beilagen kostet zum Beispiel 39 Dollar. Aber es ist der letzte Abend und so gönnen wir uns das Vergnügen. In Providence gibt es bei Ruth’s Chris keinen Dresscode zu beachten, in anderen Restaurants hat es schon mal einen Hinweis, dass Business casual erwünscht ist. Jacket wird wohl aber nirgends erwartet.


Rhode Island State House
Providence, RI
Providence, RI

Die Steaks sind wie erwartet perfekt – wobei ich sagen muss, dass das Essen im Red Parka in Glen vor ein paar Tagen durchaus mithalten konnte. Was sich die Küchenchefs bei der Kreation von Shoestring potatoes als Beilage gedacht haben, wird uns allerdings nicht so ganz klar. Die spaghetti-dünnen und höllisch scharfen Pommes sind zwar superlecker, allerdings kaum zu essen, ohne die Hälfte über den Tisch zu verteilen. Na ja, der Kellner hat ja ein schickes Krümelmesser zum Saubermachen.


Nach einem abschließenden Schokokuchen sind wir voll bis zum Anschlag, zahlen die Rechnung von 120 Dollar und rollen zum Parkhaus. Drei Stunden parken kostet in Providence genau einen Dollar. Macht Sinn, denn hier wollen die Stadtväter ja, dass man mit dem Auto in die City kommt, wohingegen man die Pendler in Boston lieber im Zug sitzen hat.


Im Extended Stay in Warwick beziehen wir ein funktional ausgestattetes Zimmer mit Küche, die wir absolut nicht brauchen werden. Wobei: mein letztes Bier, eine Flasche Pemi Pale Ale der Woodstock Inn Brewery, darf der Kühlschrank noch ein paar Minuten kalthalten. Prost!


Gefahren: 67 Meilen / 108 Kilometer

Hotel: Extended Stay America, Warwick