2008 New England 19
Boott Cotton Mills, Lowell

Mo, Oct 20, 2008

DIE WIEGE DER INDUSTRIALISIERUNG

Wir verlassen die White Mountains Richtung Süden. Hat uns gut gefallen in diesen rauen Bergen. Man muss nicht unbedingt nach Amerika fliegen dafür, aber wenn man eh durch New England reist, lohnt es sich schon, hier ein paar Tage zu verbringen. Ansonsten liegen unsere Alpen näher.


Echo Lake
Lake Winnipesaukee
Lake Winnipesaukee

Den großen Zauber entfaltet die Gegend ohne Zweifel, wenn die Laubfärbung einsetzt. Um die auch in den höheren Lagen zu erleben, sollte man am besten schon Ende September kommen. Dann sind allerdings auch noch mehr Touristen da. Wir können uns jedenfalls nicht beschweren: drei Tage Traumwetter, ein sehr schönes Bed & Breakfast und dann dieses Steak im Red Parka....


Durch die Lakes Region nach Süden


Nach dem Frühstück fahren wir im Echo Lake State Park vorbei. Der ist keine zehn Minuten von North Conways Shopping-Meile entfernt und an diesem Morgen wohl der friedlichste Ort der Welt. Nebelschwaden steigen von der Wasseroberfläche auf und nur die Enten machen ein paar Wellen auf dem See, in dem sich die Granitwand der Cathedral Ledge spiegelt.


Durch die Lakes Region fahren wir Richtung Süden. Auch das ist eine sehr sehenswerte Ecke von New Hampshire. Das Ufer des größten Sees, Lake Winnipesaukee, ist allerdings auch bis zum letzten Meter mit Motels und Ferienhäusern verbaut.


Wir halten noch kurz an der Outlet Mall in Tilton, wo Conny bei Gap eine ganz bestimmte Hose findet, die es bisher nirgends in ihrer Größe gab. Frauen können da ja sehr beharrlich sein. Ich bin schon längst auf „nur noch, wenn ich's wirklich brauche"-Modus, was Shopping angeht. An der Tankstelle nebenan gibt es Benzin für 2,57 Dollar die Gallone. 2,57! Ich habe vor ein paar Tagen für 3,21 getankt. Dummerweise reicht der verdammte Schlauch nicht bis auf die andere Seite des Autos und in der überfüllten Tankstelle lässt sich kaum rangieren. Also tanke ich wenig später für 2,77. Geht auch und eigentlich sind mir Spritpreise auch so was von egal.


In Sachen Industriekultur ist Lowell ein Muss


Wir fahren nach Lowell, wo es einen National Historical Park gibt. Lowell ist die Wiege der Industrialisierung der USA und wer sich für Industriekultur interessiert, sollte hier unbedingt mal herkommen. Die Stadt wurde in den 1820ern von Bostoner Kaufleuten gegründet, die an den Fällen des Merrimack River eine ideale Stelle fanden, um Textilmühlen nach englischem Vorbild zu betreiben.


Lowell, MA
Lowell, MA
Lowell, MA
Lowell, MA
Lowell, MA
Lowell, MA
Lowell, MA
Lowell, MA
Lowell, MA

Lowell wuchs rasant zur ersten Industriemetropole Amerikas und zog bis zur Mitte des Jahrhunderts vor allem Farmertöchter aus ganz New England an, die als Mill girls gut bezahlte Arbeit in den Fabriken fanden. Trotz aller Fortschrittlichkeit waren die Arbeits- und Lebensbedingungen aus heutiger Sicht fast unvorstellbar und wenn man im Boott Cotton Mill Museum in einer alten Fabrikhalle steht, in der ein infernalischer Lärm herrscht, obwohl nur ein kleiner Teil der Webmaschinen rattert, bekommt man einen Eindruck.


Lowell, MA
Lowell, MA
Lowell, MA

Auf den Niedergang folgte die Wiedergeburt


Die Mill girls wurden später zunehmend von billigeren Immigranten ersetzt, Lowell genauso eine multikulturelle Stadt wie große Teile der USA. Auch die Geschichte der Einwanderer wird sehr gut dokumentiert, ebenso wie der Niedergang von Lowell, wo die Fabrikbesitzer es verpassten, rechtzeitig in neue Maschinen zu investieren und nach dem Ersten Weltkrieg mit den niedrigen Löhnen im Süden der USA nicht mehr mithalten konnten. Mitte der 50er Jahre schloss die letzte der großen Fabriken, Lowell verfiel.



In den 70er Jahren begann die Wiedergeburt: in die alten Gebäude zogen neue Unternehmen, Galerien und Wohnungen und so ist Lowell heute wieder eine lebendige Stadt, in der die Geschichte mit mehreren Museen und einem informativen Rundweg durch das Viertel mit den alten Fabriken hervorragend veranschaulicht wird. Wir verbringen hier über zwei Stunden.


Was für Literaturfans: Jack Kerouac, der berühmte Schriftsteller der Beat Generation, wurde in Lowell geboren und so kann man mittlerweile auch auf seinen Spuren die Stadt erkunden. Interessiert mich, weil ich die Beat Poets als Prüfungsthema an der Uni hatte.


Zurück in Andover


Aber genug der Bildung für heute. Ein paar Meilen den Merrimack entlang liegt Andover, hier ist unser Hotel, das La Quinta Inn & Suites, genau an der gleichen Autobahn-Ausfahrt wie das Marriott Courtyard, wo wir vor zwei Wochen schon übernachtet haben. Wir beziehen unser Zimmer mit zwei Queen-Size-Betten (kein Kampf um die Decke heute Nacht), machen uns kurz frisch und dann auf zum Abendessen. Unser Navi zeigt fünf Outback Steakhäuser im Umkreis von 15 Meilen an, wir lassen uns zum nächstgelegenen lotsen.


Heute Abend noch ein bisschen Wäsche waschen und Monday Night Football. Die Red Sox sind übrigens raus, der Soxtober beendet. Jetzt muss mit dem Football-Team, den Patriots, gefiebert werden. Ich finde ja Football auch wesentlich unterhaltsamer als Baseball.


Gefahren: 167 Meilen / 269 Kilometer

Hotel: La Quinta Inn & Suites Boston-Andover - 62 USD via Priceline