Stubai Tag 2
Aufstieg zum Seejöchl

Fr, 23. Juni 23

VERFRÜHTER ABSTIEG

Starkenburger Hütte (2.237 m) - Milders (1.030 m)


Lehrbuchmäßig führt die 1. Etappe auf dem Stubaier Höhenweg von der Starkenburger zur Franz-Senn-Hütte. Da ich dort keinen Erfolg bei der Anfrage nach einer Übernachtung hatte, ist unser Ziel heute Milders. Der Ortsteil von Neustift liegt direkt unterhalb der Starkenburger Hütte, nur etwa zwei Stunden Abstieg entfernt. Aber wir sind ja hier, um den Stubaier Höhenweg zu wandern, also sieht der Plan etwas kreativer aus.


Tatsächlich wollen wir bis zur Franz-Senn-Hütte und dann weiter zur eine knappe Stunde unterhalb gelegenen Oberissalm wandern. Von dort soll es einen Bus-Service nach Milders geben. Das hatte ich auf der Website des Almhofs gelesen. Bei dem, respektive der benachbarten Pension Almrausch, hatte ich uns nach der Absage der Franz-Senn-Hütte nämlich ein Zimmer reserviert. Guter Plan B, dachte ich mir.


Über Nacht hat es einen kompletten Wetterumschwung gegeben. Nach der schwülen Hitze der letzten Tage daheim kommt uns die Kühle nicht ungelegen, aber 8 Grad fühlen sich schon arg frisch an. Ob der Regen, der am frühen Morgen gegen das Fenster getrommelt hat, komplett abgezogen ist, lässt sich beim Blick nach draußen nicht abschätzen. In alle Richtungen türmen sich Wolkengebirge auf, nur ab und an lugt ein Gipfel durch eine Lücke. Auch die Starkenburger Hütte wird immer wieder eingehüllt.


Wolken füllen das Stubaital
Starkenburger Hütte
Starkenburger Hütte
Wegweiser

Immerhin regnet es nicht, als wir um 7:45 Uhr aufbrechen. Unterhalb des Hohen Burgstalls geht es auf schmalem, aber gut zu gehendem Pfad hinauf Richtung Seejöchl. Ich nehme mir vor, den Burgstall (2.611 m) oder auch die benachbarte Schicker Seespitze (2.808 m) einmal auf einer Tagestour zu besteigen. Heute haben wir keine Zeit für eine Gipfeltour und ohnehin keine Aussicht auf Aussicht.


Wir wandern oberhalb eines Hochtals, in dem sich eine große Herde Schafe über die Hänge verteilt hat. Nicht damit gerechnet haben wir, dass auch hinter uns ein Schaf auftauchen könnte. Anscheinend sind wir ihm im Weg. Wir halten an und machen Platz. Mit einem protestierenden “Mäh” zieht es an uns vorbei und dann auf einen Felssporn, von dem aus es auf die anderen Schafe herabblicken kann. Wie der König der Löwen thront es da oben – ein großartiges Bild.


Schneejöchl statt Seejöchl


Entlang des Schlicker Sees, der noch teilweise von Eis bedeckt ist, balancieren wir über die ersten Schneefelder. Am Seejöchl, in gut 2.500 Meter Höhe, türmt sich eine mehr als zwei Meter hohe Wechte. Die zieht sich mehr oder weniger den ganzen Kamm entlang und zwingt uns nun immer wieder, den Pfad zu verlassen, um uns einen Weg um die Schneemassen herum zu suchen. Bei besseren Verhältnissen könnte man ein Stückchen weiter oben über den Grat wandern und den Gamskogel (2.659 m) mitnehmen. Derzeit wäre das ein aussichtsloses Unterfangen.


Wir bleiben mehr oder weniger auf gleicher Höhe, laufen mal über gerade so abgetaute Wiesen, mal über Blockwerk. Leider wird das Wetter nun immer schlechter. Die Wolken haben es sich hier oben gemütlich gemacht und hüllen uns bald komplett ein. Dann setzt leichtes Nieseln ein, das rasch in einen richtigen Schnürlregen übergeht. Das macht jetzt so gar keinen Spaß hier oben. Die Steine sind glatt und erfordern unsere volle Konzentration. Dazu muss man aufpassen, nicht ständig in Schafscheiße zu treten. Die Aussicht, noch mehrere Stunden so bis zur Franz-Senn-Hütte zu wandern, ist nicht gerade motivierend.


Alpensalamander
Am Seejöchl
Am Seejöchl
Am Seejöchl
Am Seejöchl
Am Seejöchl

Wann kommt der Bus?


Um 11:30 Uhr erreichen wir die Seducker Hochalm. Die liegt ungefähr auf halbem Wege zwischen Seejöchl und Franz-Senn-Hütte und bietet die einzige Möglichkeit abzukürzen, indem wir nämlich von hier direkt Richtung Mieders absteigen und nicht mehr bis zum Talschluss wandern. Zeitlich würden sich beide Optionen wohl so ungefähr gleich ausgehen, aber natürlich nur, wenn uns tatsächlich ein Bus an der Oberissalm abholt. Ich beschließe, im Hotel anzurufen und mich danach zu erkundigen. Und diese Idee rettet uns den Arsch!


Seducker Hochalm

Der Mobilfunkempfang ist lausig, es gelingt mir aber, zur Rezeption des Almhofs durchzukommen. Bevor die Verbindung wieder abbricht, erfahre ich, dass die Straße durch das Oberbergtal für den Taxiverkehr gesperrt ist. Höchstens bis zur Schranke in Seduck könnten sie fahren. Die sehen wir genau unter uns im Tal. Der Abstieg von der Franz-Senn-Hütte würde sich damit glatt verdoppeln auf zwei Stunden. Wir entscheiden uns für den direkten Weg nach unten. 


Der Regen bleibt hinter uns


800 Höhenmeter sind es von der Hochalm bis zur Siedlung Seduck und das auf nicht einmal drei Kilometern Wegstrecke – ein Fest für die Knie! Immerhin hat es aufgehört zu regnen.


Gegen 13:30 Uhr haben wir die Talsohle erreicht. In der Nähe der Schranke hat sich eine größere Gruppe versammelt. Die meisten von ihnen sind mit am Rucksack befestigten Seilen und Helm unterwegs. Wenn die mal nicht zu dem Kurs auf der Franz-Senn-Hütte gehören… Jedenfalls stehen sie da recht unentschlossen herum. Anscheinend wird diskutiert, welche Alternativen zur Straße es gibt, um die Hütte zu erreichen. Wir kommen nicht direkt an ihnen vorbei, sonst hätte ich davon abgeraten, zum Höhenweg aufzusteigen. Kurze Zeit später sehen wir sie nämlich genau in die Richtung gehen, dann wieder stehenbleiben.


Unser Ziel steht fest: Milders. Ich freue mich jetzt schon auf eine heiße Dusche, der steile, rutschige Abstieg hat mich ziemlich geschlaucht. Ich ahne, dass sich die knapp sechs Kilometer, die wir noch vor uns haben, ziehen werden wie Kaugummi. 


Oberbergtal
Oberbergtal

Wir wollen nicht die ganze Strecke entlang der Straße gehen, sondern biegen bald auf einem Forstweg in den Wald ab. Im Winter wird der als Rodelstrecke genutzt. Dann kann man von der Auffangalm hier herunterschlitteln. Das Werbeschild der Alm sieht so einladend aus, dass wir überlegen, ob eine Einkehr nicht die paar Höhenmeter extra wert wäre. Zum Glücke lese ich rechtzeitig, dass dort heute Ruhetag ist. Also einfach stumpf weiter geradeaus.


Milders
Almhof Milders

Endlich am Ziel!


Dank unseres strammen Marschtempos benötigen wir nur wenig länger als eine Stunde von Seduck nach Milders. Um 14:45 Uhr kommen wir an der Pension Almrausch an. Ein Zettel an der Tür bittet darum, zum Einchecken ins Hotel zu gehen. Verdammt, an dem sind wir eben dran vorbeigelaufen!


Ich schleppe mich zurück zum Almhof. Dort erfahre ich dann die Geschichte um die Sperrung der Fahrstraße. Die besteht nämlich schon seit einem Jahr. Damals gab es einen heftigen Murenabgang. Seitdem wird auch der Pfarrer von Fulpmes vermisst. Der befand sich auf dem Nachhauseweg von einer Feier für Ehrenamtliche, als sein Auto von den Fels- und Schlammmassen mitgerissen wurde. Vom Fahrzeug barg man irgendwann Trümmerteile, der Pfarrer wurde bis heute nicht gefunden. Tragisch.


Eigentlich war die Straße im Mai wieder für den Fahrdienst, den das Hotel betreibt, geöffnet, kurz darauf aber bis auf weiteres gesperrt worden. Nun dürfen sie nur die Landwirte und sonstige Bedienstete befahren, um die Gäste wäre es wohl zu schade.


Wir sind ziemlich froh, nach diesem Tag ein Hotelzimmer beziehen zu können. Wegen der Dusche, aber auch weil wir dort Kleiderbügel und genug Platz haben, die durchnässten Klamotten zum Trocknen aufzuhängen. 


In einem letzten Kraftaufwand schlappen wir die Straße hinunter zum örtlichen Supermarkt. Mit Schokolade, Chips, Limo und Bier machen wir es uns dann auf dem Balkon unserer Pension gemütlich, bis wir zum Abendessen wiederum ins Hotel Almhof gehen. Wir haben Halbpension gebucht, also gibt es dort ein Drei-Gänge-Menü für uns. Als wir am uns zugewiesenen Tisch Platz nehmen, begrüßt uns ein anderer Gast mit den Worten “Ah, endlich sinkt hier der Altersdurchschnitt.” Das sieht nur so aus, entgegne ich, allerdings lässt sich nicht leugnen, dass im Almhof überwiegend ältere Busreisende abgestiegen sind. Unter den ganzen beigen Westen und geblümten Blusen fallen die etwas Jüngeren in ihren Outdoorklamotten auf wie bunte Hunde.


Unterkunft: Pension Almrausch, Milders

Wegstrecke: 18 km

Höhenmeter: +530 / -1.740


Nützliche Links

Stubai.at - alles zum Stubaier Höhenweg

Outdooractive - Details und GPS-Daten zur Planung