Dolomiti Tag 6
Piz Boè


Do, 4. Juli 24

BOÈ OLÉ

Rifugio Monti Pallidi (1.850 m) – Rifugio Boè (2.873 m)


Die Königsetappe unserer Dolomitentour steht an: Es geht auf den Piz Boè und damit auf über 3.000 Meter. Nur knapp darunter liegt die nächste Unterkunft, die Boèhütte. Wir sind gespannt, wie die Schneesituation da oben ist. Die Niederschläge von gestern dürften als Neuschnee runtergekommen sein. Unser Sommer in Italien – nicht ganz, was man sich so vorstellt.


Der Piz Boè ist der am einfachsten zu besteigende Dreitausender der Dolomiten. Wenn man will, muss man lediglich 300 Höhenmeter überwinden, um den 3.152 Meter hohen Gipfel zu erreichen. Die Seilbahn vom Pordoipass bringt einen nämlich schon auf 2.950 Meter. Von der Bergstation auf dem Sas de Pordoi muss man dann zwar wieder ein bisschen absteigen zur Pordoischarte, die dabei verlorenen 100 Höhenmeter holt man sich im gemächlichen Anstieg Richtung Boè aber leicht wieder. Nicht viel mehr als eine Stunde ist für die Wanderung zu veranschlagen, an deren Ende ein leichter Klettersteig wartet, entsprechend beliebt ist der Piz Boè als Ausflugsziel. Unsere Alpenvereinsehre gebietet es freilich, zu Fuß auf den Berg zu kommen. 


Wie schon vorgestern, tut der Himmel morgens so, als sei das mit dem Regen am Vortag ein böser Traum gewesen. Tiefblau, hier und da ein paar hingetupfte Wölkchen, dazu Bergspitzen im Sonnenschein.


Langkofel und Sellajoch im Sonnenschein
Speichersee am Pordoipass

Wie Hänsel und Gretel im Wald

Wir lassen uns nicht ganz so viel Zeit wie gestern mit dem Frühstück. Um halb neun stiefeln wir los. Laut Karte müsste es einen Weg durch den Wald zum Pordoipass geben, aber nach ein paar Minuten irren wir schon lost durchs Unterholz. Als wir auf einmal auf eine breite Forststraße treffen, die nirgends eingezeichnet ist, freuen wir uns, nur um dann festzustellen, dass das die Zugangsstraße zu einem riesigen neuen Speichersee ist. Den hatte ich vorgestern schon von der Langkofelscharte aus entdeckt und mich gefragt, was dieses Ding im Wald da drüben ist. Durch den Neubau sind jedenfalls alle Wegführungen dahin.


Pordoipass
Denkmal am Passo Pordoi
Aufstieg zur Pordoischarte
Blick zurück zum Pordoipass
Pordoischarte
In der Pordoischarte liegt der Schnee meterhoch
Rifugio Forcella Pordoi
Durch diese Wechte müssen sie alle gehen...
Pordoischarte

Da wir aber keine Lust haben, die Passstraße entlang zu gehen, folgen wir dem Beispiel eines Fuchses und laufen – alle Verbotsschilder ignorierend – auf dem Damm zur anderen Seite des Beckens. Da wird es schon irgendwie weitergehen. 


Um kurz vor zehn kommen wir auf dem Passo Pordoi (2.239 m) an. Das hat jetzt alles viel länger gedauert als gedacht. Wir lassen kurz die Idee, nun einfach mit der Bahn hinaufzufahren, durch unsere Köpfe kreisen, verwerfen sie dann aber schnell. Wir haben ja den ganzen Tag Zeit. Das Zwischenziel, die Pordoischarte (2.848 m), ist von unten gut auszumachen. Der Weg führt erst durch Wiesen, dann in Serpentinen über Geröll. Sieht weitgehend schneefrei ist.


Willkommen im Winter


Tatsächlich ist nur das allerletzte Stück vor der Scharte frisch eingezuckert. Oben empfängt uns allerdings ein Winter-Wonderland. Durch eine meterhohe Wechte führt ein enger Durchgang direkt auf die Terrasse des Rifugio Forcella Pordoi. Um 11:20 Uhr sind wir oben und haben damit den anstrengendsten Teil der Wanderung hinter uns.


Kurze Pause für ein Getränk, dann ziehen wir Grödel über die Wanderschuhe und machen uns auf den Weg durch den Schnee Richtung Piz Boè. Mit den Krallen unter den Füßen ist das gar kein Problem.


Wir entscheiden dann, nicht den direkten Weg zum Gipfel zu nehmen, sondern erstmal zur Hütte zu wandern. Wir hoffen, damit auch ein bisschen den Menschenmassen zu entkommen, wenn wir erst am Nachmittag hinaufkraxeln.

Rifugio Forecella Pordoi
Blick über das Massiv zum Piz Boè
Es geht nicht nur über Schnee...
Wie get's weiter?
Wegweiser zur Boèhütte
Unterhalb des Piz Boè
Blick zurück zur Pordoischarte
Boèhütte in Sicht!
Ankunft an der Boèhütte

Gegen 13 Uhr begrüßt uns eine grau-getigerte Katze an der Boèhütte (2.873 m). Typischer Bewohner des Hochgebirges – auf der Santnerpasshütte gab es auch schon eine Katze.


Hauskatze der Boèhütte
I'm not a chair: Sanitätskiste aus dem Krieg
Kaffee & Kuchen
Unser Zimmer auf der Boèhütte
Blick zum Gipfel
Typisch für italienische Alpenvereinshütten: die blau-weißen Fenster

Die Boèhütte wurde zwischen 2018 und 2021 umfassend modernisiert. Sogar WLAN hat es hier oben (über Satellit). Schon seit 1894 steht an dieser Stelle eine Schutzhütte. Die erste wurde von der Alpenvereinssektion Bamberg errichtet, deshalb liest man manchmal auch noch was von Bamberger Hütte, wenn eigentlich das Rifugio Boè gemeint ist.


Verwirrend auch, dass die kleine Hütte direkt auf dem Gipfel des Piz Boè nicht so heißt wie der Berg, sondern Capanna Piz Fassa. Jedenfalls ging die Bamberger Hütte nach dem Ersten Weltkrieg an die Società deglia Alpinisti Tridentini, die größte Sektion des italienischen Alpenvereins. Uns gefällt die neue Hütte auf Anhieb.


Erst Kaffee, dann Gipfel

Wir beziehen ein Vierbettzimmer, wobei die junge Frau an der Rezeption noch nicht sagen kann, ob da noch jemand mit reinkommt. Wir tun so, als ob nicht, und breiten unsere Sachen aus. Nach Kaffee und Kuchen scheint draußen wieder die Sonne. Da bietet es sich an, nun die Boèspitze in Angriff zu nehmen. Um 14 Uhr machen wir uns auf den Weg.


Mit leichtem Gepäck ist die Besteigung ein Klacks. Wobei schon ein bisschen Kletterei dabei ist und auch ein paar ausgesetzte Passagen. Die sind gut mit Halteseilen versichert. Um kurz nach drei sind wir oben.


Aufstieg zum Piz Boè
Halteseil oberhalb der Boèhütte
Der Langkofel kommt hervor...
Piz Boè Gipfel
Dirk auf den letzten Metern über ein Schneefeld
Schild am Gipfel des Piz Boè: 3.152 m hoch
Gipfelselfi
Capanna Piz Fassa
Blick über den Pordoipass zur Marmolata
Marmolatagletscher
Dohle am Gipfel
Auf dem Abstieg zur Boèhütte
Blick zurück zum Gipfel

Der Gipfel ist ganz schön zugebaut. Neben der Hütte und dem obligatorischen Kreuz steht hier oben auch ein total unförmiger und weithin sichtbarer Telefon-Reflektor. Mit unberührter Natur hat das alles nichts zu tun, aber die Aussicht allein ist schon den Aufstieg wert. Im wahrsten Sinne des Wortes der Höhepunkt unserer Dolomiten-Tour.


Wir verbringen eine gute halbe Stunde mit dem Genießen des Panoramas und machen uns dann auf demselben Weg wie für den Auf- an den Abstieg. Um 16:20 Uhr sind wir wieder unten bei der Katze.


Schweigsame Zimmergenossen


Ein holländisches Ehepaar ist in unser Zimmer eingezogen. Upsi, tut uns leid, dass wir die Stockbetten über Kreuz belegt haben. Kein Problem, meint er. Sie scheint gar nicht zu sprechen. Das ändert sich auch nicht beim Abendessen, bei dem wir mit den beiden an einem Tisch sitzen. 


Ich bin ja auch nicht der größte Fan von Smalltalk, aber auf Berghütten gehört es schon dazu, dass man sich ein bisschen als Gemeinschaft versteht und miteinander ins Gespräch kommt. Schon fast verzweifelt frage ich, von wo sie denn aufgestiegen sind, wie es unterwegs mit dem Schnee war – alles vergebliche Mühe. Mehr als fünf Worte sind nicht aus ihm rauszukriegen und sie schweigt dazu. Miteinander scheinen die beiden auch nicht zu reden. Schon seltsam. Da waren die Holländer, mit denen wir uns auf dem Meraner Höhenweg mal ein Zimmer geteilt haben, viel angenehmer. Dabei waren die beiden Kreationisten, die glauben, dass die Erde erst vor 6.000 Jahren von Gott erschaffen wurde.


Abendhimmel über dem Sellamassiv

Unterkunft: Rifugio Boè

Wegstrecke: 11,5 km

Höhenmeter: +1.325 / -300


Nützliche Links

Dolomiti.org - die verschiedenen Regionen der Dolomiten im Überblick

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