2. Okt 2021
Fährt man von Bruneck nach Süden kommt man ins Gadertal, das Herz Ladiniens. Sprache und Kultur der seit vorrömischer Zeit hier siedelnden Urbevölkerung haben die Jahrhunderte überdauert, vor allem der abgeschiedenen Lage wegen. Mit dem Skigebiet Alta Badia ist das Tal heute eines der Zentren des Wintersports in den Dolomiten. Der Ort Badia wird überragt von den senkrechten Felswänden des Fanes-Plateaus, dessen Westabsturz eine Reihe von Gipfeln bilden, allesamt um die 3.000 Meter hoch. Wir nehmen uns den Heiligkreuzkofel zum Ziel.
95 Pisten hat Alta Badia, entsprechend groß ist das Angebot an Seilbahnen und Sesselliften, die auch Wandernden und Mountainbikern den Weg in die Berge einfach machen. Wir lassen uns bis auf 2.015 Meter Höhe gondeln. Die Seilbahn "La Crusc 2" setzt uns unweit des Heiligkreuz-Hospiz ab, das seit 1718 Pilgern und Mesner der benachbarten Heilig-Kreuz-Kirche Unterkunft bietet. Die gibt es sogar schon seit 1484. Überaus pitoresk steht das Ensemble vor dem 2.907 Meter hohen Heiligkreuzkofel. Wir können unser Ziel also schon sehen und kaum glauben, dass durch diese Wand ein Wanderweg gegen soll.
Auf der anderen Talseite liegt der Naturpark Puez-Geisler und ab und an lugt auch das Sellamassiv mit dem Piz Boè und der von uns am Tag zuvor bestiegenen Cima Pisciadù aus den Wolken. Links davon können wir die Marmolada ausmachen. Was für ein Panorama!
Ein Klettersteig führt durch die Wand
Erst geht es ein kurzes Stück durch Bergwald, dann über eine gewaltige Schotterhalde zum Einstieg in den blanken Fels. Bei dem Wanderweg handelt es sich um einen Klettersteig, der allerdings technisch weiter keine Schwierigkeiten bereithält und ohne Sicherung begangen werden kann. Trittsicherheit auf Klammern und Stiften und die Überzeugung, sich mit festem Griff ins Stahlseil halten zu können, sind allerdings Voraussetzung für diese Passage. Wir klettern mitten in der Wand von Felsband zu Felsband, die Aussicht wird immer beeindruckender. Nach zwei Stunden erreichen wir die Kreuzkofelscharte und damit das Fanes-Plateau.
Das Fanes-Plateau ist eine Karstebene, Schauplatz von Fabeln und Legenden und Teil des Naturparks Fanes-Sennes-Prags, in den uns in den letzten Jahren schon einige Touren geführt haben. Von der Kreuzkofelscharte lässt es sich in einer guten Stunde zur Fanes-Alm wandern. Die Hütten dort sind ideale Ausgangspunkte für allerlei Gipfeltouren, etwa eben auf den Heiligkreuzkofel und den gleich daneben liegenden Zehner. Der bringt es denn auch schon auf über 3.000 Meter.
Den Gipfelsturm blasen wir ab
Bis auf den Kreuzkofel sind es von der Scharte noch etwa 300 Höhenmeter. Wie auf einer Ameisenstraße zieht sich die Kolonne der zum Gipfel Strebenden. Ich schätze, dass wir 30 bis 45 Minuten für den Aufstieg benötigen würden, ebenso lang zurück. Wir fragen uns allerdings, ob es sich überhaupt lohnt, diesen Weg noch zu gehen, denn immer wieder bleiben aus dem Gadertal aufsteigende Wolkenfetzen an der Spitze hängen und hüllen sie komplett ein. Mit Aussicht wäre es womöglich nicht weit her und überhaupt wäre die ja kaum anders, als von dort, wo wir jetzt schon stehen. Wir beschließen also, den Gipfelsturm sausen zu lassen und nur noch ein kurzes Stück entlang der Abbruchkante zu gehen. Das ist schwindelerregend genug.
Statt weiter hinauf gehen wir nun also ein Stück bergab Richtung Fanes. Der Weg ist mühsamer als es von oben aussieht. Einige hohe Felsstufen sind zu überwinden und es ist gar nicht so leicht, zwischen all den Spalten und Felsbrocken die Markierungen zu finden. Wir suchen uns den Weg 12 zum Lavarella-Sattel. An dem haben wir wieder das Gadertal unter uns. Ein heftiger Wind weht über das Joch. Der legt sich allerdings beim Abstieg durch das sonnenbeschienene Schuttkar des Val Medesc.
Auch hier ist wieder Trittsicherheit gefragt, denn das Geröll ist unheimlich rutschig. Ein Pärchen mit großen Rucksäcken kommt uns entgegen. Bergauf ist das Ganze eine höllische Schinderei. Vor allem der Frau ist anzusehen, dass sie gerade überhaupt keinen Spaß hat. An jeder der unzähligen Kehren bleibt sie stehen und verschnauft. Wir rasen geradezu an den beiden vorbei.
Lockeres Auslaufen im Bergwald
Nach einer guten halben Stunde Abstieg haben wir die Baumgrenze erreicht. Der Rest der Wanderung ist lockeres Auslaufen zwischen Latschen und Lärchen. Mittlerweile haben sich auch die Wolken verzogen. In schönstem Sonnenschein erreichen wir gegen 15:30 Uhr das Heiligkreuz-Hospiz. Die Bänke rund um das Gasthaus sind alle besetzt. Wir halten uns hier daher nicht weiter auf, sondern schlendern die letzten Meter zur Seilbahn, die uns wieder hinab Richtung Badia bringt. Obwohl wir das Ziel nicht ganz erreicht haben, war es eine schöne und abwechslungsreiche Tour und genau nach unserem Geschmack.
Nützliche Links
outdooractive.com - Details und Karten zur Wanderungauf den Heiligkreuzkofel
Alta Badia - offizielle Tourismus-Website
suedtirolerland.it - die verschiedenen Regionen der südtiroler Dolomiten im Überblick
Südtirol Mobil - Fahrplansuche für Bus und Bahn