Fr, 31. Juli 2015
Die Überschreitung des Madatschjochs bildet den Höhe- und Schlusspunkt unserer ersten Woche auf dem E5. Dabei kommen wir an der Kaunergrathütte heraus, dem Mainzer Außenposten hoch über dem Pitztal.
In der Nacht meldet sich der Magen krampfend wieder. Entsprechend unruhig ist mein Schlaf. Mittlerweile habe ich sämtliche offenbar wirkungslose Tabletten gekaut, die ich so im Erste-Hilfe-Set hatte. Es wird Zeit für etwas Richtiges. Helena hilft mir mit einem Immodium-Generikum weiter. Danach habe ich Ruhe.
Ab sieben gibt es Frühstück auf der Verpeilhütte, schon kurz nach sechs sind fast alle auf und bester Laune. Heute ist der letzte Wandertag für die meisten, die morgen nach dem Abstieg von der Kaunergrathütte die Heimreise antreten. Und die Etappe dürfte noch mal ein echtes Highlight werden, zumal die Sonne an einem wolkenlosen Himmel aufgeht. Bilderbuchbergwetter!
Hüttenwirtin Agnes verabschiedet uns mit einem herzlichen Jodler. Sie ist wirklich eine gute Seele. Auch die Kühe wollen uns nicht so einfach gehen lassen und eilen uns Richtung Wald hinterher. Schnell schließen wir das letzte Gatter.
Bizarre Hochgebirgskulisse
Der Weg hinauf zu den Madatschtürmen ist schon von der Hütte aus gut sichtbar und verläuft nicht zu steil aber stetig ansteigend bis wir zu Füßen der bizarren Felsen stehen. Dann steigen wir parallel zu ihnen an einem Grat auf. Hier gibt es nun auch einiges an Blockwerk zu durchklettern. Es dauert nicht lang und das Madatschjoch mit dem davor liegenden Gletscher taucht vor uns auf, eine tolle Kulisse.
An einem Sattel machen wir eine Trinkpause, dann marschieren wir an einem kleinen Schmelzwassersee vorbei durch das Geröllfeld auf den Rand des Ferners. Zunächst unbemerkt, weil das Gletschereis von Schutt bedeckt ist, dann frei über ein Schneefeld und blankes Eis. Die Wegführung hier oben ist in den letzten Jahren mehrfach geändert worden. Früher ging man auf dem Madatschferner direkt bis zum Übergang, wir müssen einige Meter tiefer zum Joch aufsteigen. Entsprechend heißt die Stelle nun korrekt "Apere Madatschjoch". Über die letzten Meter am Fels helfen Drahtseile, dann ist der höchste Punkt dieser Wanderwoche erreicht - auf schlappen 3.020 Metern.
Nervenkitzel am Klettersteig
Nun kommt eine Schlüsselstelle: Der Abstieg durch einen Kamin. Zu dem geht es schon recht abschüssig am Seil. Ich halte mich mit einigen erfahrenen Klettersteiggehern am Ende des Feldes und beobachte teils amüsiert, teils entsetzt wie ungeschickt sich hier manche bewegen. Zur Vorbereitung dieser Tour sei wirklich jedem empfohlen, sich wenigstens einen leichten Klettersteig wie etwa den in Boppard anzutun. Es hilft ungemein, wenn man schon ein Gefühl für Seile und Eisentritte mitbringt und nicht auf 3.000 Metern das erste Mal damit konfrontiert wird.
Wir warten eine gute Viertelstunde bis die Truppe über die Leitern und Bügel gestiegen ist, dann klettern wir binnen zwei Minuten hinterher. Mit etwas Konzentration und Trittsicherheit ist das Madatschjoch keine große Herausforderung. Großartig ist nun der Ausblick auf den an der Watzespitze hängenden Gletscher zur einen, die Verpeilspitze auf der anderen Seite. Eine ebenso karge wie wunderschöne Hochgebirgslandschaft. Eine Dreiviertelstunde später können wir die von der Terrasse der Kaunergrathütte aus in vollen Zügen genießen.
Mainz away from Mainz
Die Kaunergrathütte ist sozusagen der Mainzer Außenposten in den Alpen, denn sie gehört seit 2003 unserer Sektion. Die Pächterfamilie kommt natürlich aus der Gegend hier und so stehen auf der Speisekarte nicht etwa Spundekäs und Fleischwurst, sondern die einschlägigen Tiroler Spezialitäten. Für mich gibt es davon gleich eine Käsknödelsuppe. Immerhin: In der Gaststube hängt ein Foto vom Mainzer Domsgickel.
Die Hütte ist in den letzten Jahren umfassend renoviert und modernisiert worden - was nicht so einfach ist an einem Ort, der nur zu Fuß oder mit dem Helikopter erreicht werden kann. Just heute ist der letzte Tag, an dem die Handwerker im Einsatz sind. Was die nicht weggeräumt haben, ist ein riesiger Haufen Holz vom Abriss des alten Nebengebäudes. Das dürfen wir nun in ehrenamtlicher Arbeit erledigen und aus den mit rostigen Nägeln gespickten Latten und Balken einen ordentlichen Stapel aufschichten. Was tut man nicht alles für den Verein...
Der letzte Abend mit der Truppe
Mit Blick auf den Plangerossferner genießen wir die letzten Sonnenstrahlen in den Hängematten und auf Sitzsäcken liegend. Coole Sache. Dann ist das letzte gemeinsame Abendessen gekommen. Es wird eine feucht-fröhliche Runde, der Hüttenwirt Siggi Zirbenschnaps als Dankeschön für die Schwerstarbeit am Nachmittag spendiert. Hmm, also die Agnes von der Verpeilhütte hatte uns ja einfach so Schnaps ausgegeben...
Kurz vor 20 Uhr läuft auch ein Teil der Mitstreiter für die zweite Woche auf dem E5 ein. Es sind nur eine Handvoll Leute um Wanderführer Martin, denen sich Dirk, Edgar und ich ab morgen anschließen werden. Heute stoßen wir aber erstmal noch auf die großartige Truppe der vergangenen Woche an. Es war mir ein Fest!