Di, 28. Juli 2015
Von der Zamser Skihütte geht es hinauf auf den Gipfelgrat des Venet und dann hinab ins Kaunertal. Dort versteckt liegt eine Western Ranch und damit unsere bisher ungewöhnlichste - und komfortabelste - Unterkunft entlang des E5.
Die gestrige Monsterwanderung mit dem langen Abstieg von der Seescharte hat ein erstes Opfer gefordert: Volker bricht die Tour auf dem E5 mit Kniebeschwerden ab. Meinen Gelenken geht's dagegen erstaunlich gut. Zwar bin ich auch in meinem ganzen Leben noch keine 1.900 Höhenmeter am Stück einen Berg hinuntergelaufen, aber die Form stimmt und außerdem weiß ich meine Wanderstöcke einigermaßen effizient einzusetzen.
Nach dem Frühstück - wir freuen uns über die ersten Brötchen der Woche! - klettern wir wieder auf den Seilbahnmast der Mittelstation, müssen allerdings eine Weile warten, ehe uns eine leere Gondel geschickt wird. Mit der geht es hoch auf den "Genussberg Venet", nördlicher Ausläufer des Kaunergrats. Die Bergstation mit einer schicken Gipfelhütte und grandioser Aussicht ins Inntal befindet sich auf 2.212 Metern. Von da sind es noch 300 Höhenmeter bis zur Glanderspitze. Die nehmen wir uns nun vor.
In ganz langsamem Tritt führt Berthold die Gruppe über den aussichtsreichen Pfad. Schon erstaunlich, wie mühelos man mit kurzen kontrollierten Schritten, bei denen der Oberkörper leicht nach vorne mitschwingt, praktisch jede noch so lange Steigung bewältigen kann. Die meisten Wanderer neigen ja dazu, so schnell zu gehen wie möglich - was den Körper unnötig erschöpfen lässt und zu häufigen Pausen zwingt.
Der Alpenhauptkamm rückt näher
Auf 2.512 Metern angekommen genießen wir das Panorama des gar nicht mehr so fernen Alpenhauptkamms, dann setzen wir den Weg über den Gipfelgrat des Venet fort, was mit einiger Kletterei über Felsblöcke verbunden ist. Mittlerweile sind dichte Wolken aufgezogen, so dass der steile und ziemlich anstrengende Abstieg Richtung Galflun weitgehend ohne Fernsicht vonstatten geht.
Um die Mittagszeit sind wir an der Krugerhütte und haben damit schon wieder 600 Höhenmeter bewältigt. Ich dachte eigentlich, das heute sollte so etwas wie ein Ruhetag sein. Das muss ich falsch verstanden haben. Leberknödelsuppe und Weißbier sind da mehr als verdient.
Amerika in Sicht!
Nach der Mittagspause setzen wir den Weg Richtung Piller fort. Zunächst geht es dabei ganz gemütlich auf breiter Piste durch Kuhwiesen, dann fehlt aber auf einmal der Ortsname auf den Wegweisern. Ein Almbewohner schickt uns über eine Wiese tiefer in den Wald. Tatsächlich gibt es hier eine Beschilderung, aber der Pfad ist mitunter kaum auszumachen und teils sehr schwierig zu gehen. Viele Leute sind hier in letzter Zeit nicht durchgekommen. Gefühlt Stunden später landen wir auf einem geschotterten Forstweg, der uns direkt nach Piller führt. Durch's Dorf hindurch kommen wir zum Abzweig nach Neu Amerika. Nein, das ist kein Witz, so steht es auf den Straßenschildern.
Der Name ist kein Marketing-Gag der hier ansässigen Pferderanch, sondern entstand bereits im Jahre 1880. Ein Rückkehrer aus Amerika kaufte den Hof und taufte ihn eben auf den Namen, der bis heute für den Weiler besteht: "Neu Amerika". Dort dann einen Reitstall im Westernstil aufzuziehen, ist nur konsequent.
Bei der Zimmerverteilung ziehen Dirk und ich den Jackpot: Ein Dreierzimmer im ein paar hundert Meter von der Ranch entfernten Blockhaus mit Bad samt Duschwanne gleich über den Flur, das wir uns nur mit Petra und Reimund teilen müssen. Dazu gibt es frische Bettwäsche und Handtücher - also fast schon Fünf-Sterne-Luxus. Vier Tage in den Bergen und schon freut man sich über sonst völlig selbstverständliche Dinge.
Kurz sprachlos vor Glück sind wir, als zum Abendessen gegrillte Spareribs mit Pommes Frites serviert werden. Wow! Stille senkt sich während des genüsslichen Knochennagens über die Tafel. Gegen neun Uhr ist ausreichend Bettschwere erreicht.
Wanderung: 12 km
Höhenmeter: +470 / -1.381
Unterkunft: Neu Amerika Western Horse Ranch - 34 EUR inkl. Halbpension