Mi, 9. Oktober 2024
Ein Megatrend nicht nur in New York: die Stadt von oben betrachten. Wir waren schon auf dem alten World Trade Center, auf Empire State Building und Rockefeller Center. In den letzten Jahren neu dazugekommen sind in New York The Edge in den Hudson Yards, Summit im One Vanderbilt Building und das One World Observatory, auf 386 Metern die höchste Aussichtsplattform der Stadt im höchsten Gebäude des Landes. Da wollen wir heute rauf. Dann noch nach Brooklyn und zum Basketball und abends auf den Times Square. Volles Programm!
Fürs Frühstück bleiben wir wieder in der Nachbarschaft. An der Ecke 52nd Street und Broadway gibt es die Angelina Bakery mit italienischem Gebäck. Natürlich sündhaft teuer, aber auch sündhaft lecker. Wir finden ja grundsätzlich alles super, was Mandeln oder Pistazien enthält. Über den Preis der Bombolones, die als “Italian Donuts" beschrieben werden, können wir aber nur den Kopf schütteln: 8 Dollar? Come on! Das sind gefüllte Kreppel. Daheim in Mainz bekommen wir fünf Stück dafür.
Next Stop: World Trade Center
Wir fahren nach Downtown, zur Station World Trade Center. Vier Milliarden Dollar hat der Neubau des Bahnhofs nach dem Einsturz der beiden Türme gekostet. Die von Stararchitekt Santiago Calatrava entworfene Halle The Oculus ist wirklich beeindruckend, wenn man sie dann aber von außen sieht, fragt man sich schon, wie das hier architektonisch alles so zusammenpasst. Eher gar nicht, finde ich.
Sehr begeistern können wir uns für die tierischen Skulpturen neben dem Bahnhof, die ”Wildlife Wonders” von Gillie and Marc. Man kann auf die Arme eines sieben Tonnen schweren Bronze-Oktopus klettern oder bei Nashorn und Co. am “Wild Table of Love” Platz nehmen. Sehr witzig. Noch bis Juli 2025 stehen die Tiere auf der South Oculus Plaza.
Nun geht unser Blick aber nach oben. Ich finde es faszinierend, wie sich die Fassade des One World Trade Centers fast im Blau des Himmels auflöst. Dass an dem kaum ein Wölkchen zu sehen ist, dürfte Garantie für eine tolle Aussicht aus dem 100. Stockwerk sein.
Über der Stadt
Schon die Fahrt im Aufzug ist ein Erlebnis. In 60 Sekunden sieht man New York drumherum in die Höhe wachsen. Als sich das Gebäude selbst um uns schließt, sind wir oben angekommen. Mit einer Rolltreppe geht es eine Etage nach unten, dann haben wir die Stadt, den Hudson und die Hafenbucht zu Füßen liegen. Miss Liberty hebt die Fackel zum Gruß. Wie winzig sie von hier oben aussieht.
Fast eine Stunde verbringen wir im One World Observatory. Spoiler: Bei der Fahrt nach unten wird New York nicht wieder abgerissen, es geht im Flug um den Turm herum. Wir schauen beim 9/11 Memorial und im Liberty Park bei der verbeulten Koenig Sphere vorbei, die einst auf der Plaza zwischen den Zwillingstürmen als Symbol für den Weltfrieden stand, und besuchen dann die Mercer Labs.
Wenn Technologie Kunst sein will
Die Mercer Labs zu beschreiben, ist gar nicht so einfach. Auf der Website heißt es, dass in den 15 Ausstellungsräumen die Grenzen zwischen Kunst und Technologie neu definiert werden sollen. “Immersive” ist das passende englische Adjektiv, das sich nur etwas holprig als “allumfassend” oder “einbindend” übersetzen lässt. Man geht von einer vor allem mittels Videoprojektionen, LEDs und Spiegeln, durch Sound- und Lichteffekte kreierten Wunderwelt in die nächste und fühlt sich dabei im besten Fall völlig überwältigt. Manche “Kunstwerke” sind aber einfach nur albern. Für ein Bällebad kann man auch zu Ikea gehen. Und die Leuchtkraft der Exit-Signs über den Türen zerstört noch jede Illusion. Ganz witzig, aber vor allem ziemlich teuer: über 50 Dollar hat der Eintritt gekostet. Nach einer guten Stunde haben wir alles gesehen.
Weiter nach Brooklyn
Von der imposanten Borough Hall, dem ehemaligen Rathaus der Stadt Brooklyn, spazieren wir durch den Cadman Plaza Park Richtung Dumbo. Das Viertel zwischen der Brooklyn und der Manhattan Bridge wurde nicht nach dem fliegenden Disney-Elefanten benannt, sondern steht für “Down Under the Manhattan Bridge Overpass”. In die alten Lagerhäuser sind längst coole Boutiquen, exklusive Restaurants und trendige Cafés eingezogen, der Blick die mit Kopfstein gepflasterte Washington Street runter Richtung Brücke dürfte zu den beliebtesten Fotomotiven von ganz New York gehören. Komplette Reisebusladungen werden hier abgesetzt.
Was mit dem Chelsea Market funktioniert hat, wird mit dem Time Out Market in Dumbo nachgeeifert: In einem alten Backsteingebäude hat man hier die Auswahl unter mehr als 20 Imbissständen – allesamt Ableger angesagter New Yorker Restaurants, Bars und Bäckereien. Ich entscheide mich für butterzarte Ribs und Brisket von Bark Barbeque, dazu gibt es Mac’n’Cheese.
Der erste Time Out Market eröffnete 2014 in Lissabon. Bald gibt es das Konzept in einem Dutzend Metropolen der Welt. Der in New York kommt mit dem Bonus einer Dachterrasse mit Blick über den East River und die Brooklyn Bridge. Ich hatte von einer weiteren Rooftop-Bar in der Nachbarschaft gelesen, die der Craft Beer Brauerei Randolph Beer. Als wir dort vor der Tür stehen, lesen wir auf einem Schild, dass die Terrasse erst ab morgen wieder geöffnet ist. Schade.
Wir laufen wieder runter zum Ufer und am Time Out Market vorbei, dann den Hügel rauf in die Columbia Heights. Das ist eine der ersten Adressen in Brooklyn. In der Straße wohnten einst Walt Whitman und Norman Mailer, jetzt gehören hier Matt Damon, Jennifer Connelly und Michelle Williams zu den Glücklichen, die ein Zuhause mit Blick auf Downtown Manhattan ihr Eigen nennen dürfen. Dass der Brooklyn-Queens-Expressway direkt unterhalb der Anhöhe verläuft, sorgt allerdings für ein ständiges Grundrauschen.
Mit der Fähre nach Midtown
Die Squibb Park Bridge führt von Columbia Heights hinunter zum Brooklyn Bridge Park, der sehr schönen Uferpromenade am East River. Wir setzen uns auf eine Bank, genießen die Sonne und den Skyline View. Was machen wir als nächstes? Ich schlage vor, mit der Fähre nach Midtown zu fahren. Dann würde es schon langsam Zeit werden für mich, Richtung Madison Square Garden zu gehen. Um 19:30 Uhr beginnt das Spiel der Knicks gegen die Washington Wizards. Conny tut ein bisschen geheimnisvoll. Sie hätte da noch etwas zu erledigen. Anscheinend plant sie eine Geburtstagsüberraschung. Na gut, dann gehen wir jetzt getrennte Wege. Wir verabreden, uns später am Times Square zu treffen.
Die NYC Ferry ist ein meiner Meinung nach völlig unterschätztes Verkehrsmittel. Sieben Linien gibt es, eine Fahrt kostet gerade mal 4,50 Dollar (am besten, man installiert sich die App auf dem Handy). Dafür kann man sagenhafte Ausblicke auf New York vom Wasser aus genießen und kommt auch noch zuverlässig und ohne Stau von A nach B. Ich nehme die um 17:32 Uhr ab dem Anleger Fulton Ferry direkt neben der Brooklyn Bridge. Richtung Norden hält die Fähre drei Mal in Williamsburg und erreicht gegen 18:20 Uhr mit ein paar Minuten Verspätung die 34. Straße. Die muss ich jetzt nur noch hochlaufen und bin um kurz vor sieben am Madison Square Garden. Perfekt.
Bei den Knicks im Garden
Ich war schon einmal bei den Knicks im Garden, damals für ein reguläres Saisonspiel gegen die Orlando Magic. Das heute Abend ist nur ein Vorbereitungsspiel, die Halle ist aber trotzdem sehr gut gefüllt.
Was mir nicht in Erinnerung geblieben ist: das unfassbare kulinarische Angebot im Umlauf. Hot Dogs, Pizza und Popcorn erwartet man natürlich, aber Lobster Rolls? Sushi? Craft Beer? Nicht schlecht. Hier, nehmt meine 60 Dollar für zwei Bier, Hot Dog und Brezel.
Das erste Viertel geht an die Gäste, aber danach dreht New York auf. Am Ende steht ein ungefährdeter Heimsieg – 117:94. Vor allem Neuzugang Karl-Anthony Towns drückt dem Spiel direkt seinen Stempel auf und Point Guard Jalen Brunson zuzuschauen macht eh Spaß. Sieht so aus, als könnten sich die Knicks-Fans auf eine interessante Saison freuen. Nach Football und Baseball bin ich auf dieser Reise nun also auch beim Basketball gewesen. Drei Haken dran.
Warten auf Mitternacht am Times Square
Vom Madison Square Garden zum Times Square sind es nur zehn Blocks. Die laufe ich jetzt und gebe Conny Bescheid, dass wir uns bei Jimmy's Corner in der 44. treffen, einer von mir random gegoogelten Dive Bar. Die ist dann aber so voll und laut, dass wir uns direkt wieder rausschieben und ein paar Türen weiter in O’Donoghue’s Irish Pub gehen. Hier bekommen wir sogar Sitzplätze.
Warum schlagen wir Zeit in einer Kneipe tot? Weil wir für den Midnight Moment auf dem Times Square sein wollen. Das ist ein digitales Kunstprojekt, bei dem zwischen 23:57 Uhr und Mitternacht an die hundert elektronische Anzeigetafeln rund um den Platz zu einer animierten Videoinstallation zusammengeschaltet werden. Klingt monumental, ist dann aber gar nicht sooo beeindruckend. Vielleicht liegt das an dem aktuellen Projekt selbst, bei dem weiße, mit Rauch gefüllte Tropfen wie Wolken auf einem dunklen Hintergrund schweben. “Floating World” nennt sich das Werk eines japanischen Künstlers namens A.A. Murakami. Es geht ein bisschen unter im Lichtermeer. Vielleicht haben wir heute aber auch einfach schon genug Videokunst gesehen. Am Ende der Show habe ich jedenfalls meinen ganz persönlichen Midnight Moment, da beginnt nämlich mein Geburtstag.
Unterkunft: Hilton Garden Inn New York Central Park South/Midtown West - 305,50 EUR via booking.com
Nützliche Links:
Time Out - der beste Reiseführer für New York
VisitTheUSA - für den schnellen Überblick
TripAdvisor Forum - hier bekommt man alle Fragen beantwortet