Di, 8. Oktober 2024
1994 waren Conny und ich das erste Mal in New York. Auf dieser und folgenden Reisen (die gerade ist meine neunte) haben wir die Stadt ganz gut abgegrast und die meisten Top-Sehenswürdigkeiten schon mindestens einmal besucht. Wir könnten aber getrost bis an unser Lebensende immer wieder zurückkommen und dabei Neues entdecken. New York steht einfach nie still. Eine Gegend, die wir noch nicht so ausgiebig erkundet haben, ist Greenwich Village. Deshalb habe ich uns da für eine Walking Tour angemeldet.
Nachdem es die letzten beiden Abende ja ziemlich spät geworden war, schlafen wir heute erstmal aus. Das Hotelzimmer hat sich als sehr ruhig entpuppt. 30 Stockwerke über der Straße hört man nichts von draußen und auf dem Flur war nachts auch nichts los. Nur das Display der Klimaanlage leuchtete viel zu hell, da musste ich eine Mütze drüberhängen.
Das Frühstück dürfte 'ne Weile vorhalten
In Midtown Manhattan herrscht kein Mangel an Frühstückscafés und Bäckereien, eher die Qual der Wahl. Auf dem Weg zum Times Square gestern war mir Junior’s aufgefallen, ein einladend aussehender Diner. Junior’s existiert schon seit den 50er Jahren, allerdings drüben in Brooklyn. Das Restaurant an der Ecke von 49th Street und Broadway ist ziemlich neu. Wir werden an der Theke platziert und haben bald zwei riesige Portionen vor uns stehen. Und mit “riesig” meine ich, dass mein Omelette schätzungsweise aus fünf Eiern besteht.
Der sehr nette Barkeeper sagt zum Abschied “I will see you tomorrow.” Nee, mein Freund, ganz sicher nicht. Wir können unmöglich jeden Tag mit so einer Fresserei starten. Aber wir merken uns Junior’s für die Zukunft, wenn wir mal Lust auf Cheesecake bekommen. Dafür ist der Laden wohl stadtbekannt.
Das Thema Shopping ist bisher ein bisschen kurz gekommen, wobei die Zeiten, als wir mit leerem Koffer hin- und alle Zollfreigrenzen locker sprengend aus den USA heimflogen, schon lange vorbei sind. Da aber Levi’s Jeans meine bevorzugten Hosen sind und es am Times Square einen großen Levi’s Store gibt, will ich da unbedingt mal reinschauen. Tatsächlich werde ich fündig und 200 Dollar los.
Am Jackson Square beginnt die Walking Tour
Um 14 Uhr haben wir eine Verabredung am Jackson Square in Greenwich Village. Dort startet die Walking Tour von Free Tours By Foot. Mit denen haben wir auf früheren Reisen schon gute Erfahrungen gemacht. Ganz “free” sind die nicht, sondern man zahlt einfach so viel, wie man für angemessen hält oder sich leisten kann. Dazu kommen 3 Dollar Gebühr bei der Reservierung.
Außer durch das Village soll die Führung auch nach Chelsea und zur High Line gehen. Den Park auf einer alten Hochbahntrasse kennen wir schon, allerdings noch nicht den nördlichsten Teil um das neue Hochhausviertel Hudson Yards. Auch diese Lücke wollen wir im Laufe des Tages noch schließen.
Erster Hingucker gleich auf der anderen Straßenseite ist eine Elefantenherde aus Lantana-Holz. Lantana ist ein Strauch, der als invasive Pflanze den Lebensraum vieler Wildtiere in Indien bedroht. Bei uns kennt man Lantana als Wandelröschen, eine Zierpflanze. Mit der Kunstinstallation The Great Elephant Migration soll Geld für Umweltschutzprojekte gesammelt werden. Insgesamt 100 Elefanten stehen hier im Meatpacking District, dem ehemaligen Schlachthofviertel, das in den letzten Jahren zu einer der angesagtesten und teuersten Gegenden New Yorks geworden ist.
Seinen Teil zur Gentrifizierung beigetragen hat sicherlich The High Line. Wir haben den Park schon Anfang 2010 erkundet, da war der erst seit einem halben Jahr geöffnet. Der Gang über das Viadukt ist aber immer wieder ein Erlebnis. Auch durch den Chelsea Market in der ehemaligen Nabisco-Keksfabrik geht die Tour. Den kennen wir ebenfalls schon. Mir fällt ein, dass ich hier mal eine sehr leckere New England Chowder hatte.
Wo Kerouac, Ginsberg und Burroughs abhingen
Wir fahren eine Station mit der U-Bahn und steuern dann den Washington Square Park an, den zu jeder Tageszeit belebten Mittelpunkt von Greenwich Village. Hier wird diskutiert, musiziert und demonstriert, Skateboard gefahren, Schach gespielt und People gewatcht.
Südwestlich des Platzes kommen wir in die MacDougal Street, Epizentrum des Nachtlebens von Greenwich. Egal ob Beatpoeten, Hippies oder Bob Dylan – sie alle haben hier gelebt, geliebt oder legendäre Auftritte hingelegt. Zu Clubs, Bars und Kneipen wie dem Café Wha, der Minetta Tavern oder dem MacDougal Street Ale House lassen sich unendlich viele Geschichten ausgraben. Unsere Führerin hat einige davon auf Lager. In der MacDougal Street lässt sich auch prima eine Kleinigkeit essen. Wir versorgen uns mit frisch gebackenen Keksen bei Insomnia Cookies (delicious) und Eis von Van Leeuwen (okay).
Die Tour endet schließlich in der Christopher Street. Hier rebellierten im Sommer 1969 die Gäste der Schwulenbar Stonewall Inn gegen eine Polizeirazzia. Das Ereignis fand als Stonewall Riots Eingang in die Geschichtsbücher und steht heute symbolisch für den Beginn des Gay Rights Movements. Ihm wird alljährlich mit dem Christopher Street Day gedacht. In dem kleinen Park gegenüber der Bar befindet sich das wohl kleinste National Monument überhaupt, das Stonewall National Monument.
Für drei Stunden war die Walking Tour angesetzt. Tatsächlich ging sie sogar eine halbe Stunde länger, war aber keine Minute uninteressant. Wir verabschieden uns und gehen zurück Richtung Hudson River. Zwischen Fluss und West Side Highway verläuft eine sehr schöne Uferpromenade. Der entlang wurden einige der alten Piers in interessante Parks verwandelt.
Neue Parks am Hudson
Gegenüber des (neuen) Whitney Museums gibt es zum Beispiel den Gansevoort Beach. Schwimmen wollte man im Hudson vielleicht nicht unbedingt gehen, aber im Sommer lässt es sich hier schön die Füße in den Sand stecken oder von einer Rampe mit dem Kajak lospaddeln.
Uns interessiert vor allem Little Island. Die Insel besteht aus 132 tulpenförmigen Betonstelzen verschiedener Höhen mit hunderten unterschiedlicher Pflanzen und allein über 100 Bäumen. Ein richtiger Landschaftspark über dem Wasser, von dem aus man eine schöne Sicht nach Downtown sowie rüber nach Jersey City hat. Wir sind genau pünktlich für einen spektakulären Sonnenuntergang vor Ort.
Gleich nebenan befindet sich Pier 57. Der ist so etwas wie die Fortsetzung des Chelsea Market mit Essensständen und Veranstaltungsräumen. Das Highlight ist aber die öffentlich zugängliche Dachterrasse. Von der genießen wir noch eine Weile die Aussicht über den Hudson. Ein bisschen tut es mir leid, keine gescheite Kamera dabei zu haben. In der blauen Stunde kommt das iPhone dann doch an seine Grenzen.
Italian for Dinner
Leider schließen die meisten Food Stands schon am frühen Abend. Auch drüben im Chelsea Market ist schon Kehraus. Fürs Village habe ich mir einige Restaurants notiert, aber so weit wollen wir jetzt nicht mehr laufen. Also googlen wir nach Italienern in der Nähe und entscheiden uns für das zehn Minuten entfernte Pepe Giallo.
Das Restaurant ist um die Uhrzeit natürlich proppenvoll, aber wir bekommen noch einen Tisch “in the back”. Erst als wir schon Platz genommen haben, bemerken wir, dass es sich gar nicht um einen Innenraum handelt, sondern dass das Dach halb offen ist und über uns die High Line verläuft. Aber sehr nett gemacht ist dieser Hinterhof und kalt ist es hier auch nicht. Pasta und Vino stellen uns sehr zufrieden.
High Line bis Hudson Yards
Um die nächste Ecke gibt es einen Zugang zur High Line, also laufen wir die jetzt noch bis Hudson Yards ab. Jahrzehntelang hatten die Stadt und allerlei Investoren um die Entwicklung des Gebiets im Westen von Midtown gerungen bis 2014 endlich damit begonnen wurde, eine Platte über die Abstellgleise der Long Island Rail Road, eben die Hudson Yards, zu bauen und moderne Hochhäuser, eine luxuriöse Shoppingmall sowie eine Veranstaltungshalle darüber hochzuziehen.
Zwei neue Touristenattraktionen entstanden: The Edge, eine schwindelerregende Aussichtsterrasse in 335 Metern Höhe, und The Vessel, ein sinnfrei anmutendes Gebilde mit 2.500 Treppenstufen, das an einen Basketballkorb erinnert. Oder an einen Dönerspieß. Nachdem sich von der Konstruktion vier Menschen in den Tod gestürzt hatten, wurde das Ganze 2021 geschlossen und mit Sicherheitsnetzen versehen. Die Wiedereröffnung steht in Kürze bevor.
"Horror on the Hudson"
Der ganze Komplex mutet etwas steril an und eher wie ein gelandetes Raumschiff als ein gewachsener Stadtteil. Die meisten New Yorker hassen Hudson Yards, hat uns die Stadtführerin vorhin erzählt. Dazu beigetragen haben allerlei Skandalgeschichten rund um die Finanzierung des 25-Milliarden-Dollar-Projekts. Der Guardian bezeichnete Hudson Yards mal als architektonisches Fiasko und schrieb von “Horror on the Hudson”. Ganz so schlimm finden wir es hier aber nicht.
Es gibt eine neue U-Bahn-Station an den Hudson Yards, wir laufen aber lieber die paar Blocks rüber zur Penn Station und steigen dort in eine Bahn Richtung Uptown. Von der 50th Street ist es nicht weit zu unserem Hotel. Bei unserer allerersten New York-Reise war das hier “unsere” Subway-Station, das Apartment von Hapimag, in dem wir zwei Wochen lang wohnten, gleich um die Ecke. Damals wären wir aber so spät am Abend nicht mehr auf der Straße gewesen…
Unterkunft: Hilton Garden Inn New York Central Park South/Midtown West - 305,50 EUR via booking.com
Nützliche Links:
Time Out - der beste Reiseführer für New York
VisitTheUSA - für den schnellen Überblick
TripAdvisor Forum - hier bekommt man alle Fragen beantwortet