2024 USA Day 08
Acrisure Stadium, Heinz Field, Pittsburgh Steelers

So, 6. Oktober 2024

LET'S GO, YINZ!

Matchday! Am Abend steht das Spiel der Pittsburgh Steelers gegen die Dallas Cowboys an, der Hauptgrund für unseren Besuch der Stadt. Von der wollen wir uns noch ein paar Ecken anschauen, die wir noch nicht kennen, vor allem auf der North Side. Erstmal müssen wir aber einen Schock verdauen.


Ratatat, ratatat – mitten in der Nacht werde ich von zwei kurzen Salven geweckt. Ein Auto fährt davon. Rufe, Sirenen… Ich schlafe wieder ein. Am Morgen frage ich Conny, ob sie die Schüsse gehört hätte. Ja, nur dass das Schüsse waren, hat sie nicht erkannt. So ein regelmäßiges Poppen geben nur automatische Waffen ab, bin ich mir sicher. Ein paar Stunden später finden wir die Polizeimeldung im Internet: Es wurde auf den Türsteher einer Bar geschossen, gleich um die Ecke von unserem Airbnb.


Anscheinend ist die Gentrifizierung des Viertels doch noch nicht so weit fortgeschritten. Oder es ist einfach Alltag in diesem Land mit mehr Schusswaffen als Einwohnern. Im Nachhinein beschäftigt uns diese Geschichte noch sehr, zumal der Mann ein Tage später seinen Verletzungen erliegt.


Sonst alles friedlich


Als wir vor die Tür treten, ist Lawrenceville aber so ruhig und friedlich, wie man es sich an einem sonnigen Sonntagmorgen nur vorstellen kann. Weil das Café meinen Namen trägt, gehen wir auf ein kleines Frühstück bei Oliver’s Donuts vorbei und spazieren dann die Butler Street runter, auf der wir immer wieder coole Street Art finden.


Oliver's Donuts
Oliver's Donuts
Butler Street, Lawrenceville
Butler Street, Lawrenceville
Butler Street, Lawrenceville
Tom Savini Mural, Lawrenceville
Home Alone Mural, Lawrenceville
The Clemente Museum, Lawrenceville
Lawrenceville, Pittsburgh
Street Art, Lawrenceville, Pittsburgh
Street Art, Lawrenceville, Pittsburgh
Penn Avenue, The Strip District, Pittsburgh
The Strip District, Pittsburgh
The Strip District, Pittsburgh
The Strip District, Pittsburgh
Strip District Terminal, Pittsburgh
Strip District Terminal, Pittsburgh
Sixteenth Street Bridge, Allegheny River, Heinz Factory
Allegheny River, Heinz Factory
Sixteenth Street Bridge, Allegheny River
Sixteenth Street Bridge

Wo aus den Wohnhäusern Lagerhallen werden, zieht sich der Weg etwas, aber schließlich kommen wir im Strip District raus – und der ist schon am Vormittag eine einzige gelb-schwarze Party. Football-Fans auf den Straßen, Football-Fans in den Kneipen, Football-Fans in den Souvenirläden. Da decke auch ich mich mit T-Shirts ein.


Über den Fluss nach Deutschtown


Wie gestern mit dem Fahrrad überqueren wir heute zu Fuß auf der Sixteenth Street Bridge den Allegheny River. Auf der Brücke haben es sich einige Leute in Campingstühlen bequem gemacht. Wir rätseln erst, was das soll, aber dann fällt mir ein, was die Frau vom Fahrradladen gestern erzählt hat: Auf dem Fluss gibt es heute eine Ruderregatta.


An der alten Heinz-Fabrik und einem Gewirr von Autobahnzubringern vorbei kommen wir nach Deutschtown. Offiziell heißt der Stadtteil East Allegheny, aber weil hier zwischen 1850 und 1890 fast ausschließlich Deutsche sesshaft wurden, nennt man das Viertel seitdem eben Deutschtown. Gleich am Ortseingang steht das Vereinsheim des Teutonia Männerchors, natürlich aus Fachwerk, natürlich mit angeschlossenem Biergarten. Leider hat der noch nicht geöffnet.


Deutschtown ist schon seit den 1980er Jahren als “historic district” ausgewiesen, aber es ist schwierig, ein lebendiges Viertel zu erhalten, wenn es von einer Autobahn in zwei Hälften geteilt ist. Hier wird mal wieder augenfällig, wie brutal in Amerika die Interstate Highways durch die Innenstädte getrieben wurden und wie viel urbanes Leben dabei ausgelöscht wurde. Unverzeihlich. Dem westlichen Teil von Deutschtown kann man immerhin einen zarten Aufschwung ansehen. Neue Läden und Cafés, eine Brauerei, Kunst an den Wänden – alles was einen gerade wieder hip werdenden Stadtteil so ausmacht.


Wir kommen in der Stadtmitte am Allegheny Commons Park raus. Tatsächlich war Allegheny bis 1907 selbst eine Großstadt mit 130.000 Einwohnern. Dann verleibte sich das deutlich größere Pittsburgh Allegheny per Volksabstimmung ein und wuchs so auf über eine halbe Million Menschen. Einige Gebäude, wie das alte Postamt oder der Turm der Carnegie Library, erinnern an die vergangene Größe. Wie in jeder ordentlichen amerikanischen Grünanlage flitzen auch hier Eichhörnchen zwischen den Bäumen herum. Immer wieder niedlich. 


Time for coffee, yinz


Es ist ganz schön warm geworden, eine Erfrischung täte da gut. Also kehren wir auf einen Frappuccino bei Yinz Coffee ein. An der Stelle bietet es sich an, das Wort “yinz” zu erklären. Das ist Pittsburgher Slang für die 2. Person Plural, bedeutet also “ihr”. Man sagt yinz wie man im Süden “y’all” sagt. Und weil der Begriff ebenso einzigartig wie typisch für Pittsburgh ist, druckt man yinz auch auf T-Shirts, Aufkleber oder eben Kaffeebecher.


Nördlich der Innenstadt gibt es ein weiteres historisches Wohnviertel: The Mexican War Streets. Das heißt so, weil seine Straßen alle nach Schlachtfeldern und Generälen des Krieges von 1846 bis ‘48 benannt sind.

Yinz Coffee, Allegheny, Pittsburgh
Yinz Coffee, Allegheny, Pittsburgh
Yinz Coffee, Allegheny, Pittsburgh
Allegheny, Pittsburgh
Allegheny, Pittsburgh
George Washington Ferris House, Allegheny, Pittsburgh

Hier steht unter anderem das bescheidene Haus des Riesenrad-Erfinders George Washington Ferris, Besucher zieht es aber vor allem der Kunst wegen in die Gegend.


Randyland, Pittsburgh
Randyland, Pittsburgh
Randyland, Pittsburgh
Randyland, Pittsburgh
Randyland, Pittsburgh
Randyland, Pittsburgh
Randyland, Pittsburgh
Randyland, Pittsburgh
Randyland, Pittsburgh
Randyland, Pittsburgh
Randyland, Pittsburgh
Mattress Factory, Pittsburgh
Mattress Factory, Pittsburgh
Mattress Factory, Pittsburgh
Mattress Factory, Pittsburgh
Mattress Factory, Pittsburgh
Mattress Factory, Pittsburgh
Mattress Factory, Pittsburgh
Mattress Factory, Pittsburgh
Mattress Factory, Pittsburgh
Mattress Factory, Pittsburgh
Mattress Factory, Pittsburgh
Mattress Factory, Pittsburgh
Mattress Factory, Pittsburgh
Mattress Factory, Pittsburgh
Mattress Factory, Pittsburgh
Mattress Factory, Pittsburgh, Downtown View

Die Villa Kunterbunt gibt's wirklich

Zum einen ist da Randyland. Ich weiß gar nicht, wie man das am besten beschreibt... Als hätte Pippi Langstrumpf den Garten ihrer Villa Kunterbunt mit allem möglichen Kram vollgestopft, in allen Farben des Regenbogens angemalt und dann gesagt: “Hier, macht daraus, was ihr wollt.” Schaufensterpuppen, Plastikdinosaurier, Kronleuchter, Fernseher, Flamingos, Gartenzwerge, alles bemalt und in absurden Installationen auf- und umeinander drapiert. Herrlich!


Eintritt kostet Randyland nicht, der Künstler und Aktivist Randy Gilson unterhält das Ganze aus Spaß an der Freude und mit Hilfe von Spenden. 


Die Straße runter gibt es mit der Mattress Factory einen weiteren Ort der Kreativität. Aus einer Industriebrache entstand hier seit den 1970ern ein renommiertes Museum für zeitgenössische Kunst. Das besteht aus drei Gebäuden, die sich über einen ganzen Häuserblock verteilen und dafür, dass zeitgenössische Kunst einen ja doch öfter mit Fragezeichen im Kopf zurücklässt, haben wir viel Spaß in den Ausstellungen.


Pit Stop for Burgers


Gegen 15:30 Uhr reicht es uns dann mit dem Kulturprogramm. Wir suchen uns eine Busverbindung zurück nach Lawrenceville und gehen auf einen Burger im Industry Public House vorbei. Dort waren wir schon vorgestern Abend mit unseren Freunden. Der Service ist immer noch genauso lahm, aber das Essen schmeckt prima.


Dann hüpfe ich wieder in einen Bus zurück in die Stadt. Auf zum Football! Ich gebe zu, dass ich völlig unterschätzt habe, was so ein NFL-Spiel für Karawanen von Fans in Bewegung setzt. Aber klar: Die populären Franchises – und dazu gehören Steelers und Cowboys – haben riesige Einzugsgebiete und die Anhänger können nicht mal eben mit Bus oder Zug

Industry Public House, Lawrenceville
Industry Public House, Lawrenceville

wieder heimfahren wie die Auswärtsfans in der Bundesliga. Also müssen sie Hotelzimmer buchen und viele bleiben dann eben gleich das ganze Wochenende in der Stadt. Das bedeutet an diesem Wochenende in Pittsburgh: Ausnahmezustand!


Roberto Clemente Bridge, Pittsburgh
Andy Warhol Bridge, Pittsburgh
Ohio River Sunset

Football bewegt Menschenmassen


Eine der eigenartigsten Gepflogenheiten bei Footballspielen ist das Tailgating, das Vorglühen auf dem Parkplatz. Da werden Zelte aufgebaut, Grills angeschmissen und Musikboxen aufgedreht – und vor allem sehr viel Bier getrunken. Die Parkplätze rund um das Acrisure Stadium erinnern ein bisschen an einen Festival-Zeltplatz.


Ich sehe zu, den richtigen Eingang zu finden. Eine Einlasskontrolle findet nicht statt. Man hält das Handy an einen Scanner und ist drin. Drinnen geht das Trinken weiter, nur dass das günstigste Bier jetzt 15 Dollar kostet.


Ich bekomme ein weiß-pinkes Handtuch in die Hand gedrückt, das daran erinnern soll, zur Krebsfrüherkennung zu gehen. Oktober ist Cancer Awareness Month in den USA. Passend dazu steht das Spiel heute unter dem Motto “Crucial Catch”, also “entscheidender Fang”. In Pittsburgh bietet es sich bei solchen Anlässen an, die traditionell gelben Terrible Towels, die die Fans vor besonders wichtigen Spielzügen schwenken, in passenden Farben zu verteilen. Kommt mir ganz gelegen, denn mein Steelers-Towel hatte ich in Deutschland vergessen. Ja, ich besitze so ein Handtuch.


Wird hier heute noch gespielt?


Ich kaufe noch ein Bier und ein Wasser und suche meinen Platz. Nach ein paar Minuten tippt mir jemand auf die Schulter: “That’s my seat!” Ach, E ist gar nicht dasselbe wie EE? Anscheinend muss ich weiter hoch. Viel weiter hoch. Eine halbe Stunde später bin ich sehr froh über meinen Platz oben unter dem Dach, denn da entlädt sich über Pittsburgh ein heftiges Gewitter. Dass der Himmel seine Schleusen öffnet, ist ein geflügeltes Wort, das mitunter arg leichtfertig verwendet wird. Aber jetzt ist es wirklich so, als würde ein Fluss durch das Stadion ziehen.


Das Warm-Up wird unterbrochen, die Zuschauer aufgefordert, sich in den Katakomben des Stadions in Sicherheit zu bringen. Kristen schreibe mir besorgte Nachrichten. No worries, ich sitze im Trockenen. Als der Kick-Off auf unbestimmte Zeit verschoben wird und die Sintflut so gar nicht nachlässt, mache ich mir aber schon Gedanken, ob hier heute noch ein Footballspiel stattfinden wird. Der Platz gleicht jetzt einem Sumpf.


Mit eineinhalb Stunden Verspätung wird dann um 22 Uhr doch noch angepfiffen. Ob ich noch im Stadion wäre, fragt Kristen. Natürlich! Ich habe über 500 Dollar für die Karte bezahlt, da werde ich ganz sicher nicht vorzeitig das Towel werfen. Es ist auch keine Option für mich, so pünktlich zu gehen, dass ich noch den letzten Bus nach Lawrenceville erwische. Da müsste ich zur Halbzeit das Stadion verlassen. Ich beginne zu rechnen, wann und wohin ich am besten ein Uber bestelle…


Empty Stadium
Terroble Towel

Haken dran!


Am Ende verlieren die Steelers das von Fehlern auf beiden Seiten geprägte Duell mit dem letzten Spielzug der Cowboys – 17:20. Das war jetzt nicht sonderlich aufregend, aber ich kann endlich einen Haken setzen: Nach Baseball, Eishockey und Basketball habe ich nun auch ein Spiel der National Football League und damit alle vier großen amerikanischen Sportarten mindestens einmal live im Stadion erlebt.


Nun spute ich mich, zum Andy Warhol Museum zu kommen. Das ist 15 Minuten Fußweg und damit hoffentlich weit genug vom Stadion entfernt, um nicht gleich wieder im Stau zu stehen. Als ich um die Ecke biege, ruft mir ein auf den Stufen des Museums sitzender Mann zu: “You are late, Oliver!” Anscheinend ist er vom Fahrer angesprochen worden, ob er der Fahrgast ist. Stimmt aber nicht, ich bin auf die Minute pünktlich. Timing kann ich.


25 Dollar kostet mich die Fahrt nochmal, also so viel wie ein Stadionbier und ein Hot Dog. Macht nun auch keinen Unterschied mehr. Nach sieben Minuten bin ich zurück in Lawrenceville. Es ist 1:30 Uhr, als ich mir die Zähne putze. In gut neun Stunden geht der Flieger nach New York.


Unterkunft: Airbnb Steps from Butler St, Lawrenceville - 146 EUR


Nützliche Links:

Visit Pittsburgh - die offizielle Tourismus-Website für Pittsburgh

Discover the Burgh - the best Things to Do in Pittsburgh

Lonely Planet - laut LP ist Pittsburgh eine der "Best Destinations to Travel in 2025"

TripAdvisor Forum - hier bekommt man alle Fragen beantwortet