2022 New England Day 9
Blick vom Beehive Trail auf Sands Beach

Di, 11. Oktober 2022

ZURÜCK IN AKADIEN

Den einzigen Nationalpark New Englands in die Route einzubauen, war uns ein besonderes Anliegen, ist er uns doch als DAS landschaftliche Highlight unserer ersten Reise durch den Nordosten vor genau 14 Jahren in Erinnerung geblieben. Auch da hatten wir Traumwetter und wie damals nähert sich die Laubfärbung gerade dem Höhepunkt.


Ein bisschen tut's uns schon leid, das Zimmer mit Meerblick wieder aufgeben zu müssen. Wobei wir auch im Oceanfront Inn etwas gefunden haben, das uns massiv gestört hat: die viel zu laute Klimaanlage. Die mussten wir nachts laufen lassen, weil sie auch die Heizung ist. Ohne wäre es arg kalt geworden. Irgendwas ist halt immer.


Wie wahrscheinlich jeder Gast werde ich von der netten Dame an der Rezeption mit "See you next summer!" verabschiedet. Naja, schauen wir mal. Jetzt freuen wir uns auf den Acadia National Park. Schon die Fahrt da hin dürfte ein Vergnügen sein!

 

Kurz hinter Waldoboro, wo die Landstraße 235 an einem alten Friedhof nach Norden abknickt und durch eine Seenplatte führt, überwältigt uns die Szenerie so sehr, dass wir anhalten und das Panorama in Ruhe genießen müssen. An der Straße breiten sich Felder aus, deren intensive Färbung uns einfach nur staunen lässt. Was denn da wachsen würde, fragt mich ein vorbeikommender Autofahrer. "Blueberries" ist meine fachkundige Antwort. Deren Blätter werden im Herbst knallrot.


Traumstraßen durch das Hinterland


Durch die Seen hier fließt der Georges River, dem man auf einem Scenic Byway folgen kann. Wir sind zufällig auf ihm gelandet, man kann sich die Gegend aber ruhig im Hinterkopf behalten, wenn man eine Reise durch Maine plant. Nach der 235 führt die Route 131 in einem Bogen um die Camden Hills. Ich hatte mir eine Wanderung im Camden Hills State Park notiert. Die schenken wir uns aber, wir wollen lieber zeitig im Nationalpark ankommen. Außerdem haben wir die Aussicht auf das idyllische Camden schon einmal genießen dürfen. Durch das Hinterland hier sind wir dagegen noch nie gekommen. Wunderschön!


Bei Belfast biegen wir dann wieder auf den Coastal Highway US 1 ein, der auf einer spektakulären Brücke die Penobscot River Narrows überquert, den längsten Fluss von Maine. Das benachbarte Fort Knox, größte historische Festung des Bundesstaats (nicht zu verwechseln mit dem Fort Knox mit dem Goldschatz unten in Kentucky), wäre sicher auch einen Besuch wert, aber wie erwähnt: Trödeln ist heute nicht angesagt. Noch durch Ellsworth und schon erreichen wir Mount Desert Island. Es ist noch nicht ganz Mittag als wir beim Visitor Center des Nationalparks auf den Parkplatz fahren – und uns fast erschlagen fühlen von den Besuchermassen. 


Penobscot River Narrows Bridge

Das war's mit Einsamkeit


Wir wussten ja, dass es in der Gegend nicht gerade einsam sein würde, allein die Hotelpreise waren Indikator genug. Aber dass Acadia ein Opfer des Massentourismus geworden ist, ist doch ein kleiner Schock für uns. Über 4 Millionen Menschen haben den Park in 2021 besucht, 2008 waren es gerade halb so viele. Aber Acadia ist mit den explodierenden Besucherzahlen nicht allein. Die amerikanischen Nationalparks stellen seit Jahren Rekord um Rekord auf, unterbrochen lediglich durch die Pandemie 2020.


Ein Schild warnt vor den Gefahren des Trails

Das 10-Tage-Ticket für Acadia kostet 30 Dollar. Für dessen Kauf muss man sich nicht im Besucherzentrum in die Schlange stellen, das kann man einfach an einem Automat am Parkplatz ziehen, aber wir müssen beide mal die Restrooms aufsuchen. Dann fahren wir durch Bar Harbor zum Stau an der Entrance Station am Sand Beach. Kurz hinter der Einfahrt stehen schon die Autos am Straßenrand, der eigentliche Parkplatz an dem kleinen Strand ist längst voll. Auch wir wollen hier parken, denn direkt an der Straße befindet sich der Ausgangspunkt für die Wanderung auf den Beehive Mountain. Ich spekuliere auf eine Lücke weiter vorne – und tatsächlich haben wir Glück. Wir können das Auto praktisch direkt am Trailhead abstellen.


Klettersteig für Anfänger


Der Beehive Trail ist der beliebteste Wanderweg im ganzen Park, vor allem des Nervenkitzels wegen, den einige ausgesetzte Passagen bieten, wo man auf Eisentritten und Leitern über den Granit kraxelt. Alle, die schon einmal einen Klettersteig in den Alpen gesehen haben, werden davon nicht sonderlich beeindruckt sein, aber in Amerika gibt es solche versicherten Aufstiege eher selten. Deshalb muss da JEDER hin – chinesische Frauen mit Selfie-Sticks, aufgeregte Teenies in Shorts und Turnschuhen, deutsche Touristen in Jack-Wolfskin-Jacken und wir natürlich auch. Der benachbarte Precipice Trail ist so ähnlich, führt aber noch ein ganzes Stück höher. Auf dem waren wir schon. Aber eben noch nicht auf dem Beehive. Die Wanderung ist allemal kurz genug, um sie in den Nachmittag des Ankunftstages zu quetschen. Wir benötigen keine halbe Stunde, da stehen wir schon oben. Und man kann ja gut lästern über die übertriebene Aufregung um diesen Trail, aber die Aussicht ist einfach fantastisch!


Gemächlicher als der Aufstieg über die Wand ist der Abstieg auf der Rückseite des Beehive Mountain. Ein kurzer Abstecher führt zu deinem idyllischen See, The Bowl. An einer Wegkreuzung entscheiden wir uns dann dafür, noch den Gorham Mountain mitzunehmen, die Bergkuppe nebenan. Es ist erst zwei Uhr vorbei, das Wetter traumhaft schön, also was könnten wir Besseres zu tun haben, als noch ein bisschen zu wandern?


Gorham Mountain
Foliage
Meins! Meins!
The Bowl
Gorham Mountain trail
Summit
Gipfel
Wald, Wald und Wald
Cadillac Mountain
Down to the sea

Mit 163 Metern ist der Gorham drei Meter höher als der Beehive Mountain. Er ist lange nicht so überlaufen wie sein Nachbar, aber in einsamer Wildnis ist man hier nun auch nicht gerade unterwegs. Auch er bietet ein bisschen Kletterei, an den Cadillac Cliffs nämlich. Die lassen wir aber aus, erst weiter unten sehen wir, dass dieser Abstieg wieder auf den Hauptweg mündet. Eine knappe Meile nach dem Gipfel kommen wir an der Loop Road raus, die wir nun eine weitere Meile zum Auto zurückgehen müssen. Zwischen Straße und den Klippen führt ein Spazierweg entlang. Der geht auch am Thunder Hole vorbei, durch das bei entsprechendem Stand der Flut die Wellen lautstark durchschießen. Nun ist nicht die Zeit dafür, trotzdem ist der Spot gut besucht, wie überhaupt unzählige Menschen auf den Felsen herumklettern.


Gegen 16 Uhr sind wir zurück am Auto. Mehrere Einsatzfahrzeuge des Nationalparks und der Polizei stehen nun am Trailhead. Sieht nach Bergrettung aus. Hoffentlich nur eine Übung. 


Ganz nach oben geht's nur noch gegen Gebühr


Wir fahren die Loop Road, die als Einbahnstraße eine Schleife durch den östlichen Teil des Nationalparks dreht, der Länge nach ab, was nun im Licht der Nachmittagssonne traumhaft schön ist. Auch an der Auffahrt zum Cadillac Mountain kommen wir vorbei, dem mit 470 Metern höchsten Berg der amerikanischen Ostküste zwischen Maine und Brasilien. Für die Fahrt da rauf gibt es seit einigen Jahren ein Reservierungssystem. Wenn man also vorhat, oben den mitunter wirklich spektakulären Sonnenauf- oder Untergang zu erleben, sollte man sich rechtzeitig kümmern, und muss dann auf gutes Wetter hoffen, damit die 6 Dollar Gebühr nicht zum Fenster rausgeschmissen sind. 30 Prozent des Ticketkontingents wird 90 Tage vorab freigeschaltet, der Rest mit zwei Tagen Vorlauf. Für die kommenden Tage ist der Cadillac Mountain ausgebucht. Gut, dass wir den schon beim letzten Besuch in aller Ausgiebigkeit genießen durften.


Ein paar Minuten außerhalb von Bar Harbor gelegen ist unsere Unterkunft für die nächsten Tage, ein einfaches Motel direkt am Highway. Ja, dafür bezahlt man zu dieser Jahreszeit an die 250 Dollar pro Nacht! Immerhin: Das Zimmer ist schön groß, wir haben einen Kühlschrank und die Heizung funktioniert auch. Und das sogar ziemlich geräuschlos.


Wir haben Hunger


Um 18 Uhr sind wir zurück in Bar Harbor, haben das Auto in der Cottage Street abgestellt und einen Parkautomaten gefüttert. Wo die Cottage auf die Maine Street trifft, befindet sich das Kneipenviertel des Städtchens. Die Thirsty Whale Tavern steht hier ganz oben auf meiner Liste empfohlener Restaurants, die Wartezeit auf einen Tisch beträgt allerdings "an hour, sorry".


Acadia Pines Motel

Ich traue mich nicht vorzuschlagen, dass wir die Stunde doch in der Brauerei verbringen könnten, an der wir eben vorbeigelaufen sind. Es muss eine Alternative her, der Hunger ist groß und vor jedem Laden steht ein Pulk von Menschen. Auch am Route 66. In dem sind wir schon einmal auf der Suche nach einem freien Tisch gelandet – und wieder sind wir erfolgreich. Für sämtliche Anstehenden wird rasch ein Plätzchen gefunden und so sitzen auch wir nach wenigen Minuten in einer Ecke dieses über und über mit Spielzeug, Schildern und Souvenirs dekorierten Ladens. Sogar eine Eisenbahn fährt unter der Decke entlang. Praktischerweise hat das Route 66 das Bier der örtlichen Atlantic Brewery im Ausschank, dazu lassen wir uns Burger und Lobster Mac and Cheese schmecken. 


Nach dem Essen suchen wir noch einen Waschsalon auf. Während unsere Klamotten ihre Runden in der Trommel drehen, drehen wir eine Runde durch den Ort, stellen aber fest, dass die meisten Läden nicht bis spät abends geöffnet sind. Zum Shopping müssen wir noch mal wann anders vorbeikommen.


Unterkunft: Acadia Pines Motel, Bar Harbor - 240 USD


Nützliche Links:

Visit New England - alles auf einen Blick

Visite Maine - Trip tips

Joe's Guide to Acadia National Park - alle Wanderungen des Parks auf einer Website

Visit Bar Harbor - Stay, See & Do

New England Foliage - Wie weit ist die Laubfärbung?

TripAdvisor Maine Travel Forum - beantwortet alle Fragen