E5 Teil 4 / Tag 6
Hügellandschaft bei San Giorgio


Do, 30. Juni 22

GRÜNES ALPENVORLAND

Rifugio Boschetto (1.161 m) - Erbezzo (1.118 m)


Jetzt wo die Alpen hinter uns liegen, stellt sich mit einiger Berechtigung die Frage, warum der E5 immernoch weitergeht. Zwei Tagesmärsche sind es allerdings noch bis vor die Tore Veronas. Und so ganz verlassen wir die Berge auch gar nicht. Wie auf der Nordseite in Bayern besteht auch das Alpenvorland auf der Südseite aus sattgrünen Hügeln, auf denen Kühe grasen, zwischen die kleine Örtchen getupft sind. Die Lessinischen Alpen sind das Pendant zum Allgäu, durch sie müssen wir noch wandern.


An diesem Morgen gehen wir fremd. Wir verlassen nämlich den E5, der die Straße runter nach Giazza führt, und steigen vom Rifugio Boschetto eineinhalb Stunden lang steil bergan durch den Wald bis auf eine Hochebene. Dort, am Passo Malera (1.722 m), haben wir einen tollen Blick zurück in die gestern von uns gequerte Carega-Gruppe, über der sich schon wieder Gewitterwolken auftürmen. Ganz anders die Szenerie vor uns: Die sanfte Hügellandschaft sieht aus wie der Desktophintergrund von Windows XP.


Statt des E5 verläuft hier oben der E7. Der reicht von den Kanarischen Inseln bis Rumänien, allerdings nur in Teilstücken. Irgendwann soll er mal eine durchgehende Verbindung vom Atlantik zum Schwarzen Meer bilden.


Auf breitem Feldweg laufen wir unterhalb des Rifugio Malga Malera Richtung San Giorgio, kürzen aber vor Erreichen des Ski-Orts über eine Wiese zur Strada Provinciale 6 ab, der wir einige Kilometer nach Süden folgen. Auf Asphalt zu wandern, macht wirklich so überhaupt keinen Spaß. Dazu nervt der Verkehr. Sind wir gar nicht mehr gewohnt.


Der E5 hat uns wieder


An einer Linkskurve gehen wir geradeaus, klettern über eine Schranke und kommen an einem ehemaligen Gasthof mit einer ausgedienten Kapelle vorbei, der Ex Osteria degli Spiazzoi (1.395 m). Hier stoßen wir wieder auf den E5 und es geht auf angenehm grasigem Pfad entlang von Weiden weiter in den Wald. Als wir an einen Teich kommen, neben dem ein Steinhaus verfällt, legen wir eine kurze Trinkpause an. Kurz darauf laufen wir durch den Weiler Merli mit der hübschen Kapelle Sant' Anna.


Mittagessen gibt es in der Trattoria Locanda Maregge, direkt an einer Landstraße gelegen. Wir werden bereits erwartet und nach drinnen in einen gemütlichen, holzgetäfelten Raum dirigiert. Anscheinend dürfen Wandergruppen nicht draußen sitzen, denn bald darauf sind alle Tische um uns herum von Wanderern besetzt, die meisten davon uns längst bekannt.


Günstig essen in Maregge


Richtig gut gekocht wird in der Trattoria! Leider reichen unsere Italienisch-Kenntnisse nicht, um alles zu verstehen, was uns die Wirtin an Gerichten herunterrattert. Ich bin mit meiner Wahl aber sehr zufrieden: Gefüllte Nudeln und zum Nachtisch der köstliche Kuchen des Hauses. Worüber wir uns amüsieren: Dass hier Schmucker ausgeschenkt wird. Wie das Bier einer südhessischen Traditionsbrauerei wohl in diesem abgelegenen Dorf gelandet ist? Auch um das zu erfahren, müsste man Italienisch können. Am Ende zahlt jeder von uns 15 Euro, den Fixpreis für das Mittagsmenü, wobei uns die Getränke gar nicht berechnet werden, weil niemand drei Gänge bestellt hat. Das wäre dann doch etwas zu viel des Guten gewesen, wir müssen ja noch wandern. In Sachen Preis-Leistungs-Verhältnis war dieses Mittagessen jedenfalls unschlagbar.


Weiter geht's durch ein verschlafenes Italien, mal durch Wald, mal auf von Steinplatten begrenzten Wegen zwischen Weiden und Feldern, und immer mal wieder durch ein in der Sonne dösendes Gehöft. Selten sehen wir einen Menschen. Um halb drei sehen wir aber dann das erste Mal unser Ziel: Auf einem Plateau liegt Erbezzo, gut erkennbar an seinem markanten Kirchturm. Bis wir dort ankommen, sind's allerdings noch zwei Stunden zu gehen – und es wird immer schwüler.


Am tiefsten Punkt


Wir wandern durch Croce und Lesi und immer weiter bergab, bis wir im Valo dell'Anguilla, einem dicht bewachsenen, engen Tal, den bisher niedrigsten Punkt der Tour erreichen: 887 Meter sind an einem Wegweiser angeschrieben. Bedeutet auch: Wir müssen wieder ein gutes Stück rauf! Zunächst geht der E5 aber auf dem Talgrund entlang. Wir sind uns nicht sicher, ob das links von uns das Bachbett ist oder wir in diesem laufen, so mühsam ist das Gehen auf den groben Kieselsteinen, die irgendwann mal einen halbwegs ordentlich gepflasterten Reitweg gebildet haben müssen. Schließlich der erwartet steile Anstieg – auf dem uns einer der Wanderer aus der Vierergruppe, mit der wir uns schon den ganzen Tag in der Führung abwechseln, im Laufschritt überholt. Nun gut, muss ja jeder selbst wissen, welcher Challenge er sich heute stellen will. Uns reicht hier schon das normale Gehtempo.


Die Ankunft an unserem Etappenziel fühlt sich ein bisschen an wie die Rückkehr in die Zivilisation. Erbezzo ist ein schmucker kleiner Ort, hat zwar weniger als 800 Einwohner, ist aber so etwas wie das touristische Zentrum der Lessinischen Alpen. Der Ort verfügt über eine Apotheke, ein Postamt, eine Bank, sogar einen Supermarkt - und die ganz wunderbare Albergo Berna, unsere Unterkunft. Einigermaßen erledigt fallen wir gegen 16:30 Uhr auf der Terrasse des dazugehörigen Restaurants auf die Bänke. Keine 5 Minuten später steht die erste Runde Bier vor uns, machen wir uns über die dazu gereichten Chips her. Verdient!


Das Hotel ist frisch renoviert, überraschend modern die Zimmer. Wir nehmen uns eines zu dritt mit einem Bad, das so groß ist, dass darin locker noch ein paar Mann unterkommen könnten. Duschen, Wäsche waschen, ein Getränk auf dem Balkon, schon ist's Zeit fürs Abendessen. Das Restaurant ist bekannt für seine hervorragende Pizza, davor ein Carpaccio, danach Tiramisu – ich bin selig!


Unterkunft: Albergo Berna, Erbezzo

Wegstrecke: 22 km

Höhenmeter: +900 / -800


Nützliche Links

Visit Lessinia - Infos für Reisen in die Gegend

Outdooractive - Details und Karten zur Planung des E5-Südteils

Europawanderweg 5 - E5-Programm des DAV Mainz