2016 California Day 16
Manzanar War Relocation Camp

Sa, Sep 17, 2016

"JAPS ARE JAPS"

Nach einer sehr schönen Woche heißt es Abschied nehmen von Mammoth Lakes. Auf der Weiterreise schauen wir bei den ältesten Bäumen der Welt vorbei, besuchen einen Schauplatz düsterer amerikanischer Geschichte und übernachten wie Filmstars.


Mammoth Lakes wird uns sicher irgendwann wiedersehen. Als Basis für Tagesausflüge in der Sierra Nevada eignet sich der Ferienort perfekt und die Wanderziele gehen einem hier so schnell nicht aus.


Wir fahren hinunter ins Owens Valley. Bis Bishop verliert man dabei glatt 1.200 Meter Höhe. Die muss man danach wieder reinholen, wenn man die ältesten Bäume der Welt im Ancient Bristlecone Pine Forest besuchen will. Die langlebigen Kiefern wachsen in 3.000 Metern Höhe in den White Mountains, einem 100 Kilometer langen Gebirgszug, der das Owens Valley nach Osten Richtung Death Valley hin begrenzt. Man denkt bei deren Anblick immer, die kargen Hügel seien nichts Besonderes, hat man doch die viel imposanter aufragende Sierra Nevada direkt gegenüber. Aber zum Einen ist der höchste Berg dieses Gebirges, der White Mountain Peak, 4.344 Meter hoch und damit der dritthöchste in Kalifornien, und zum Anderen hat es hier eben Bäume deren Alter mit "biblisch" zu beschreiben eine freche Untertreibung wäre.


Uralte Grannen-Kiefern


Entdeckt wurden die Ancient Bristlecones, auf deutsch "Grannen-Kiefern", in den 1950er Jahren von einem Wissenschaftler der Arizona University, Edmund Schulman. Nach ihm ist der Schulman Grove benannt, wo es auch ein ziemlich neues Besucherzentrum gibt. Das alte fiel 2012 einem Waldbrand zum Opfer. Anhand von Bohrkernen bestimmte Schulman das Alter der Bäume - und kam dabei aus dem Zählen der Jahresringe nicht mehr raus. Sein Rekord lag bei 4.732. Diese vermeintlich älteste Kiefer bekam den Namen "Methusaleh" und steht am Methusaleh Trail, einem Rundweg durch den Wald, der uns heute allerdings zu lang ist. Wir bleiben im Schulman Grove und drehen dort die eine Meile lange Runde auf dem Discovery Trail.


Methusaleh gilt mittlerweile nicht mehr als ältester Baum der Welt. Eine vor wenigen Jahren durchgeführte Auswertung einer von Schulmans Bohrproben ergab für einen anderen das sagenhafte Alter von 5.067 Jahren! Die Kiefer steht hier auch irgendwo in den White Mountains, der genaue Standort wird allerdings ebensowenig veröffentlicht wie der von Methusaleh. 


Es sind bizarre Gewächse diese Kiefern. Am ältesten sind nicht etwa die größten Exemplare, sondern die verzwirbelten, vom Wind gebeugten, die mit den seltsam in alle Richtungen wachsenden und sich miteinander verwindenden Ästen. Erst bei den toten Bäumen kann man die Formen so richtig erkennen. Man sollte sie auf jeden Fall mal gesehen haben.


Wir würden auch noch der größten alten Kiefer im Patriarch Grove die Ehre erweisen, brechen die Fahrt dahin aber nach wenigen hundert Metern auf der Schotterstraße ab. Die ist uns eine Nummer zu ruckelig für zwölf Meilen hin und zwölf Meilen zurück. Also lassen wir uns wieder runter ins Tal rollen. Überhaupt lohnt sich der Abstecher zum Ancient Bristlecone Pine Forest allein schon wegen der Fahrt da rauf. Außer man hat gar nichts übrig für enge Kurven und Bodenwellen. Uns amüsieren diese Dips immer königlich. Wie in der Achterbahn. Als am Ende der Abfahrt noch ein Roadrunner vor dem Auto über die Straße flitzt, kommen wir uns vor wie im Film. Miep, miep!


Wir fahren durch Big Pine, ein kleines Nest an der Route 395, und kommen an einem leuchtend rot gestrichenen BBQ Joint vorbei, davor ein riesiger Smoker und eine lange Schlange von Menschen. Ich frage Conny vorsichtig, ob sie vielleicht Hunger hat, sie verneint und wir fahren weiter. Als wir aus Big Pine raus sind, drehe ich um. Wir wären ja mit dem Klammerbeutel gepudert, wenn wir diese Gelegenheit auslassen würden!


Das beste Restaurant der USA


Copper Top BBQ nennt sich der Imbiss - und wurde 2015 vom Bewertungsportal Yelp als "Best Restaurant" gekürt. Nicht als das beste in Big Pine. Auch nicht in Inyo County. Oder in Kalifornien. Nein, es ist das beste Restaurant des Landes! Wie man dazu kommt, so eine Butze in so einem gottverlassenen Kaff als solches auszuzeichnen, erschließt sich mir nicht, ist aber auch egal, denn das Fleisch hier ist der Knaller! Es gibt Pulled Pork für Conny, Scheiben vom Tri-Tip und ein eiskaltes Pale Ale für mich - hmmm...


Mal wieder erregt eine Reisegruppe am Nachbartisch unsere Aufmerksamkeit. Deutsche Motorradfahrer, schön mit dicken Harleys hier im Südwesten unterwegs, geile Sache. Aber anscheinend nicht geil genug, um den Futterneid zu unterdrücken, der aufkommt, wenn auf dem Teller des anderen ein paar Rippchen mehr liegen als auf dem eigenen, obwohl man doch das gleiche bestellt hat. Womöglich ein Fall von "lost in translation"? Irgendwann will ich dem Biker ein "Heul doch!" zurufen, verkneife es mir aber. Am Ende gibt er denn auch zu, dass er satt geworden ist. Na also.


Wo Amerika zum Unrechtsstaat wurde


Kurz vor Lone Pine gibt es noch etwas zu besichtigen, die Manzanar National Historic Site. Hier wird an ein ganz dunkles Kapitel der jüngeren amerikanischen Geschichte erinnert. Manzanar war eines von zehn Lagern, in denen ab 1942 in Amerika lebende Japaner und amerikanische Bürger japanischer Abstammung interniert wurden - nicht weil sie sich irgendetwas zu schulden hätten kommen lassen, für den Kriegsgegner spioniert oder Sabotage betrieben hätten, nein, einfach nur aufgrund ihrer Herkunft.


Eine von Präsident Roosevelt zwei Monate nach dem japanischen Angriff auf Pearl Harbor unterzeichnete Executive Order ermächtigte das Kriegsministerium, die Westküste zum Militärgebiet zu erklären und daraus alle Personen, die eine Gefahr darstellen könnten, zu deportieren - das betraf die Japanese Americans, denen ohnehin eine medial angeheizte Welle des Hasses und der Diskriminierung entgegenschlug. Bis November war die Umsiedlung, die "Relocation", abgeschlossen. Über 110.000 Menschen waren in hastig errichtete Barackenlager deportiert. Dass zwei Drittel von ihnen amerikanische Staatsbürger waren - geschenkt. "Japs are Japs", hieß es damals, "Japse sind Japse".


Es gibt viele nachdenklich machende, ja schockierende Aspekte an dieser Geschichte. Rassismus, Einwanderung, Menschenrechte, staatliche Willkür, Hass - sie erzählt von Themen, die heute wieder besondere Aktualität haben, in den USA wie in Europa. Der Mantel der Demokratie ist aus sehr dünnem Stoff genäht, dessen kann man sich in Manzanar einmal mehr versichern. Und Angst ist ein unheimlich starker Trieb, der Menschen und ganze Gesellschaften alle Werte, die sie sonst hochhalten, vergessen lässt. Manzanar ist ein bewegender Ort. Dass man hier das Gedenken an die Vergangenheit bewahrt, das in typisch amerikanischer Art, sehr informativ und aus allen erdenlichen Blickwinkeln erzählend tut, spricht immerhin für einen gewissen gesellschaftlichen Fortschritt.


US-Präsident George H.W. Bush entschuldigte sich übrigens 1988 in aller Form für das Unrecht, das den Menschen angetan worden war, der Kongress gestand 82.000 Überlebenden Entschädigungszahlungen von 20.000 Dollar zu. Ein schwacher Trost.


Von dem sogenannten "War Relocation Camp" ist freilich nicht viel übrig geblieben. Die Behausungen aus Teerpappe und Sperrholz, gänzlich ungeeignet für das Klima im Owens Valley, wurden nach dem Krieg eilig verkauft. Das Besucherzentrum und Museum ist in der ehemaligen Aula untergebracht. Gleich daneben ließen sich in Block 14, einem von einst 36, zwei rekonstruierte Baracken besichtigen. Die sind allerdings gerade Teil einer Baustelle und daher nicht zugänglich. Mit dem Auto befahren wir den drei Meilen langen Rundweg durch das Gelände, wo hier und da noch Reste der von den Internierten angelegten Gärten zu erkennen sind oder auch die Fundamente von Verwaltungsgebäuden und der Bungalows der Lagerangestellten. Einen Besuch wert ist auf jeden Fall das Cemetery Monument, ein 1943 errichteter Obelisk am Friedhof, der bis heute ein Ort des Gedenkens ist - und das direkt zu Füßen von Mount Williamson und Mount Whitney, dem höchsten Berg Nordamerikas außerhalb Alaskas.


In Lone Pine wurde Filmgeschichte geschrieben


Nun aber genug der Geschichte. Wir fahren hinein nach Lone Pine und checken im Dow Villa Motel ein. Das ist allerdings wiederum aus filmhistorischer Sicht ziemlich interessant, wurde es doch in den 1920er Jahren eröffnet, um den Schauspielern und Filmcrews, die damals zuhauf zum Drehen ins Owens Valley kamen, eine angemessene Unterkunft zu bieten. Von John Wayne bis Roy Rogers - hier haben alle Westernstars logiert. Im historischen Teil des Hotels kann man fast wie damals übernachten, wir haben allerdings ein Zimmer im modernen Motel-Anbau gebucht. Schätze, John Wayne brauchte keinen Kühlschrank auf dem Zimmer, der ging an die Bar, wenn er was trinken wollte.


Ich nutze die letzten Sonnenstrahlen für ein paar Runden im Pool. Großartig zum Dinner ausgehen müssen wir heute nicht mehr. Das BBQ-Lunch hält noch vor und berauschend ist die gastronomische Auswahl in Lone Pine ohnehin nicht. Wir schauen aber noch auf ein paar Fries und Milkshakes beim Frosty Chalet vorbei. Die Imbissbude sieht aus wie direkt aus dem Jahr 1950 gefallen. Witziger Laden, vor den man eigentlich in einem alten Chevy vorfahren müsste. Haben wir leider keinen.


Gefahren: 157 Meilen / 253 Kilometer

Unterkunft:  Dow Villa Motel, Lone Pine - 177 USD


Nützliche Links:

Mammoth Lakes - die offizielle Tourismus-Website der Stadt

Ancient Bristlecone Pine Forest - Website des USDA Forest Service

Methusaleh - der uralte Baum hat eine eigene Wikipedia-Seite

Copper Top BBQ - des Menü gibt's online (Vorsicht: Spucke kann die Tastatur beschädigen!)

Manzanar - Geschichte und Besucherinfos auf der Website des National Park Service

Lone Pine - alles über "The Other Side of California"