20160107 Florida 07
Halfway Creek

Do, Jan 7, 2016

THROUGH THE EVERGLADES

Zwischen Naples und den Florida Keys liegt die einmalige Landschaft der Everglades. Die erkunden wir per Kajak, zu Fuß und mit dem Auto auf der Loop Road. Pünktlich zum Sonnenuntergang erreichen wir Islamorada.

Eine ganz eigenartige Stimmung liegt an diesem Morgen über der Route 41, dem Tamiami Trail, auf dem wir von Naples aus nach Osten fahren. Nebelschwaden steigen aus den Sümpfen, hier und da versucht die aufgehende Sonne durchzudringen. Ein bleiches, orange-rosa Licht schwebt über der Landschaft. Reiher, Störche und Ibisse sind in ganzen Schwärmen in der Luft. Sagenhaft!


Nach 45 Minuten erreichen wir Everglades City, diesen Ort mit den viel zu breiten Straßen am Ende des Landes. Von der Vergangenheit als County Seat, also als Kreisstadt, zeugt neben der großzügigen Planung der Verkehrswege noch das hübsche Gerichtsgebäude in der Ortsmitte. 400 Menschen leben hier - es waren schon einmal mehr.


Am Ende des Landes geht's weiter


Immerhin aber ist Everglades City idealer Ausgangspunkt für Touren in die der Küste vorgelagerten Ten Thousand Islands und in die Mangrovenwelt des Nationalparks. Vom kleinen Hafen am Gulf Coast Visitor Center kann man mit Ausflugsbooten losschippern - oder man leiht sich ein Kanu und rudert auf eigene Faust in die Wildnis. Ich habe uns hier die kostengünstigste Variante reserviert: zwei Stunden im Doppelsitzer für 30 Dollar.


Wir sind nur noch nicht sicher, wohin wir nun paddeln wollen: In den Ten Thousand Islands gibt es ein Inselchen mit kleinem Strand namens Sandfly Island, das sich als Ziel anbietet. Sieht aber ganz schön weit entfernt aus. Dann vielleicht doch lieber in die Mangroven, auch wenn wir vor ein paar Jahren schon einmal eine ähnliche Tour unternommen haben. Da könnten wir immerhin jederzeit umdrehen, wenn wir keine Lust mehr haben. Hauptsache wir sind binnen zwei Stunden zurück, sonst schicken die vom Verleih wohl einen Suchtrupp los, so oft wie mir die Angestellte einbläut, dass wir bis 11 Uhr wieder da sein müssten.

So elegant wie es nur geht lassen wir uns in die Sitze des Kajaks plumpsen und staksen mit den Rudern ins schlammige Ufer, um überhaupt erstmal auf's Wasser zu kommen. Schon nach wenigen Augenblicken wird uns klar, dass das mit dem Tandem keine gute Idee war. In der komischen Strömung bekommen wir das Boot kaum für mehr als ein paar Schläge geradeaus gesteuert. Also fahren wir in wildem Zickzack durch die Chokoloskee Bay, entdecken immerhin schon einen niedlichen Waschbären beim Frühstück, und navigieren uns dann irgendwie unter einer Brücke hindurch in eine Lagune. Die Stimmung an Bord: Nun ja...


Auf dem Halfway Creek ins Dickicht


Auf der anderen Seite der Lagune nur zu erahnen ist die Mündung des Halfway Creek. Ein paar Felsen ragen aus dem Wasser, die es zu umschiffen gilt. Das Ganze ist eine ziemliche Plackerei gegen die ablaufende Flut. Als wir die Lagune gequert haben, kommen wir endlich in ruhigeres Wasser. Wir gleiten den Anwohnern nun praktisch durch den Hinterhof, am anderen Ufer sind undurchdringlich scheinende Mangroven. Alle Arten von Vögeln schauen uns aus dem Dickicht entgegen - und auf einmal auch ein paar Ziegen. Verrückt.

Schließlich lassen wir die Häuser hinter uns, des Geäst rückt immer dichter zusammen und bildet schließlich einen Tunnel über uns. Es stinkt brackig, nach Sumpf ganz unten. Und nun haben uns auch die Moskitos entdeckt! Eigentlich dürfte es die um die Jahreszeit gar nicht geben, aber bei dem milden Winter fühlen sich die Plagegeister immernoch ganz wohl - und haben Durst. Da kann man sich noch so oft einsprühen, die kleinen Blutsauger finden garantiert ein Fitzelchen Haut, in das sie ihren Rüssel jagen können.


An einem Schild, das uns mitteilt, dass wir nun die Grenze des Nationalparks erreicht haben, drehen wir um. Nichts wie weg von den Moskitos! Mittlerweile haben wir auch den Dreh mit dem Kajak halbwegs raus. Trotzdem laufen wir in der Lagune auf Grund. Das Wasser ist nun etwas höher als vorhin, aber nicht hoch genug, als dass wir einfach über die Felsen drüberkommen würden. Zum Glück ist das Boot hart im Nehmen.

Überpünktlich landen wir wieder am Visitor Center an. Mit dem Kayaking reicht es uns erstmal. Die Blasen an unseren Händen sprechen für sich. Wir tun bei der Rückgabe so, als hätten wir eine Menge Spaß gehabt da draußen. Das nächste Mal nehmen wir auf jeden Fall wieder Einer!


Seekühe im Zypressensumpf


Nun freuen wir uns aber auf die weitere Fahrt auf dem Tamiami Trail mit hoffentlich vielen Tiersichtungen. Gleich ein paar Meilen weiter legen wir am Big Cypress Swamp Welcome Center den ersten Stopp ein. Hier haben wir bisher noch jedes Mal Alligatoren oder sogar Manatees beobachten können... Und: Volltreffer!

Auch am H.P. Williams Roadside Park haben wir Glück und entdecken neben dem hier anscheinend immer dösenden großen Alligator Schlangen, Schildkröten und natürlich einige Vögel.

Das Highlight von Big Cypress: die Loop Road


An der Monroe Station, einer historischen Tankstelle und heute ein Betriebshof der Nationalparkverwaltung, biegen wir vom Tamiami Trail ab auf die unbefestigte Loop Road. Die schlägt einen Bogen nach Süden und knickt dann nach Osten ab, um sich nach 24 Meilen wieder mit der 41 zu vereinen, die ihrerseits einen beim Blick auf die Karte nicht so ganz nachvollziehbaren schrägen Verlauf nach Südosten nimmt. Die kuriose Straßenführung ist das Ergebnis der visionären aber gescheiterten Planung einer Stadt namens Pinecrest an dieser Stelle. Heute gehört der Sumpf wieder den Vögeln und den Alligatoren. Als wir hier vor gut drei Jahren durchkamen, waren wir total fasziniert von diesem Ort, von seiner Ruhe und Abgeschiedenheit, von den kaum zu zählenden Tieren, die wir beobachten konnten. Keine Frage, dass wir die Loop Road nun mitnehmen.


Vom letzten Mal wissen wir, dass es sich vor allem an den zahlreichen Brücken und Durchflüssen lohnt, nach Tieren Ausschau zu halten. Wo die Fische durchkommen, lauern gewöhnlich die Räuber. Auch diesmal treffen wir alle Arten von Reihern, Störche und Alligatoren an, wenn auch lange nicht in so großer Anzahl wie damals. Wir sind nicht direkt enttäuscht, aber ein bisschen mehr Leben hätten wir zu dieser Jahreszeit hier schon erwartet. Dieser Winter ist einfach kein normaler Winter.

Vorbei an den Airboat-Anlegern der entlang des Tamiami Trails ansässigen Miccosukee-Indianern und dem zum Everglades Nationalpark gehörenden Shark Valley nähern wir uns dem Großraum Miami, biegen dann aber bei erster Gelegenheit Richtung Süden ab. Die Gegend hier muss die Gärtnerei-Hauptstadt der Welt sein. Meilen um Meilen nichts als Baumschulen, Gewächshäuser und adrett in Reihen wachsendes Gehölz. Unser Ziel ist ein Obststand in der Nähe von Homestead: Robert Is Here.


Sensationelle Milkshakes


Die Geschichte von Robert ist eine sehr nette, deshalb sei sie an dieser Stelle erzählt: An einem Herbst-Samstag im Jahr 1959 wurde Klein-Robbie von seinem Vater an eine Straßenecke gesetzt und aufgetragen, frisch geerntete Salatgurken zu verkaufen. Der Junge saß da den ganzen Tag, ohne dass ein einziges Auto angehalten hätte. Überzeugt, dass es doch genügend Menschen geben müsste, die Gurken mögen, und dass sie wohl nur den kleinen Jungen übersehen hätten, stellte sein Vater am nächsten Tag zwei Schilder an die Seiten des Verkaufstisches, auf die er in großen roten Buchstaben "Robert Is Here" gepinselt hatte. Bis Mittag waren die Gurken ausverkauft, am nächsten Wochenende ließ ein benachbarter Bauer auch noch seine Tomaten in Roberts Angebot aufnehmen - der Beginn einer typisch amerikanischen Erfolgsstory. Die Farm in Familienbesitz ist immernoch ein brummendes Unternehmen und Robert bis heute jeden Tag gut gelaunt an der selben Straßenecke in seinem Laden anzutreffen. Man erkennt ihn am Bart. Weltberühmt ist Robert Is Here aber für die Milkshakes - und davon lassen wir uns jetzt zwei schmecken: Key Lime-Cherry und Kokosnuss. Absolut sensationell!


Endlich auf den Keys!


Nun sind wir nur noch ein paar Ecken von der Route 1 entfernt, die uns schnurstracks auf die Florida Keys bringt. Auf Windley Key, das zusammen mit einigen weiteren Inselchen zur Ortschaft Islamorada gehört, haben wir ein Zimmer im Drop Anchor Resort gebucht. Das Hotel liegt unweit des Theater of the Sea zwischen Highway and Meer und verfügt über gerademal 18 Zimmer, die alle individuell und recht farbenfroh eingerichtet sind. Gefällt uns gut nach dem Einerlei der Kettenhotels der letzten Tage. Sehr schön ist auch der Garten, in dem wir wunderbar unter Palmen direkt am Meer sitzend die letzen Sonnenstrahlen genießen. Nur einen Strand hat das Hotel nicht zu bieten, dafür aber einen beheizten Pool.

Dem Sonnenuntergang haben wir nun ohne Drinks zugeschaut - womit wir auf den Keys eher eine Ausnahme sein dürften. Spätestens am Nachmittag nimmt man hier normalerweise ein alkoholisches Getränk zur Hand, gerne auch früher. It's always five o'clock somewhere. Also auf zur Lorelei! Das ist das Lokal mit der großen Meerjungfrau an der Straße, an die sich wohl jeder einnern kann, der jemals über die Keys gefahren ist. Dass der Laden keinen Innenraum hat, lediglich eine überdachte Bar, und man drumherum im Freien sitzt, wussten wir nicht. Sonst wäre ich nicht in Flip-Flops und T-Shirt losgezogen. Aber der Abend ist noch halbwegs mild, da lässt es sich auch direkt am Wasser eine Weile aushalten.


Hoch die Tassen in der Lorelei


An der Bar lallt mich gleich ein Betrunkener an: "I l-l-like your shirt!" Ich habe eins mit dem Aufdruck der American University an. Ich frage warum und ob er da auch zur Uni gegangen wäre. Da schaut er mich verwundert an. Er wusste wohl nicht, dass das wirklich eine Universität ist. Irgendwas mit "American" gelesen, das hat gleich einen patriotischen Reflex ausgelöst. Wir suchen uns einen Tisch in einigem Abstand zur Bar und auch zur Bühne mit der Live-Musik. Vor der geht es ganz schön hoch her. Den Pegel der anderen Gäste holen wir heute sicher nicht mehr ein.


Das Essen ist okay, das Bier schön kalt und es gibt viel zu sehen. Sogar ein Waschbär flitzt direkt an unserem Tisch vorbei. Wahrscheinlich auch betrunken! Irgendwann wird's uns dann aber doch zu frisch und wir treten den Rückzug an. Als Sunset-Location behalten wir die Lorelei auf jeden Fall im Hinterkopf.

Gefahren: 171 Meilen / 274 Kilometer

Unterkunft:  Drop Anchor Resort and Marina - 185 EUR via Expedia


Nützliche Links:

Florida's Paradise Coast - Reiseinfos zu Naples und Marco Island

Visit Florida - das Wichtigste zu Naples auf einen Blick

National Park Service - Infos zum Gulf Goast Visitor Center des Everglades Nationalparks

Everglades Boat Rentals - hier kann man Kajaks mieten und Ausflüge buchen

Ivey House - empfehlenswerte Unterkunft in Everglades City

Big Cypress National Preserve - alles zum großen Schutzgebiet

Loop Road - zur kuriosen Geschichte der Straße

Shark Valley Visitor Center - hier sind Tiersichtungen garantiert

Robert Is Here - Obstladen samt Streichelzoo

Welcome to Islamorada - Besucherinfos zu den sechs Inseln der Upper Keys

Lorelei Cabana Bar and Restaurant - hier geht es hoch her