Ich will nicht schon im Morgengrauen von Mainz aufbrechen, sondern beginne meine Reise gen Süden erst um 8:40 Uhr mit dem Zug nach Mannheim und weiter über München-Pasing. So würde ich erst um kurz vor drei in Reith ankommen und hätte noch ziemlich genau drei Stunden, um pünktlich zum Abendessen auf der Hütte zu sein. Irgendwie erscheint mir diese Kiste zu eng.

Also steige ich schon in Seefeld aus dem Zug und bringe die ersten 900 Höhenmeter per Standseilbahn zur Rosshütte und weiter mit der Härmelekopfbahn hinter mich. Die Aussicht von da oben ist sagenhaft: das Seefelder Plateau zu Füßen geht der Blick vom Zugspitzplatt über das Wettersteingebirge, den markanten Zuckerhut der Hohen Munde und weit das Inntal hinauf. Die schöne Aussicht bleibt mir auf der folgenden Wanderung auf dem Kuntersteig erhalten.

Nach 45 Minuten über teils durchaus anspruchsvollen, felsigen Weg erreiche ich die Nördlinger Hütte, auf 2.238 Metern die höchstgelegene bewirtete Alpenvereinshütte im Karwendel. Dort beziehe ich einen Schlafplatz im Matratzenlager, das ich mir aber nur mit einem einzigen weiteren Wanderer teilen muss, also alles ganz entspannt. Kurz darauf habe ich das erste Radler vor mir stehen und vertiefe mich auf der Terrasse in die Lektüre von Philip Roths “Verschwörung gegen Amerika”. Immer wieder werde ich allerdings von der Aussicht abgelenkt...

Mit dem Essen dauert's noch...

Hüttenwirt Tobias lädt um kurz vor sechs zum Abendessen, muss dann aber um Geduld bitten, denn das Team will noch auf weitere vier Wanderer warten. Die kommen bald auf dem Weg in Sicht - vier gestandene Mannsbilder der Drei-Zentner-Klasse, die sich sehr langsam voranschleppen. Immerhin übernimmt einer der vier die Vorhut und marschiert voraus zur Bestellung von Bier und Schnaps. Der jungen Bedienung wird der Vorschlag gemacht, den drei Nachzüglern mit den Schnäpsen entgegenzugehen, um sie zu einem rascheren Schritt zu ermuntern. Das versucht sie prompt, die Kurzen werden mit großem Hallo weggekippt und vielleicht geben die ja tatsächlich den letzten Schub zum Erreichen des Ziels. Die Gaudi war die Verspätung beim Abendessen allemal wert, zumal die Herren sich mit einer Hüttenrunde zu revanchieren wissen.

Ich habe Halbpension gebucht und stärke mich mit Suppe, Nudeln und Kuchen. Damit bin ich zu satt, um noch einen Kaiserschmarrn nachzulegen, der nach dem Abendessen in der Küche gezaubert wird und sehr verführerisch duftet. Mit mir am Tisch sitzt ein eher asketisch wirkender Bergführer, der ist für eine gemeinsame Pfannenräuberei nicht zu gebrauchen.

Die Sonne ist dann schon hinter den Gipfeln verschwunden, als nach dem Abendessen alle nochmal nach draußen gehen. Empfindlich kalt ist es geworden. Ich steige auf den Grat, der von der Reither Spitze aus direkt hinter der Hütte verläuft. Die Aussicht von dort ins Karwendel ist überwältigend! Gut lässt sich auch schon der Weg ausmachen, den es morgen Richtung Ursprungsjoch zu nehmen gilt. Ich bin voller Vorfreude auf die kommenden Tage. Wird super!