28. Sep 2013
Wer auf der Suche ist nach einem leicht zugänglichen Berg im Herzen der Dolomiten, landet früher oder später mit hoher Wahrscheinlichkeit beim Lagazuoi - oder genauer beim Kleinen Lagazuoi. Zu dem geht vom Falzaregopass eine Seilbahn rauf und nachdem man die wirklich spektakuläre Aussicht genossen hat, bietet sich für geübte Wanderer die Umrundung des Großen Lagazuoi an.
Wir landen eher zufällig am Lagazuoi. Bei unserer ersten Reise nach Südtirol ist Kastelruth das Basislager. Das liegt oberhalb des Eisacktals und in der Nähe von Bozen, also ganz weit im Westen. Eigentlich soll der erste Ausflug in diesem Urlaub - na klar! - zu den Drei Zinnen führen, nur hatte ich die Entfernungen und Fahrtzeiten in diesen Bergen dramatisch unterschätzt. Ist ein typischer Anfängerfehler von Dolomiten-Reisenden.
Von Experten empfohlen
Nachdem wir schon das Val Gardena der Länge nach durchfahren haben, über das Grödner Joch und nun hinauf zum Falzarego gezuckelt sind, beschließe ich, dem Navi Glauben zu schenken, dass es bis zu den Drei Zinnen tatsächlich noch eine weitere Stunde und das alles heute viel zu viel Fahrerei wäre. Also fix im Wanderführer geblättert und siehe da: Der ADAC empfiehlt die Runde um den Großen Lagazuoi als “TopTour”. Dann sind wir hier richtig!
In weniger als drei Minuten bringt uns die Seilbahn zur Bergstation. Weil die Fahrt doch ziemlich steil und mit reichlich Luft unter der Kabine vonstatten geht, meldet sich die schon länger tief in mir schlummernde Höhenangst mit einem leichten Panikgefühl. Ein paar Mal tief durchatmen, dann sind wir auf 2.732 Metern angekommen. Puh…
Von der Terrasse des Rifugio Lagazuoi bietet sich ein fantastisches Panorama über die gesamten südlichen Dolomiten - vom pyramidenförmigen Monte Antelao über die gletscherbedeckte Marmolada bis ins Grödner Tal jenseits des Langkofel.
Kleiner vs. Großer Lagazuoi
Zum Gipfel des Kleinen Lagazuoi sind es von der Hütte nur zehn Minuten Fußweg. Hier befinden wir uns auf 2.778 Metern. In unserem Rücken ragt der Große Lagazuoi auf. Der besteht aus zwei Gipfeln, reiht sich mit seinen 2.835 Metern Höhe aber mit den Fanisspitzen in eine Reihe ein und ist daher weniger exponiert als der Kleine Lagazuoi. Letzterer ist denn auch üblicherweise gemeint, wenn vom Lagazuoi die Rede ist.
1915 brach hier die Hölle los
Der Kleine Lagazuoi wurde im Ersten Weltkrieg von den gegnerischen Heeren erschlossen und befestigt. Oben auf dem Kamm lebten von Juni 1915 bis November 1917 etwa hundert österreichisch-ungarische Soldaten, senkrecht darunter mitten in der Wand hielten die Italiener die Stellung.
Um feindlichem Beschuss zu entgehen, legten beide Seiten Stollensysteme im Berginneren an. Im Laufe des Krieges wurden dann kilometerlange Minenstollen gebohrt, um wiederum die darüber gelegenen Versorgungswege und Stellungen des Gegners im und am Berg mittels Sprengung zu vernichten. Die hellen Schuttkegel am Kleinen Lagazuoi rühren hauptsächlich von diesen Minensprengungen her.
In der Nachkriegszeit machten dann vereinzelt Alpinisten und Skitourengeher den Lagazuoi zum Ausflugsziel. Erst 1964 wurden Seilbahn und Berghütte gebaut, womit die intensive touristische Nutzung ihren Anfang nahm.
Besucher lassen die Überreste des Krieges hier oben heute noch erschaudern. Besonders eindrucksvoll sind der Kaiserjägersteig, ein bestens versicherter Klettersteig entlang des Gipfelkamms, und der Lagazuoitunnel, in dem man über unzählige Treppenstufen an ehemaligen Mannschaftsunterkünften und Felsöffnungen vorbeikommt. Über den könnte man sogar bis zum Falzaregopass absteigen. Da wir aber weder Helm noch Lampe dabei haben, ist das keine Option für uns.
Wir wandern auf dem Weg Nummer 20 entlang eines Felsriegels mit einigen Stellungen und über Schutt hinab auf das Karrenplateau der Lagazuoi-Alpe. Nach der mit Felsblöcken und verrostetem Stacheldraht übersäten Ebene geht es der Markierung 20B folgend Richtung Bivacco della Chiesa über Schuttfelder am Fuße des Großen Lagazuoi zum Torre Buffa. Rechts von uns gen Himmel strebende Wände, links unten der grün schimmernde Lago di Lagazuoi. Eine Gams schaut uns nach. Einfach nur: "Wow!"
Das Biwack bedarf eines Neubaus
Über einen Steig aus Holzbohlen erreichen wir eine Geländeschulter, auf der sich das Bivacco della Chiesa befindet. Befand, muss man sagen, denn die Biwakschachtel ist bei unserem Besuch ein verbeulter und verkohlter Haufen Blech. Trotzdem ist das hier oben ein herrlicher Platz zum Rasten.
Ganz in der Nähe beginnt die Via Ferrata Cesco Tomaselli, ein Klassiker unter den Klettersteigen der Dolomiten. Krass, wie die Leitern in der senkrechten Wand der südlichen Fanissspitze hängen. Nur für Könner!
Es ist einsam hier oben
Wir folgen weiter dem Weg 20B zur Forcella Grande, dem Joch zwischen Großem Lagazuoi und Fanisspitzen. Es ist ein einziges Felsenlabyrinth hier oben - das wir ganz für uns alleine haben.
Nach der Überquerung zweier weiterer Scharten wechseln wir auf den Weg 402, der zwischen dem Cima Falzarego und dem Kleinen Lagazuoi abwärts zur Passstraße führt. Der Abstieg zu Fuß ist mir sehr viel lieber, als noch einmal in die Seilbahn zu steigen.
Wir kommen am Abzweig zum erwähnten Stollentunnel vorbei und erreichen schließlich nach zahlreichen Kehren durch Schuttfelder und Wiesen den Parkplatz an der Seilbahnstation. Es gibt keine zwei Meinungen: Das war eine der schönsten Wanderungen, die wir je unternommen haben!
Nützliche Links
outdooractive.com - Details und Karten zur Wanderung
dolomitisuperski - Tourismuswebsite von Cortina
suedtirolerland.it - die verschiedenen Regionen der südtiroler Dolomiten im Überblick
Südtirol Mobil - Fahrplansuche für Bus und Bahn