Valparolapass

RUND UM CORTINA D'AMPEZZO

3. Okt 2021

FRONTLINIE VALPAROLAPASS


Egal wo in den Dolomiten man unterwegs ist, überall wird an den Grande Guerra, den Großen Krieg erinnert. Damit ist natürlich der Erste Weltkrieg gemeint, der sich hier ins kollektive Bewusstsein eingebrannt hat, zumal er die Teilung Tirols zur Folge hatte. Einer der eindrücklichsten Orte, der die Geschichte des Dolomitenkrieges erzählt, ist das Forte Tre Sassi am Valparolapass. Das kleine Kriegsmuseum lohnt ebenso einen Besuch, wie die gut erhaltenen Stellungen am Fuße des Kleinen Lagazuoi.


Es ist ein wolkenverhangener, nasskalter Tag, an dem wir von St. Kassian aus auf die Passhöhe fahren. Unser eigentlicher Plan ist, vom Parkplatz an der Lagazuoi-Seilbahn zur Croda Negra zu wandern. Aber wo die Wolken sämtliche Gipfel verhüllen und es nach wenigen Minuten auf dem Pfad anfängt zu nieseln, brechen wir dieses Vorhaben ab. Ein Alternativprogramm muss her! Da bietet sich der Besuch des Museo della Grand Guerra in der ehemaligen Festung gleich an der Straße zwischen Falzarego- und Valparolapass an. Dran vorbei gefahren sind wir schon einige Male. Wenn nicht jetzt, wann dann?


Als erstes wollen wir uns aber in den alten Stellungen auf dem Plateau unterhalb der Festung Tre Sassi umsehen. Die war schon nach wenigen Kriegswochen und einigen Artillerietreffern nicht mehr zu gebrauchen. Deshalb richteten sich die Österreicher hier in der "Edelweiß-Stellung" in Schützengräben, Bunkern und Kasematten ein. Drei italienische Offensiven konnten abgewehrt werden. Die Soldaten sorgten auch dafür, dass in der Festung oben nachts immer das Licht brannte, um die Gegner im Glauben zu lassen, die wäre weiter besetzt.


Edelweiß wohin man tritt


Natürlich hat die Natur längst die alten Mauern und Kavernen zurückerobert, aber es lässt sich durch einige, teilweise mit Holzwänden gestützte Gräben laufen. Vom vordersten Graben aus bietet sich ein herrlicher Ausblick auf die zum Glück in unserer Zeit so friedliche Bergwelt. Und die Stellung trug ihren Namen nicht zu unrecht. Noch nie haben wir so viel Edelweiß gesehen.

 

Eine Familiengeschichte


Die Existenz des Museums ist der Ampezzaner Familie Lancedelli zu verdanken. Rolando Lancedelli hatte sich schon als Schüler ein Zubrot verdient, indem er die Schlachtfelder nach Altmetall, Munitionsresten, aber auch nach noch nicht geborgenen Leichen absuchte - eine der wenigen Verdienstmöglichkeiten in dem noch Jahrzehnte nach Ende des Krieges von dessen Spuren gezeichneten und von großer Not geprägten Region.


Nach der Rückkehr aus dem Zweiten Weltkrieg - die Wehrmacht hatte ihn angeworben und an die Ostfront geschickt - baute er sich in den 50er Jahren eine Existenz als Gastronom und Skilehrer auf. Bei Bauarbeiten stieß er auf seltsame Steine - Fossilien. Seine Sammelleidenschaft war erneut geweckt. Nun suchte er die selben Ecken, in denen er früher Kriegsrelikte geborgen hatte, nach versteinerten Urzeit-Haien, Korallen und Kopffüßern ab. Lancedellis bedeutendste Funde landeten bald in den paläontologischen Museen Norditaliens. Sogar eine Muschelart wurde nach ihm benannt - die Dicerocardium Lancedelli.


Die beiden Söhne traten in die Fußstapfen des Vaters, nur dass sie sich wiederum mehr für die Überbleibsel des Krieges interessierten. Das von ihnen geborgene Material füllte irgendwann ganze Räume, dazu sammelten sie Tagebücher und Briefe der Soldaten, führten Zeitzeugengespräche.


Das Museum gibt es seit 2003


Über die Jahre und nach mehreren Wanderausstellungen entstand die Idee, die Familiensammlung in einem Museum der Öffentlichkeit zu präsentieren. Das eröffnete schließlich am 12. August 2003 in der restaurierten Festung Tre Sassi. Uniformen und Ausrüstungsgegenstände, Waffen und Geschosse, Fotos und Tagebücher, insgesamt über 2.000 historische Objekte geben einen Einblick in die Hölle, in die sich diese wunderschönen Bergen zwischen 1915 und 1918 verwandelten. Viel mehr als eine Stunde muss man sich dafür aber nicht Zeit nehmen.  


Graben in der Edelweiß-Stellung
Mit Holz gestützter Laufgraben
Blick Richtung Cortina d'Ampezzo
Bergwelt
Edelweiß
Der Enzian hält die Blüten geschlossen
Grabenmauer
Kaverne
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Abstecher auf den Hexenstein?


Gleich hinter dem Museum erhebt sich der 2.477 Meter hohe Hexenstein, der Sasso di Stria. Er wurde von den Österreichern zum Dreh- und Angelpunkt der Verteidigung des Valparolapasses ausgebaut. Die Sektion Treviso des italienischen Alpenvereins hat das Gewirr von Schützengräben und Stellungen in den letzten Jahren restauriert und für Wandernde und Kletterbegeisterte zugänglich gemacht. Bei schönem Wetter soll man vom Gipfel einen herrlichen Blick ins Tal von Cortina d'Ampezzo zur einen und das Gadertal zur anderen Seite haben, auf die Fanis-Gruppe, das Dreigestirn der Tofane, auf Sella, Marmolata und Puez. Heute allerdings nicht, deshalb verschieben wir die Besteigung auf wann anders.


Nützliche Links

dolomitisuperski - Tourismuswebsite von Cortina

suedtirolerland.it - die verschiedenen Regionen der südtiroler Dolomiten im Überblick

Südtirol Mobil - Fahrplansuche für Bus und Bahn