Do, 6. Aug 2015
Mit dem Verlassen des Meraner Höhenwegs geht es auf die Zielgerade des Abenteuers Alpenüberquerung. Eine spontan beschlossene Ersteigung des Großen Ifingers bedeutet noch einmal eine Herausforderung.
Die Nacht im Hochganghaus verläuft viel ruhiger als man beim Zubettgehen gestern Abend hatte befürchten müssen. Es hat auch niemand Zahnpasta an die Türklinke geschmiert. Ich nehme den Vergleich mit der Klassenfahrt also zurück. Bestens geschlafen habe ich, nur die dicke Bettdecke war zuviel des Guten.
Das Programm für heute ist auf dem Papier einigermaßen unsportlich: Wanderung zur Seilbahnstation Hochmuth, Hinabschweben ins Dorf Tirol, Spaziergang nach und durch Meran, Hinaufschweben zur Bergstation Piffing, Wanderung zur Hütte. Klingt nach Schonzeit. Aber schauen wir mal, wie uns die Hitze zusetzen wird.
Unser letzter Gang auf dem Meraner Höhenweg ist sehr gemütlich und führt über schattige Waldwege, die wir uns mit doch recht zahlreichen anderen Wanderern und einer kleinen Ziegenherde teilen müssen. Am Gasthof Hochmuth verlassen wir dann die Texelgruppe und fahren mit erwähnter Seilbahn runter ins unglaublich touristische Dorf Tirol.
Nur kurz schnuppern wir Stadtluft
Kaum in urbaner Umgebung, versprengt's die Gruppe in alle Himmelsrichtungen. Die einen wollen an den Geldautomaten, die anderen Obst kaufen und wieder andere ein Eis. Darauf einigen wir uns schließlich und kehren in eine Milchbar ein. 11 Uhr - da kann man schon mal ein Eis oder Erdbeeren mit Sahne essen, kein Problem.
In vor Hitze flirrender Luft laufen wir dann nach Meran. Im Stadtzentrum angekommen macht Martin einen tollen Vorschlag: In einer Stunde treffen wir uns, fahren schon mal mit der Seilbahn voraus und wandern auf den Ifinger, den Hausberg von Meran. Ich bin dabei!
Eine kurze Runde durch das wirklich hübsche, schon ziemlich mediterran anmutende Städtchen gedreht, dabei in der Gelateria Sabine köstliches Eis erstanden, noch ein bisschen Proviant im Supermarkt gekauft - pünktlich um 13:10 Uhr bin ich am vereinbarten Treffpunkt. Außer Martin und mir haben noch Max, Heinz, Edgar und Jörg Lust auf einen letzten Gipfelsturm. Gute Truppe - los geht's!
Wir nehmen den Bus zur Talstation der Bergbahn Meran 2000. Die passenden Fahrscheine zu ziehen, ist gar nicht so einfach, denn für den Automaten im Bus benötigt man passendes Kleingeld. Um 14 Uhr sind wir in einer Gondel so groß wie ein Reisebus auf dem Weg aus dem Glutofen Meran. Auf 1.900 Metern hat es zwar immernoch 30 Grad, die fühlen sich aber gleich viel angenehmer an.
Anspruchsvolle Kletterei am Ifinger
Die Rucksäcke, respektive deren schwerste Inhalte, deponieren wir hinter Gebüsch am Wegesrand, dann steigen wir über einen Grashang zum Grat, der zwischen dem Großen Ifinger und der Kuhleitenhütte verläuft. Dass die etwas abseits liegende Hütte die Fahne gehisst hat und damit anzeigt, geöffnet zu sein, merken wir uns für später. Die ganze Zeit schon fragen wir uns aber, wie genau denn der Weg zum Gipfel verläuft, denn zu erkennen ist da oben nichts außer Fels. Die logische Antwort lautet: Über den Fels.
Die Querung einer Flanke am Drahtseil sorgt für einen ersten Adrenalinkitzel. Ebenfalls mittels Versicherung geht es über einen schmalen Grat und dann an dicken Nylontauen eine fast senkrechte Wand hinauf. Ui, das ist jetzt richtig Bergsteigen. Klasse! Einzig Edgar erkennt hier seine Grenzen und hat den Respekt der anderen für seine Entscheidung, nicht bis zum Gipfel zu gehen. Ich habe solche Entscheidungen auch schon mehr als einmal getroffen, wenn ich mich am Berg unsicher gefühlt habe. Es ist das einzig Richtige.
Um 16:10 Uhr stehen wir oben auf 2.581 Metern. Der 360-Grad-Rundumblick vom Ifinger ist sagenhaft. Das Gipfelglück wird einzig von den offenbar ausgerechnet unter dem Kreuz nistenden Flugameisen getrübt, die über uns herfallen. So halten wir es hier nur zehn Minuten lang aus und machen uns rasch wieder an den Abstieg. Der dürfte ja kaum weniger kompliziert sein als der Weg hinauf.
Aber wie das so ist: Wo man rauf kommt, kommt man auch runter. Es geht dann schon auf 17 Uhr zu und Martin hat etwas Sorge, wir könnten es nicht rechtzeitig zum Abendessen zur Meraner Hütte schaffen. Wir überzeugen ihn davon, dass ein Radler an der Kuhleitenhütte jawohl noch drin sein muss. Dort kommen wir sogar sehr nett mit dem Besitzer ins Gespräch, der selbst bis vor ein paar Jahren Pächter der Meraner Hütte war, dann die ehemalige Liftstation kaufte und nun sommers wie winters gut vom Geschäft mit durstigen Wanderern und Skitourengehern lebt.
In Rekordtempo zur letzten Hütte der Tour
Die Zeit für diese Pause holen wir mit einer Runde Speed Hiking wieder rein. Mit einem Affenzahn geht es in kleinen Trippelschritten und mit großzügigem Setzen der Stöcke den Hang runter zum Versteck der Rucksäcke. Kann man mal machen mit dieser kleinen Gruppe fitter Wanderer. Sollte man nicht jeden Tag tun. Martin grinst zufrieden.
Das letzte Stück bis zur Meraner Hütte ist schließlich ein Klacks, viertel nach sechs stehen wir dort auf der Matte. Dirk hat für uns, Edgar, Heinz und Max ein Sechserzimmer klargemacht, das passt. Ich hüpfe schnell unter die Dusche, wasche fix noch ein paar verschwitzte Klamotten, damit die während des Abendessens auf der Leine trocknen können, dann ist's auch schon Zeit für das sehr leckere und sattmachende Menü in der Gaststube.
Auf ein letztes Getränk setzen wir uns nach dem Essen nochmal raus, um die herrliche Abendstimmung auf den Almen rund um die Meraner Hütte zu genießen. Hier oben sind wir weit entfernt von der Hektik und der Hitze der Stadt.