So, May 19, 2013
Heute auf der To-Do-Liste: der Humboldt Redwoods State Park und eine Fahrt durch den abgelegensten Teil der gesamten kalifornischen Küste. "Off the beaten track" sozusagen.
Auf Reisen kann ich mich ja immer für skurrile geschichtliche Ereignisse oder sonstige seltsame Eigenheiten des besuchten Ortes begeistern. Garberville macht da keine Ausnahme. BBC News hat das Städtchen mal "the marijuana heartland of the US" genannt. Das ist nicht übertrieben, denn es gibt hier sogar ein Cannabis College. Richtig gelesen. Dazu muss man freilich wissen, dass Marijuana in Kalifornien gegen Rezept legal verkauft wird - und Rezepte werden durchaus großzügig ausgestellt, denn Marijuana hilft ja so ziemlich gegen alles. Klar, dass man in den Hemp Shops nicht irgendwelchen gestreckten Mist verkauft, das Marijuana-Business ist hier eine professionell betriebene Industrie.
Garberville ist eine Kiffer-Hochburg
Allerdings ließen sich in den ausgedehnten Wäldern auch schon gut größere Plantagen verstecken als die Droge noch illegal war. Das wussten die Hippies zu schätzen, die ihren alternativen Lebensstil vor Jahrzehnten mit in die Gegend brachten. Nordkalifornien gilt also seit je her als Kiffer-Hochburg. Lustig ist auch, dass die Anhalter, die man hier an jeder Freeway-Auffahrt stehen sieht, rein optisch wirklich jedem Klischee entsprechen, das man über Marijuana rauchende Hinterwäldler pflegen kann.
Ich gebe allerdings zu, dass wir gar nicht viel von Garberville oder der Kiffer-Szene mitbekommen. Von dem würzigen Geruch, der bei der Ankunft gestern in unserem Zimmer hing, vielleicht mal abgesehen. Könnte aber auch das Raumspray des Zimmermädchens gewesen sein. Kiefernnadeln. Harz. Oder doch die Biker von nebenan. Die Hauptstraße durch den Ort ist jedenfalls ganz nett, das Best Western steht aber direkt an deren Anfang und man ist schnell wieder auf der 101 und zwei Ausfahrten weiter im Humboldt Redwoods State Park, der der eigentliche Grund für unseren Aufenthalt hier ist. Mitten hindurch führt die 32 Meilen lange Avenue of the Giants, ein alter Abschnitt der 101, die in den 1950ern als moderner Freeway parallel zur ursprünglichen Straßenführung neu durch das Tal des Eel River gebaut wurde.
Unter Baumgiganten
Entlang der Avenue of the Giants befinden sich allerlei Trailheads, einige Campingplätze und das Besucherzentrum des Parks. Einen dort seinen Freiwilligendienst verrichtenden älteren Herrn frage ich, ob man den Bull Creek Flats Trail als Rundweg wandern kann. Dabei soll man durch die schönsten Redwood-Wäler des Parks kommen, allerdings muss man zwei Mal den Fluss queren und Brücken werden wohl nur für die Sommersaison aufgebaut. Da die noch nicht an ihrem Platz seien, wäre diese Wanderung nicht möglich, wir könnten aber einfach vom Rockefeller Grove auf einer Seite des Bull Creek entlangwandern, ist die Auskunft. Schauen wir uns das mal an.
Vor dem Rockefeller Grove statten wir aber noch dem Founders' Grove einen Besuch ab. Der heißt so, weil hier der Founders Tree steht, ein über 105 Meter hoher Riese, der an die Gründer der Save The Redwoods League erinnert. Hier liegt auch der Dyerville Giant, der 1991 nach 1.600 Jahren umfiel und damals mit über 113 Metern als höchster Redwood überhaupt galt. Mittlerweile hat man drei noch größere Exemplare im Humboldt State Park vermessen. So einen auf dem Boden liegenden Stamm der Länge nach abzugehen, verdeutlicht einem sehr anschaulich die enormen Maße dieser Mammutbäume. Übrigens sah niemand den Dyerville Giant fallen, aber der Aufschlag war so gewaltig, dass Bewohner der Region dachten, es hätte ein Zugunglück gegeben. Wir haben ja auf der gestrigen Wanderung irgendwo im Wald einen Baum umfallen gehört. Da bebte die Erde.
Tatsächlich noch faszinierender ist dann der Rockefeller Grove, ein Wald wie aus einem Märchen. Hier kann man die Baumriesen in ihrer ganzen Pracht erfassen, denn außer Redwoods wachsen in dem Auwald an der Mündung des Bull Creek in den Eel River keine anderen Bäume, lediglich Farne und Klee bedecken den Boden. Ich verstehe jetzt, warum diese Wälder immer mit Kathedralen verglichen werden. Wie Säulen wachsen die Stämme in den Himmel. John D. Rockefeller spendierte der Save The Redwoods League in den 1920er Jahren eine Million Dollar, um der Pacific Lumber Company das Urwald-Gebiet abzukaufen. Der war es egal, womit sie ihr Geld verdiente, die Holzfirma verkaufte gerne an die Naturschützer und wartete sogar ein paar Monate, bis diese genügend Spenden zusammengekratzt hatten.
Wir spazieren am nördlichen Ufer des Bull Creek entlang und sehen dabei, dass der Bach so wenig Wasser führt, dass wir ihn locker gequert bekommen würden. Leider habe ich den Rucksack im Auto gelassen und ganz ohne Verpflegung wollen wir uns nicht an die mindestens acht Meilen lange Wanderung machen. Also verschieben wir das Ganze auf morgen und beschließen damit auch, noch eine Nacht in Garberville dranzuhängen. Die nächsten Tage hatte ich in der Reiseplanung offengelassen.
Fahrt durch ein abgelegenes Stück Kalifornien
Statt einer längeren Wanderung unternehmen wir nun eine längere Autofahrt. Der Loast Coast Scenic Drive führt aus den Redwood-Wäldern über die Berge der King Range in das abgeschiedene Mattole Valley. Außer der holprigen Straße und ein paar verstreut liegenden Farmen gibt es hier nichts, was auf Zivilisation hindeuten würde. Wobei: Auf dem Weg kommen wir durch Petrolia. Hier wurde die allererste Ölquelle Kaliforniens angezapft. 1865 war das. Das Erdöl war allerdings bald erschöpft, heute besteht der Ort nur noch aus wenigen Häusern. Ein bisschen erinnert die Landschaft ans Allgäu. Bis wir auf einmal den Pazifik vor uns haben. Wow, ist das schön! Vor allem, wo entlang der Straße alle möglichen Blumen blühen. Allerdings weht ein derartiger Sturm, dass man kaum die Autotür aufbekommt.
Für sechs Meilen führt die Straße direkt am Meer entlang, ansonsten ist das hier am Cape Mendocino die größte unentwickelte Küstengegend der kontinentalen Vereinigten Staaten. Schließlich fahren wir eine aberwitzig steile Rampe hoch zurück in die Berge. Mittlerweile kommen uns auch ab und zu mal ein paar Autos entgegen. Da muss man etwas aufpassen, denn die Straße ist sehr schmal und extrem kurvig. Auch einen schwatten Bullen haben wir einmal vor dem Kühlergrill.
In Ferndale ist alles in Butter
Am frühen Nachmittag kommen wir in Ferndale raus, "the prettiest painted place in the Northwest". Der ganze Ort ist eine California Historical Landmark, denn in Ferndale stehen zahlreiche prächtige viktorianische Holzhäuser, die "Butterfat Palaces". Reich wurde der Ort Ende des 19. Jahrhunderts durch die Milchwirtschaft. Die Weiden in der Nähe der Mündung des Eel River waren satt, die Kühe glücklich. So hat Ferndale auch den Beinamen "Cream City" - Sahnestadt. Wir halten vor einem Schokoladengeschäft, versorgen uns mit Pralinen und Cappuccino und schlendern durch die wirklich sehr sehenswerte Ortsmitte. Small-town America in Perfektion.
Ferndale ist nur ein paar Minuten von der 101 entfernt und so sind wir auf der bald wieder unterwegs Richtung Garberville, wobei wir bei erstbester Gelegenheit auf die Avenue of the Giants wechseln. Von der 101 lässt die sich an mehreren Ausfahrten erreichen. Zurück im Hotel gehe ich ein bisschen im Pool planschen, dann schauen wir bei der netterweise kostenlos angebotenen Weinprobe im Frühstücksraum vorbei. Käse und Cracker gibt es auch dazu, damit können wir uns das Abendessen sparen. Nach zwei Runden bis an den Rand gefüllter Gläser Wein haben wir nichts mehr vor und lassen den Tag entspannt ausklingen.
Gefahren: 152 Meilen / 245 Kilometer
Hotel: Best Western Plus Humboldt House Inn, Garberville - 122 USD via Priceline
Nützliche Links:
Garberville Visitor's Guide- die örtliche Handelskammer hat Besucherinfos
Redwood National und State Parks - ein Netz aus Parks schützt die Bäume
Redwood Hikes - alle lohnenswerten Wanderungen unter hohen Bäumen
My Scenic Drives - Reisen auf dem Redwood Highway