Fr, 21. Februar 2025
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Heute verlegen wir unsere Basis auf die andere Seite der Insel, von Güímar nach Icod de los Vinos. Auf dem Weg wollen wir noch zwei Points of Interest im Süden besuchen – ein Naturwunder und einen Lost Place.
Zum dritten Mal parken wir unser Auto in San Miguel de Tajao. Diesmal sind wir aber nicht zum Fischessen hier, sondern um zum Arco de Tajao zu wandern. Man könnte den Felsbogen auch einfach von einem Parkplatz in der Nähe der Autobahnausfahrt aus erkunden, aber wir wollen uns ihm lieber von unten durch einen Barranco nähern.
Hinter dem Hafenbecken erhebt sich eine sonderbar geformte Felsklippe aus glatt geschliffenem Bimsstein. Über die geht es drüber und dann in den Barranco de Bijagua. Entlang des Wegen gibt es einige Informationstafeln mit Wissenswertem über das Leben der Guanchen, der Ureinwohner Teneriffas. Die wussten zum Beispiel, dass im Boden eines Barrancos eine wasserundurchlässige Gesteinsschicht sein muss, weshalb sie dort gerne Brunnen anlegten. An den Resten eines solchen kommen wir vorbei.
Leicht erreichbares Ziel
Die Schlucht wird immer enger und schließlich endet der Weg vor einer hohen Felsstufe. Haben wir wohl mal wieder den Ausstieg verpasst… Tatsächlich führt ein paar Meter zurück ein Pfad zum Rand des Barrancos. Auf der anderen Seite können wir den Arco schon sehen. Um den zu erreichen, muss man nochmal absteigen, dann sind wir am Ziel.
Auch dieser Bogen ist beeindruckend, wenn auch nicht so groß wie der vor ein paar Tagen von uns besuchte Arco del Jurado. Etwa 10 Meter beträgt seine Höhe, 30 Meter die Spannweite. Ein bisschen Geduld muss man mitbringen, wenn man den Arco ohne Menschen im Bild fotografieren will. Aber auch wenn die Zahl der Autos oben am Parkplatz anderes hätte vermuten lassen, hält sich der Andrang in Grenzen. Auf dem Rückweg bleiben wir nun auf der rechten Seite des Canyons und sind nach insgesamt einer Stunde zurück in San Miguel de Tajao.
Futuristischer Schrott in der Wüste
Weiter nach El Médano. Die Bucht in der Nähe des Flughafens ist vor allem bei Windsurfern beliebt, wir sind hier aber auf der Suche nach einem Lost Place - den Resten des Laboratorio de Energía Solar Termoeléctrica. Mittels eines an drei Stahltürmen aufgehängten 26 Meter großen Parabolspiegels sollte hier Sonnenenergie gebündelt und als Methanol gespeichert werden. Leider hatte man versäumt, für die Versuchsanlage eine Genehmigung einzuholen.
Nur ein Jahr nach Beginn der Errichtung hörten die Bauarbeiten im Jahr 2009 auf und das Gelände wurde verlassen. Seitdem rostet die riesige Schüssel vor sich hin, gibt aber immerhin ein spannendes Fotomotiv ab.
Um die Mittagszeit machen wir uns schließlich auf die Fahrt nach Icod de los Vinos. Bis zu einem Kreisel kurz vor Santiago del Teide reicht die Autobahn TF-1, dann geht es auf kurvigen Landstraßen durch die Berge und kleine Ortschaften. Zwischendurch haben wir einen tollen Ausblick auf den Teide, aber als wir auf der Nordseite der Insel ankommen, fahren wir unter eine dichte Wolkendecke. Schade.
Im Parkhaus ist immer Weihnachten
Vom Hotel hatte ich die Empfehlung bekommen, direkt in das Parkhaus Del Drago zu fahren, ein paar Minuten Fußweg vom Hotel entfernt. Wir können kaum glauben, was wir in der Tiefgarage sehen. Hier sind mehrere Weihnachtskrippen aufgebaut, komplett mit lebensgroßen Figuren, blinkenden Lichtern und allem, was dazugehört. Mein erster Gedanke ist, dass die hier vielleicht gelagert werden, aber es gibt eigens Absperrungen, so dass man die Krippen bewundern kann, ohne dass einem ein Auto über die Füße fährt. Etwas kurioseres habe ich noch nie in einem Parkhaus gesehen.
Die Route zum Hotel führt einen langen Treppenweg hinauf – ziemlich unpraktisch, wenn man, wie Conny, mit einem Rollkoffer unterwegs ist. Der rattert dann auch noch schön über das Kopfsteinpflaster der Altstadt, bis wir vor einem großen Holztor stehen. Auf unser Klopfen reagiert niemand. Seltsam. Ich hatte das Hotel gestern über unsere ungefähre Ankunftszeit informiert und die Antwort erhalten, dass wir da gerne einchecken könnten. Also rufen wir an und geben Bescheid, dass wir vor der Tür stehen. Ein Gast mit Schlüssel nimmt uns schon mal mit in den schönen Innenhof.
Die Rezeptionistin hat zwei Jobs
Nach ein paar Minuten kommt eine junge Frau an, ganz außer Atem. Sie entschuldigt sich vielmals, arbeitet sie doch jetzt eigentlich im Bananenmuseum (ja, wirklich: Icod de los Vinos hat ein Bananenmuseum, das Casa del Platano), das 10 Minuten vom Hotel entfernt ist. Seltsames Job-Sharing, aber gut. Sie ist supernett, zeigt uns alles und nimmt sich sogar die Zeit, die Dusche im Badezimmer zu erklären. Die Armaturen hier scheinen öfter für Verwirrung zu sorgen.
Das Hotel Emblemático San Agustín gefällt uns auf Anhieb. Man fühlt sich wie in einer ruhigen Oase mitten in der Altstadt. Zwei Jahre hat die Renovierung des Gebäudes gedauert, das 1736 als großbürgerliches Wohnhaus errichtet worden war. Fotos auf der Website des Hotels vermitteln einen Eindruck davon, wie heruntergekommen das Ganze einmal war. Nur acht Zimmer hat das Hotel, die sich alle im ersten Stockwerk um den Innenhof gruppieren. Dort plätschert ein Brunnen mit Goldfischen, gibt es eine Bar, an der man sich mit Kaffee, Wein und Muffins versorgen kann. Sehr nett.
Der berühmteste Lost Place der Nordküste
Für den Nachmittag haben wir noch ein bisschen Besichtigungsprogramm, wir wollen zur Casa Hamilton. Auch dabei handelt es sich um einen Lost Place, eine fotogen über dem Meer thronende Industrieruine. Die erreicht man auf einem schön angelegten Spazierweg entlang der Küste zwischen dem Aussichtspunkt Mirador San Pedro und Puerto de la Cruz. Einen Parkplatz zu finden, ist allerdings eine Herausforderung. Wir quetschen unseren Hyundai in die allerhinterste Ecke der Zufahrt zum Restaurant San Pedro.
Es ist wirklich bedauerlich, dass der Himmel so wolkenverhangen ist. Kaum zu glauben, wie anders das Wetter heute Morgen im Süden noch war. Im Gegensatz zu den bisher von uns erkundeten Lost Places bräuchte es nun einiges an krimineller Energie, um in die Casa Hamilton einzudringen. Alle möglichen Zugänge sind unmissverständlich gut abgeriegelt.
So bleibt uns nur der Blick von oben auf das mehrstöckige ehemalige Pumpenhaus, von dem aus Anfang des 20. Jahrhunderts frisches Quellwasser zu Bananenplantagen im Orotava-Tal befördert wurde. Auch Teneriffas erste Dampfmaschine gehörte zum Komplex, von dem nur die ehemalige Arbeiterunterkunft renoviert wurde. Sie steht direkt oben am Weg. Das moderne Pumpenhaus, mit dem heutzutage unten im Tal Trinkwasser gewonnen wird, ist architektonisch eher unbedeutend.
Thema Wasser schon immer schwierig auf Teneriffa
Aber apropos Wasserversorgung: Teneriffa fabrizierte letzten Sommer mal wieder europaweit Schlagzeilen, als mitten in der Hauptsaison Strände gesperrt werden mussten, damit die Urlaubenden nicht buchstäblich in ihrer eigenen Scheiße schwimmen würden. Die Kanareninseln sind chronisch unterversorgt mit Kläranlagen. Ein großer Teil des Abwassers wird einfach in den Atlantik geleitet, allein auf Teneriffa gibt es wohl an die 200 (!) Rohrleitungen ins Meer. Seit Jahren zahlen die Kanaren deshalb Strafen in Millionenhöhe an die EU, längst wurde die spanische Regierung vor dem Europäischen Gerichtshof verklagt. Auf Teneriffa sollte man daher die Meldungen über die Wasserqualität im Auge behalten, bevor man sich ins Meer wagt. So gab es auch in den letzten Tagen einige Berichte über unappetitliches Treibgut, vor allem im Norden der Insel. Ein Blick auf die Wellenkämme hier reicht schon aus, um die Problematik zu erkennen. Nein, das sind keine Algen.
Zurück im Hotel nehmen wir uns die Liste mit Restaurant-Empfehlungen vor, die an der Rezeption ausliegt. Unsere Wahl fällt auf das La Parada Casa de Comidas. Das macht um 19 Uhr auf, da können wir vorher noch eine kleine Runde durch die Stadtmitte drehen.
Wie alt wird eigentlich ein Drachenbaum?
Bekannt ist Icod de los Vinos vor allem für El Drago Milenario, einen angeblich 1.000 Jahre alten Drachenbaum. Der ist zwar in der Tat ganz schön beeindruckend mit seinem Gewirr aus hunderten von Ästen und auf jeden Fall der größte und älteste Drachenbaum überhaupt, aber wohl eher 400 als 1.000 Jahre alt. Dann wäre er erst nach der Gründung der Stadt durch spanische Konquistadoren aus der Erde gekommen.
Um den Baum wurde ein botanischer Garten angelegt, der 5 Euro Eintritt kostet. Völlig kostenlos ist der Blick auf El Drago vom erhöhten Platz um die Iglesia de San Marcos aus.
Gleich neben der Kirche laufen die letzten Vorbereitungen für die abendliche Proklamation des Karnevals.
Die Karnevalsfeierlichkeiten auf Teneriffa verteilen sich über mehrere Wochen und jede Stadt scheint irgendwie anders zu feiern. So einen Ausnahmezustand wie bei uns daheim nächste Woche löst das Ganze hier aber offenkundig nicht aus. Unvergessen, wie wir einmal auf der Flucht vor der Fastnacht nach Mallorca feststellen mussten, dass ausgerechnet auf dem Dorfplatz vor unserem Hotel in Lloseta das Wochenende über Karneval gefeiert wurde.
Kanarische Hausmannskost
Wir sind nicht die ersten Gäste im La Parada, bekommen dennoch gleich einen Tisch im überdachten Innenhof, der sich in der nächsten halben Stunde komplett füllt. Gut, dass wir so früh da waren.
Die Essensauswahl ist typisch kanarisch – soweit wir das beurteilen können. Statt Mojo gibt es eine scharfe Chorizo-Streichwurst zum Brot gereicht, die vom Kellner angezündet wird. Ja, richtig gelesen, die Wurst wird angezündet. Das riecht ziemlich lecker und gibt der Chorizo noch ein bisschen Rauch-Aroma extra. Also nicht ganz unnütz. Die Mojo kommt dann aber mit dem gegrillten Käse, den ich als Vorspeise bestelle, dazu Honig. Den finde ich am geilsten. Conny hat Ziege zum Hauptgang, eine relativ knochige Angelegenheit. Meine gegrillten Sardinen könnte ich mit Kopf und Gräten essen, entscheide mich dann aber doch fürs Filetieren. Dazu gibt es Papas Arrugadas – Runzelkartoffeln. Einfaches Essen, keine kulinarische Offenbarung, aber nicht schlecht.
Eigentlich hätten wir uns einen Teller Serranoschinken gönnen sollen. Der Typ, der den anrichtet, ist der Star des Restaurants. Mit seinem großen Hut und dem weiten Sakko sieht er aus wie Jim Carrey in “Die Maske”. Den ganzen Abend säbelt er an einem Schinken und drapiert sorgfältig Scheibe um Scheibe auf den Tellern. Zwischendurch gibt er Kindern, die fragen, ein Stückchen ab oder er verschwindet kurz hinter der Bar, um einen Cocktail zu mixen. Cooler Job!
Unterkunft: Hotel Emblématico San Augustin, Icod de los Vinos
Nützliche Links:
Tenerife weckt Emotionen - offizielle Tourismus-Website
Teneriffa News - alles, was man über Teneriffa wissen muss
Kekse & Koffer - netter Blog über die Kanaren