2022 New England Day 13
Zealand Trail, White Mountains, New Hampshire

Sa, 15. Oktober 2022

IM WILDEN HERZEN DER WHITES

Über mehr als 15 Kilometer soll es auf dem Zealand Trail tief in die White Mountains gehen – die längste Wanderung des Urlaubs.      


Das Breakfast Buffet ist schon arg geplündert als wir gegen 8 Uhr vorbeischauen. Offenbar war die Tourbus-Crowd früh auf. Es ist aber auch nicht so, dass hier irgendwelche Hotelangestellten hin und her flitzen würden, um die Schalen und Kaffeekannen aufzufüllen. Wir suchen uns ein paar Happen zusammen. Irgendwann taucht dann auch tatsächlich frischer Kaffee auf. Da nehme ich mir noch einen Becher für die Fahrt mit. Etwa eine Stunde dürften wir benötigen bis zum Trailhead der von mir im Wanderführer "100 Classic Hikes in New England" gefundenen Tour. Der verspricht "inspiring scenes within boulder-strewn Zealand Notch and breathtaking views atop the precipitous Zeacliff".


Hiker's Paradise Crawford Notch


Wir fahren auf der 302 am Skigebiet am Attitash Mountain vorbei in den Crawford Notch State Park. Je höher wir kommen, desto kahler sind die Bäume. Wir haben schon auf früheren Reisen die Erfahrung gemacht, dass Mitte Oktober zu spät ist, um in den höheren Lagen der White Mountains die Peak Foliage zu erwischen. Die Tallagen leuchten dafür in Gelb und Orange. Unerwartet sind die Wolken, die tief in der Crawford Notch hängen. Richtig dicke Suppe rund um die Highland Center Lodge des Appalachian Mountain Club am Sacco Lake, wo sich trotzdem Horden von Besuchern für eine Wanderung bereit machen. Also für so ein Wetter sind wir eigentlich nicht hergekommen ...


Ein paar Kilometer weiter sieht es zum Glück besser aus. Kurz hinter Bretton Woods biegen wir links ab, queren auf einer Brücke den Ammonoosuc River und folgen der ungeteerten Zealand Road in den Wald. Nach 3,5 Meilen endet die Straße an einem Parkplatz, Trailhead für den Zealand Trail. Man muss hier für einen Recreational Pass zahlen, steckt dazu 5 Dollar in einen Umschlag, auf dem man Datum und Kennzeichen notiert (außer man hat keinen Kugelschreiber dabei), und den in einen Briefkasten. Die Quittung kommt hinter die Windschutzscheibe.


Reichlich Wasser im Wald


Um viertel vor zehn ziehen wir los. Der Weg ist total verschlammt – zumindest an den Stellen, wo er sich nicht in ein Fließgewässer verwandelt hat. Überall gluckert Wasser, die Bäche sind randvoll. Gar nicht mal so unanstrengend, wenn man ständig genau schauen muss, wo man hintritt. Es ist schwierig, da in einen Rhythmus zu kommen. Eine Jugendgruppe kommt uns entgegen. Die Kids waten durch eine tiefe Pfütze, die sich eigentlich leicht umgehen lässt. Wäre jetzt auch schon egal, meinen sie. Der Wald lichtet sich, wo Biber den Zealand River zu einer Seenplatte gestaut haben. Wunderschön hier! 


Nach einer Stunde kommen wir an eine Weggabelung. Hier stoßen wir auf den Appalachian Trail und folgen ihm nach rechts. Ein steiniger Pfad führt parallel zu einem Wasserfall zur Zealand Falls Hut, einer vom AMC bewirtschafteten Berghütte. Da dürften die Jugendlichen von vorhin übernachtet haben. Wir setzen uns vor der Hütte in die Sonne, genießen ein zweites Frühstück und den Blick über den vor uns in die Tiefe stürzenden Bach.


Zealand Trail, White Mountains, New Hampshire
Zealand Trail, White Mountains, New Hampshire
Zealand Trail, White Mountains, New Hampshire
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Zealand Trail, White Mountains, New Hampshire
Zealand Trail, White Mountains, New Hampshire
Zealand Trail, White Mountains, New Hampshire
Zealand Trail, White Mountains, New Hampshire

Atemberaubende Aussicht


Hinter der Hütte überquert der Weg unzählige weitere Kaskaden und Zuflüsse der Fälle und führt steil über Felsen auf die Zeacliff, 1.140 Meter über Meer der höchste Punkt unserer Reise. Von der Klippe haben wir wahrlich einen atemberaubenden Ausblick in das Herz der White Mountains mit den Gipfeln der Presidential Range zur Linken und den sich scheinbar endlos ausdehnenden Wäldern der Pemigewasset Wilderness direkt unter uns. Wobei das hier alles kein Urwald ist. Zwischen 1890 und 1940 war so ziemlich jeder Baum gefällt worden. In den letzten Jahrzehnten durfte der Wald freilich ungestört nachgewachsen, 1984 erklärte der amerikanische Kongress das Gebiet zur Wildnis. Vor acht Jahren sind wir schon einmal auf einer Wanderung auf dem Nancy Pond Trail in sie vorgedrungen.

  

Zealand Trail, White Mountains, New Hampshire
Zealand Trail, White Mountains, New Hampshire
Zealand Trail, White Mountains, New Hampshire
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Zealand Trail, White Mountains, New Hampshire
Zealand Trail, White Mountains, New Hampshire

Hätte ich die Beschreibung im Wanderführer aufmerksam gelesen, wären wir von der anderen Seite auf die Zeacliff gekommen. An der Bergkante stehend ahnen wir schon, dass uns ein sehr steiler Abstieg bevorsteht. Es sind dann mit die anstrengendsten zwei Kilometer, die wir je gewandert sind. Wobei "wandern" viel zu harmlos klingt, es ist eine elende Kraxelei über Felsstufen, rutschige Wurzeln und loses Geröll. Und als wir endlich unten sind und denken, wir hätten den anspruchsvollsten Teil geschafft, stehen wir unvermittelt an einem Bach, dem Whitewall Brook. Dessen Wasserstand ist so hoch, dass sich weit und breit kein trockener Übergang ausmachen lässt. Der einzige Weg rüber ist also: durch die reißende Strömung.


Nachdem wir das Wasser aus den Schuhen gekippt haben, müssen wir eine Böschung hinaufklettern. Über Blockwerk erreichen wir schließlich den Ethan Pond Trail. Der war mal ein Bahndamm, ist also entsprechend eben und sehr angenehm zu laufen. Fast schon bedrohlich sieht die Zeacliff aus, wie sie da auf der anderen Seite des Tals aufragt. Ein bisschen stolz können wir schon sein, dass wir heil wieder von der runtergekommen sind. 


Zealand Pond

Der Kreis schließt sich


Gegen 15 Uhr kommen wir an der Kreuzung raus, von der wir heute Vormittag zur Zealand Falls Hut aufgestiegen sind. Da war mir der kleine See neben dem Weg, der Zealand Pond, nicht aufgefallen. In dem spiegeln sich Sonne, Wasserfall und die Zeacliff. Das Panorama wäre perfekt, würden die Bäume noch buntes Laub tragen. 


Für den Rest des Weges benötigen wir wieder eine Stunde. Wir halten die Augen offen, ob nicht irgendwo der Deckel meines Kameraobjektivs herumliegt. Vergebens.


Wir begegnen noch einigen Wandernden, die meisten mit großen Rucksäcken auf den Schultern. Am schwersten trägt eine junge Frau, die uns am Morgen schon entgegengekommen war. Auf einem auf den Rücken geschnallten Gestell schleppt sie Vorräte zur Hütte. Eine Materialseilbahn hat die nicht.


Zu müde zum Ausgehen


Rechtschaffen erledigt treten wir die Rückfahrt nach North Conway an. Von Wolken ist nun auch in der Crawford Notch nichts mehr zu sehen. Wir werden uns für morgen aber wohl etwas tiefer liegende Gegenden zum Wandern aussuchen, die Berge sind uns schon zu kahl.


Weil das Licht gerade so perfekt ist, halten wir noch an der Fourth Iron Bridge, einer fotogenen Eisenbahnbrücke über den Sawyer River gleich am Highway. An der sind wir schon so oft vorbeigefahren und haben sie noch nie fotografiert. Man entdeckt eben immer wieder etwas Neues.


Wir haben beide keine Lust mehr, zum Essen auszugehen und beschließen, nur etwas im Supermarkt zu holen. Dazu kaufen wir Obst ein, mit dem sich das Frühstück morgen upgraden lässt. Mit Wein, Bier und Sandwiches lassen wir diesen herrlichen Tag ausklingen.

 

Fourth Iron Bridge, White Mountain National Forest, New Hampshire

Unterkunft: Fox Ridge Resort, North Conway - 245 USD


Nützliche Links:

Visit New England - alles auf einen Blick

Welcome to New Hampshire - offizielle Tourismus-Website von New Hampshire

VisitTheUSA - über die "ultimate outdoor-lover’s destination"

New England Today - best scenic hikes in the Whites

Mount Washington Valley - die perfekte Rundfahrt um Mount Washington

New England Foliage - Wie weit ist die Laubfärbung?

TripAdvisor New Hampshire Travel Forum - beantwortet alle Fragen