20150415 Asien Day 4
Meiji-jingu

Mi, Apr 15, 2015

IM LAND DER AUFGEHENDEN SONNE

Als ich morgens das Rollo hochziehe, kann ich es kaum glauben: Absolut wolkenlos präsentiert sich der Himmel über Tokio, gerade so, als hätte es zwei Tage Dauerregen nie gegeben. Das bedeutet: Volle Kraft voraus, Sightseeing galore!


Im unweit vom Hotel gelegenen Park Shinjuku-gyoen soll es laut fachkundiger Auskunft des Tripadvisor-Forums einige spät blühende Kirschbäume geben. Die Japaner betreiben um die Kirschblüte - “Sakura” genannt - ja ein wahnsinniges Bohei. Für das Anschauen von Kirschblüten gibt es sogar einen eigenen Begriff: “Hanami”.


Blick aus dem Hotelzimmer
Blick aus dem Hotelzimmer

Dieses Jahr kam der Frühling relativ zeitig, dann ein paar Tage Regen, was natürlich Gift für die Blüten ist. Viel Hoffnung hatten wir also eigentlich nicht, noch etwas von der Sakura mitzubekommen, aber nur Versuch macht kluch. Auf in den Park, auf zum fröhlichen Hanami!


Auf dem Weg kommen wir an einem Starbucks vorbei. So ein Zufall! Ja ja, schon klar: Kaffee und Cinnamon Rolls sind nicht das, was der Japaner traditionell zum Frühstück verzehrt. Aber morgens steht uns noch nicht so der Sinn nach Experimenten, also kommt der amerikanische Kaffeehauskettenimperialismus ganz gelegen.


Im wunderschönen Shinjuku-gyoen


Der Eintritt in den Shinjuku-gyoen kostet 200 Yen. Das Ticket zieht man sich an einem Automaten, legt den darauf abgedruckten QR-Code auf einen Scanner und schon geht die Schranke auf. Diese Stadt ist so modern, das glaubt man gar nicht, ehe man es selbst erlebt hat…


Wunderschön angelegt ist er, der Park. Es gibt mehrere Bereiche, vom naturnahen Biotop für Frösche und Schildkröten, über weitläufige Rasenflächen wie in englischen Landschaftsgärten bis zum traditionellen japanischen Garten mit Brücken, steinernen Laternen und Teehaus. Und tatsächlich hat es hier blühende Kirschen en masse! Den Japanern ist es ein Fest. Auf jeden Baum kommen mindestens zwei Fotografen und/oder Maler, junge Frauen werfen Blüttenblätter in die Luft und lassen sich dabei fotografieren, andere stehen mit neumodischen Selfie-Stangen vor und unter den Bäumen, wieder andere breiten gleich ein Picknick aus. Ich halte mich zurück und schieße nur ungefähr 100 Bilder. *hüstel*


Shinjuku-gyoen, Hanami
Shinjuku-gyoen, Hanami
Shinjuku-gyoen, Hanami
Shinjuku-gyoen, Hanami
Shinjuku-gyoen, Hanami
Shinjuku-gyoen, Hanami
Shinjuku-gyoen
Shinjuku-gyoen
Shinjuku-gyoen
Shinjuku-gyoen, Hanami
Shinjuku-gyoen, Hanami
Shinjuku-gyoen, Hanami
Shinjuku-gyoen, Hanami
Shinjuku-gyoen, Hanami
Shinjuku-gyoen, Hanami
Shinjuku-gyoen, Hanami
Shinjuku-gyoen, Hanami
Shinjuku-gyoen, Hanami
Shinjuku-gyoen, Hanami
Shinjuku-gyoen, Hanami
Shinjuku-gyoen, Hanami
Shinjuku-gyoen, Hanami
Shinjuku-gyoen, Hanami
Shinjuku-gyoen, Hanami

Im Ernst: Wir freuen uns sehr, die Sakura doch noch zu erleben und würden am liebsten Stunden hier im Park verbringen. Aber es hilft ja nichts, wir wollen uns noch ein paar andere Ecken der Stadt anschauen.


Bei Kaisers im Garten


Nächster Stopp: Der kaiserliche Palast, oder besser Kokyo Higashi-gyoen, der östliche Garten des Palasts. Den Palast selbst darf man als Normalsterblicher nämlich nicht betreten. Immerhin ins Innere der Mauern käme man auf einer geführten Tour, aber die war längst ausgebucht, als ich nach einem Termin für uns schaute. So begnügen wir uns also mit der ziemlich weitläufigen Anlage, die man als Besucher über das Tor Ote-mon betreten darf. Ganz nett.


Tokyo Streets
Kokyo Higashi-gyoen
Kokyo Higashi-gyoen
Kokyo Higashi-gyoen
Kokyo Higashi-gyoen
Kokyo Higashi-gyoen
Kokyo Higashi-gyoen
Kokyo Higashi-gyoen
Kokyo Higashi-gyoen
Kokyo Higashi-gyoen

Leider verabschiedet sich um die Mittagszeit die Sonne. Ausgerechnet jetzt, wo wir an die Niju-bashi kommen, eine hübsche Steinbrücke mit Palastgebäuden im Hintergrund. Die ist wohl eines der berühmtesten Fotomotive Japans und so lärmen um uns herum gleich mehrere Schulklassen auf Ausflug. Es ist überhaupt absolut unmöglich, irgendwo in Tokio allein zu sein oder ein Foto ohne Menschen zu machen. Bei der Niju-bashi sorgt ein Wassergraben dafür, dass einem niemand seinen Hinterkopf in den Bildausschnitt hält.


Asakusa
Asakusa
Asakusa
Asakusa

Im Daikokuya haben sie eine englischsprachige Karte und so gelingt es uns, unseren Essenswunsch der Bedienung verständlich zu machen. Dazu gibt es grünen Tee und für mich noch ein kleines Bier.


Unsere Erwartung, nun die besten frittierten Meeresfrüchte unseres Lebens serviert zu bekommen, wird zwar nicht ganz erfüllt, aber lecker und sättigend ist das Ebi Tendon (Garnelen mit Reis) und Ebi Tempura (Garnelen mit Reis extra) allemal. Irgendwie schaffen wir es nach dem Essen sogar, unsere Beine wieder zu entknoten. Ich bin mir beim Hinsetzen vorhin nicht ganz sicher gewesen, ob ich wieder hochkommen würde…


Daikokuya Restaurant
Daikokuya Restaurant

Asakusa - ein Mix aus Tradition und Moderne


Weiter geht es nach Asakusa, eine knapp halbstündige U-Bahn-Fahrt entfernt. In Asakusa lässt sich noch etwas vom alten Japan erahnen. Enge Gassen, hölzerne Verkaufsstände, historische Tempel. Und über allem thront die neueste Attraktion Tokios, der 643 Meter hohe Fernsehturm Sky Tree.


Wir machen uns in Asakusa als erstes auf die Suche nach einem im Lonely Planet empfohlenen Tempura-Restaurant namens Daikokuya. So steht der Name natürlich nirgends an, aber eigentlich reicht es, auf dem Weg zum Senso-ji-Tempel der Nase nachzugehen und sich dort anzustellen, wo die meisten Leute auf einen Tisch warten.


Nach zehn Minuten werden wir eingelassen, aufgefordert, unsere Schuhe auszuziehen und in den ersten Stock des verwinkelten Hauses geschickt, wo wir uns im Schneidersitz an einem niedrigen Tischchen niederlassen. Neben uns ein Paar aus Deutschland, ist ja klar.


Der älteste Tempel der Stadt


Um die Ecke: Senso-ji, der älteste Tempel Tokios. Dessen Geschichte reicht zurück bis ins Jahr 628, als zwei Fischer die goldene Statue einer buddhistischen Gottheit aus dem Fluss Sumida zogen. Um die aufzubewahren wurde ein Tempel errichtet und seitdem reißt der Strom der Pilger nicht ab - trotzdem wohl niemand so genau weiß, ob es diese Statue nun wirklich gibt oder es sich nur um eine Legende handelt. Sei es drum. Beten geht ja immer und schadet nicht.


Neben der Haupthalle und prächtigen Toren steht auch noch eine fünfstöckige Pagode auf dem Gelände, die zweithöchste Japans. Sie stammt allerdings nicht von 628 sondern von 1973 und ist die Rekonstruktion eines Gebäudes aus dem 17. Jahrhundert. Das gesamte Ensemble gibt prima Fotomotive ab. Auch der benachbarte Asakusa-jinja, errichtet zu Ehren der beiden Fischer, ist hübsch anzuschauen und tatsächlich richtig alt, nämlich von 1649.


Asakusa-jinja
Asakusa-jinja
Sumida

Irgendwann haben wir genug von den Menschenmassen und machen uns auf Richtung Sumida. Der Park am Flussufer ist zwar ziemlich beton- und asphaltlastig, aber man hat einen tollen Ausblick auf den Tokyo Sky Tree, den höchsten Fernsehturm der Welt. Eröffnet wurde der im Mai 2012 und soll aus wahlweise 350 oder 450 Metern Höhe bei guter Fernsicht Ausblicke bis in 70 Kilometer Entfernung bieten - was nun wirklich ausreicht, um ganz Tokio auf einmal zu sehen.


Fähnchen im Wind statt Sky Tree


Wir gehen zu Fuß zum Turm durch eine nicht sonderlich attraktive Gegend der Stadt und dann durch die nagelneue Shopping-Mall zum Ticketcenter des Sky Tree. Als wir uns anstellen, spricht uns ein junger Aufseher an: Wegen des starken Windes wäre gerade der Aufzug außer Betrieb. 


Wir könnten uns als internationale Besucher aber einen etwas teureren Fast-Pass kaufen, um dann an der ganz langen Schlange vorbei nach oben zu kommen. Ansonsten müssten wir hier jetzt mit einer Wartezeit von ein bis zwei Stunden rechnen. Falls der Aufzug überhaupt irgendwann wieder fahren kann. Wir überlegen kurz, ob wir lieber schnell und teuer oder langsam und günstig nicht auf die Kanzel fahren wollen, entscheiden uns dann aber für keine der beiden Optionen, sondern für den Rückzug. Dann halt kein Sky Tree.


Tokio im Sonnenuntergang


Mir fällt ein, dass wir ja auch völlig umsonst und ganz in der Nähe unseres Hotels den Blick aufs abendliche Tokio genießen könnten, nämlich auf dem schon vorgestern besuchten Hochhaus der Stadtverwaltung in Shinjuku. Also fahren wir wieder quer durch die Stadt und erreichen pünktlich zum Sonnenuntergang die Aussichtslounge - und zwar diesmal die auf dem Südturm der Tokyo Metropolitan Government Offices. Hier oben ist ein ganz schöner Andrang, das Licht, das die letzten Strahlen auf die Metropole werfen, allerdings auch sagenhaft. Man kann das gar nicht im Bild festhalten, denn leider spiegeln die Scheiben zu stark. Aber manchmal sollte man halt auch die Kamera beiseite legen und einfach nur den Moment genießen.


Tokyo Sky Tree
Tokyo Sky Tree

Nach und nach gehen dann die Lichter Tokios an, wobei man sich hier nicht die Mühe macht, etwa mit einer besonderen Beleuchtung die Silhouette der Stadt in Szene zu setzen. Nur ein paar wenige Gebäude wie der Sky Tree oder der Tokyo Tower, eine kleinerer Nachbau des Eiffelturms, sind auch nach Einbruch der Dunkelheit markant sichtbar. Bunt beleuchtete Hochhausspitzen wie etwa beim Empire State Building sucht man in Tokio vergebens. Aber die Stadt wirkt eh ein bisschen wie hingewürfelt. Städtebaulich herrscht hier auf den ersten Blick ein einziges Chaos. Straßenzüge mit einheitlicher Gebäudehöhe? Fehlanzeige. Sich harmonisch ins gewachsene Umfeld einfügende Neubauten? Quatsch, hier ist alles neu! Ein Hochhausrahmenplan? Bitte, was…?


Tokio ist schwer zu fassen


Mit europäischen Maßstäben lässt sich Tokio überhaupt nicht erfassen. Allein in der Kernstadt leben über neun Millionen Menschen auf 622 Quadratkilometern. Die 3,4 Millionen Berliner haben ein Drittel mehr Platz. Aber richtig schwindelerregend wird’s, wenn man sich bewusst macht, dass die Metropolregion insgesamt 13.572 Quadratkilometer und drei weitere Millionenstädte umfasst - und dass hier alles in allem 37,5 Millionen Menschen leben. Das sind fast so viele Einwohner wie Kalifornien hat, der bevölkerungsreichste Bundesstaat der USA. Nun stelle man sich noch vor, dass Tokio durch das Kanto-Erdbeben 1923 und die amerikanischen Luftangriffe im Zweiten Weltkrieg zu einem großen Teil in Schutt und Asche fiel, und dann mache man sich nochmal Gedanken um den Städtebau. Eigentlich ist es ein Wunder, dass hier alles so perfekt funktioniert. Scheiß auf die Optik.


Aber ich schweife ab. Wir haben jedenfalls am Abend nichts mehr unternommen. Der Eindrücke waren es wahrlich genug für einen Tag und schließlich müssen wir morgen früh raus, um den Flieger nach Hong Kong zu erwischen. Die nächste Mega-Metropole ruft.


Unterkunft: Shinjuku Granbell Hotel - 150 EUR via booking.com


Nützliche Links

Go Tokyo - Official Tokyo Travel Guide

Japan Guide - die wichtigsten Sehenswürdigkeiten auf einen Blick

Born 4 Travel: Japan 2010 - in Sylwia Buchs Reisebericht kann man sich prima Anregungen holen

Tripadvisor Tokyo Travel Forum - hier gibt es Antworten auf ALLE Fragen

CNN Travel - Going to Tokyo? How to ride the trains and 9 other tips

Tokyo Metro - mit den Öffis geht es ganz einfach von A nach B - und nach C auch

Tokyo Cheapo - praktische Tourenvorschläge