20160102 Florida 02
Crystal River

Sa, Jan 2, 2016

PADDELN MIT OHNE MANATEES

Auf der Suche nach Seekühen, den Manatees, paddeln wir durch die Gewässer um Crystal River. Vergeblich. Ebenso wie der Versuch, in Ybor City Geister aufzuspüren. 

Wie immer am ersten Morgen nach dem Sprung über sechs Zeitzonen nach Westen fällt das Aufstehen nicht schwer. Pünktlich um 7 Uhr bedienen wir uns am bescheidenen Frühstücksbüffet des Quality Inn. Wir können die sämtlich nach Pappe schmeckenden Bagels, Toasts und Waffeln schon lange nicht mehr sehen und ärgern uns auch immer über den Müllberg, den das ganze Einweggeschirr verursacht. Aber heute haben wir keine Zeit für ein gehaltvolleres Frühstück, es liegen eineinhalb Stunden Autofahrt vor uns.


Das Geschäft mit den Seekühen


Auf einer am frühen Samstagmorgen recht leeren Autobahn geht es Richtung Norden, nach Crystal River. Der kleine Ort hat es zu weltweiter Berühmtheit gebracht, weil man dort mit Manatees schwimmen kann. Die kommen im Winter zu Hunderten aus dem Golf von Mexiko in die Kings Bay geschwommen, eine von über 50 Quellen gespeiste Bucht, die das ganze Jahr über eine Wassertemperatur von 22 Grad hält - angenehm warm für die extrem kälteempfindlichen Tiere. Hier überwintern sie energiesparend in großen Gruppen in den ruhigen Gewässern treibend und zehren von ihren Fettreserven. Von ihrer Leibspeise Seegras finden die sanften Riesen währenddessen kaum etwas.


Eigentlich gar nicht gebrauchen können es die Manatees, an ihrem Rückzugsort von aufgeregten Touristen bedrängt zu werden. Dummerweise kommen die aber jeden Tag in Horden, denn die Seekühe aus nächster Nähe zu erleben, ist in Crystal River in den letzten Jahren zum "big business" geworden. Zwar gibt es Regeln, die die Besucher zum passiven Beobachten anhalten, und einige der bei den Manatees besonders beliebten Ecken sind komplett gesperrt, aber bei Dutzenden von Booten, die alle ihre zahlenden Gäste möglichst nah an die Tiere bringen wollen, lässt es sich praktisch kaum vermeiden, dass diese eben doch gestört, angefasst und aufgeschreckt werden.


Nachdem ich mich ein bisschen in das Thema eingelessen hatte, war mir klar, dass wir nicht mit Schnorchel und Flossen zu den Manatees ins Wasser gehen wollen. Stattdessen habe ich für 50 Dollar eine ökologisch unbedenkliche Paddeltour bei Aardvark's Florida Kayak Co gebucht. Gegen viertel vor neun fahren wir nun dort an einem hübschen bunten Holzhäuschen auf den Hof und bekommen vor dem Ausflug ein Video mit den wichtigsten Verhaltensregeln gezeigt. Mit uns ist nur noch ein weiteres Paar dabei, das (natürlich!) aus Deutschland kommt, allerdings zur Zeit in Washington D.C. lebt. Da die beiden um die Ecke vom Campus der American University wohnen, an der ich mal ein Semester studiert habe, haben wir gleich ein Gesprächsthema.


Im Stadtpark von Crystal River befindet sich eine geeignete Stelle, die Kajaks zu Wasser zu lassen, und da wir alle schon ein bisschen Erfahrung mitbringen, können wir bald mit Sue, unserem Guide, in die Bucht paddeln. Schon nach ein paar Metern kommen wir an einem Ausflugsboot vorbei, in dessen Nähe Schnorchler einem Manatee viel zu dicht auf die Pelle rücken. Es handelt sich um ein mit einer Boje gekennzeichnetes, immer hier lebendes Tier. Das ist die Nähe der Menschen wahrscheinlich schon gewohnt.


Es ist noch zu warm


Die nächsten drei Stunden paddeln wir also durch die Gegend, Kanäle rauf, Kanäle runter, an Inselchen vorbei und zu all den Spots, an denen sich nun mitten im Winter jede Menge Seekühe tummeln müssten. Tun sie aber nicht, denn es ist zu warm. Bis gestern war das Wetter in Florida noch sommerlich und entsprechend angenehm temperiert ist der Golf von Mexiko. Bei gut 20 Grad fühlen sich die Manatees dort so richtig wohl und sehen überhaupt keinen Anlass, irgendwelche Flüsse hinaufzuschwimmen. Ganz entfernt sehen wir mal ein paar Rücken, das war's. Der Ausflug macht aber trotzdem Spaß. Es ist einfach schön auf dem Wasser. Ganz in Ruhe lassen sich Vögel beobachten, auch die ein oder andere Schildkröte schwimmt vorbei. Und am Ende sind wir ganz schön erledigt.


Zurück an Land sind wir uns zunächst unschlüssig, was wir als nächstes unternehmen könnten. Hunger haben wir noch keinen, direkt nach Tampa zurückfahren muss auch nicht sein. Also statten wir dem Homosassa Springs Wildlife State Park einen Besuch ab. An dem sind wir heute Morgen schon vorbeigekommen. Ein riesiges Manatee mit Nikolausmütze markiert die Einfahrt zum Parkplatz.


Im Homosassa Springs Park gibt es Manatees


Da heute Samstag ist, ist in dem Park ganz schön was los. Wir verzichten darauf, uns hinter dem Besucherzentrum für die Fahrt mit einem Boot anzustellen, und nehmen stattdessen den Trolley, der uns zu den Tiergehegen entlang der Wasserläufe fährt. Homosassa Springs ist einer der größten Quelltöpfe Floridas, dessen Wasser sich genau wie am Crystal River mit dem des nahen Golfs mischt. Besucher können direkt in die Quelle hinabsteigen und stehen dann wie in einem Goldfischglas mitten in den Fischschwärmen - nur dass eben die Menschen drinnen und die Fische draußen sind. Auch Manatees leben hier, vom Ufer aus können wir einige beobachten. Na also.


Auch sonst lässt sich hier allerlei einheimisches Getier bewundern. Wobei es schon nachdenklich stimmt, die prächtigen Panther, Luchse und Bären in Gefangenschaft zu sehen, wo das doch vor gar nicht all zu langer Zeit noch ihr Land war, in dem sie frei umherstreiften. Die örtliche Vogelwelt liebt aber den Park, denn das Mittagessen muss nicht mühsam aus dem Sumpf gepickt werden, sondern kommt per Lieferservice durch die Tierpfleger. Da fallen natürlich auch für den auswärtigen Gast einige Happen ab.


Homosassa Springs ist eine der ältesten Touristenattraktionen Floridas, schon Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts machten hier die mit der Eisenbahn angereisten Besucher Station. Unter Verwaltung des Staates Florida ist der Park erst seit einigen Jahren. Früher wurden hier auf allerlei Kunststücke trainierte Tiere gehalten, die in Fernsehshows und Filmproduktionen auftraten. Mittlerweile steht die Pflege und anschließende Auswilderung verletzter Tiere im Mittelpunkt. Einige verbringen aber ihr ganzes Leben in dem Park, etwa das Flusspferd Lu. Das wurde von einem früheren Gouverneur sogar zum Ehrenbürger Floridas ernannt. Ehre, wem Ehre gebührt. Nach knapp zwei Stunden und einem Hot Dog zum Lunch machen wir uns auf den Rückweg nach Tampa.


Im Kneipenviertel Ybor City


Dank einiger Staus zieht sich die Fahrt ganz schön in die Länge. Kurz im Hotel frischgemacht, schon geht es weiter nach Ybor City. Der historische und in den letzten Jahren wiederbelebte Stadtteil ist nur eine Autobahnausfahrt entfernt. Wir stellen das Auto in einem Parkhaus ab und suchen uns den Weg zum Ybor City Brew Pub, die Kneipe der Tampa Bay Brewing Company. Die hat acht eigene sowie sechs Biere befreundeter Brauereien "on tap", dazu gibt es saisonal wechselnde Kreationen. Der Laden ist proppenvoll, aber wir ergattern noch zwei der letzten freien Plätze im Barbereich, der sich im Hof vor der Kneipe befindet. Zum Glück ist es angenehm mild heute Abend. Zum Bier (und Cola für Conny) lassen wir uns Shrimps und frische Bretzel mit leckeren Dips schmecken.


Gegen halb acht begeben wir uns zwei Blocks weiter zur Bar King Corona Cigars. Hier treffen wir Greg, unseren Guide für die Ghost Tour, auf die ich uns für heute Abend gebucht habe. Eine Ghost Tour haben wir noch nie unternommen, aber ich dachte mir, dass das eine ganz vergnügliche Art sein könnte, Ybor City und seine Geschichte(n) kennenzulernen. Conny musste dazu erst gar nicht überredet werden, für Gruselstorys ist sie immer zu haben. Und es wird dann tatsächlich ein vergnüglicher und interessanter Abend.

Gespenstern auf der Spur


Ybor City ist als einstige Mafiahochburg und von kubanischen, italienischen, spanischen und - nicht zuletzt - deutschen Einwanderern geprägtes Viertel reich an Anekdoten und Legenden und Greg spielt seine Rolle wirklich ganz hervorragend. Nur als wir am Ende den sagenumwobenen Cuban Club, angeblich einer der zehn "most haunted places" Amerikas, der auch schon von den professionellen Geisterjägern der TV-Serie "Ghost Hunters International" untersucht wurde, erkunden, übertreibt er es etwas. Mit Spannungsmessern und Taschenlampen bewaffnet durchstreifen wir die Räumlichkeiten, in denen es einige mysteriöse Todesfälle und in der Folge allerlei unerklärliche Erscheinungen gegeben haben soll. Wir sollten so viele Fotos machen, wie es nur geht, wobei Greg dann jeden Spratzer in den Aufnahmen zum möglichen Beweis der Anwesenheit von Geistern erklären will.


Damit kann man mich ja nicht aus der Reserve locken. Man schicke zwanzig Personen mit Lampen und Handykameras in einen stockdunklen Raum, da ist es kein Wunder, wenn am Ende auf jedem Foto komische Lichtblitze und verschwommene Schatten zu sehen sind. Ich äußere meine Skepsis aber nur dezent, denn das Ganze ist natürlich vor allem ein Riesenspaß. Und eine beklemmende Stimmung geht von dem Gebäude auf jeden Fall aus. Man muss nur mal den eigenen Puls kontrollieren, nachdem man gerade die Treppe in den ersten Stock genommen hat, auf unterschiedliche Raumtemperaturen achten - oder neben der Aufzugstür stehen, die sich wie von Geisterhand öffnet, obwohl niemand auf den Knopf gedrückt hat.


Nach zwei Stunden, in denen wir kreuz und quer durch Ybor City gestreift sind, finden wir im zweiten von uns durchsuchten Parkhaus unser Auto wieder. Diese Backsteingebäude sehen aber auch alle gleich aus...


Keine Überraschung als wir ins Hotel zurückkommen: Meine Tasche ist mit dem heutigen Flug nach Tampa nachgereist und prompt geliefert worden. Na, wer sagt's denn?!

Gefahren: 173 Meilen / 278 Kilometer

Unterkunft:  Quality Inn & Suites near Fairgrounds Ybor City - 91 EUR via Expedia


Nützliche Links:

Visit Tampa Bay - umfangreiche Tourismus-Website der Stadt

Crystal River NWR - Website des US Fish & Wildlife Service

Aardvark's Florida Kayak Co - Kayaktouren in Crystal River

Save the Manatee Club - über das problematische Schwimmen mit Seekühen

Florida State Parks - Website des Homosassa Springs Wildlife State Park

Ybor History - Spaziergang durch das historische Viertel

Ybor City Visitors Center - der Stadtteil hat ein eigenes Besucherzentrum

History of Ybor City - Wikipedia weiß alles

Ybor City Ghost Tour - empfehlenswerte "Geisterjagd" durchs Viertel

Cigar City Brewing - hier gibt es gutes Bier