Mi, Sep 13, 2006
Heute ist Meilenfressen angesagt: Wir wollen nach Page und das ist drei Staaten weiter in Arizona. Der gewaltige Fahrtage ist aber nicht allein der Grund, dass wir praktisch mitten in der Nacht aufstehen. Wir wollen den Sonnenaufgang in der Wüste erleben.
Um 6 Uhr fahren wir die paar Meilen von der Furnace Creek Ranch zum Zabriskie Point. Und das folgende Schauspiel rechtfertigt denn auch das frühe Aufstehen: die gegenüberliegenden Bergspitzen fangen langsam an zu glühen, erst rosa, dann orange. Bis die Morgensonne die gestreiften Felsen auf unserer Seite erreicht hat, vergeht fast eine Stunde. Schööön...
Tiefer geht's nicht
Zum Frühstück schnappen wir uns dann fix ein paar Muffins im General Store und fahren Richtung Badwater, dem Tiefpunkt unserer Reise im geographischen Sinne. Weiter runter als 86 Meter unter den Meeresspiegel geht es in Amerika nicht. Krass, wenn man bedenkt, dass wir keine 48 Stunden zuvor noch auf 3.000 Metern rumgezogen sind. Sehr anpassungsfähig wir Menschen.
Am Rande das Salzsees halten wir nur für das obligatorische Foto, denn mit uns kommt ein Reisebus voll aufgeregter Rentner aus Holland an. Uah, schnell weg hier! Wenn ich mir eine Reiseart als Alptraum vorstelle, dann ist es eine Busfahrt durch den Westen der USA. Aber Menschen, die so etwas machen, haben wahrscheinlich mehr Spaß an Geselligkeit als wir, die eher die Einsamkeit in diesem weiten Land fasziniert. Peinlich ist der Auftritt dieser Reisegruppen in jedem Fall, denn egal welchen Alters veranstalten sie einen Lärm wie eine Schulklasse beim Ausflug.
Die Holländer haben übrigens genau wie wir Glück, denn die Straße nach Badwater ist heute nach fast einer Woche erstmals wieder geöffnet. Letzten Donnerstag hatte es schwere Überflutungen in einigen Teilen des Tals gegeben und zahlreiche Straßen mussten gesperrt werden. So können wir weiter auf der 178 das Death Valley der Länge nach durchfahren, wobei der Highway auf einem längeren Abschnitt nur eine Schotterpiste ist. Schließlich biegt er Richtung Osten ab und kommt da raus, wo die Shoshonen wohnen, in Shoshone nämlich, einer überschaubaren Ansammlung von Hütten und Trailern.
Las Vegas kündigt sich an
Eine etwas größere Menge davon gibt es ein paar Meilen weiter in Pahrump, das schon in Nevada liegt. Ansonsten kommt der Ort auf meine Liste. Immerhin: Las Vegas kündigt sich auf großen Werbetafeln am Straßenrand an und hier kommen wir auf den bestens ausgebauten Highway 160, der uns schnurstracks Richtung Glitzermetropole führt.
Unmittelbar nach dem in tollen Farbtönen leuchtenden Red Rock Canyon erreichen wir die ersten Neubaugebiete von Las Vegas. Und die ziehen sich meilenweit bis an die Interstate 15. Unfassbar, was hier gebaut wird! Las Vegas wächst nach wie vor in wahnsinnigem Tempo. Jeden Monat ziehen über 4.500 Leute zu, 2007 ist die Marke von zwei Millionen Einwohnern erreicht. Und das mitten in der Wüste und bei immer knapper werdendem Wasser. Faszinierend und erschreckend zugleich.
Wir tauschen das Auto
In der Nähe des Flughafens steuern wir die Mietwagenstation von National/Alamo an. Ach was, Mietwagenstation, das ist eine Fabrik, ein eigener Stadtteil. Die Rückgabe des Wagens wird ohne Wimpernzucken akzeptiert und wir werden durchgewunken, in der Choice Line ein neues Auto auszusuchen. Nur: es ist kein einziges da! Ein Mitarbeiter stellt daher statt der Autos die Kunden in die Parkbuchten und immer, wenn wieder ein Wagen aus der gigantischen Waschanlage kommt, wird der direkt den am weitesten vorne stehenden zugeteilt. Es dauert aber keine zehn Minuten, da wird uns ein schicker kleiner Pontiac vorgefahren, an dessen Seitentür noch der Schaumgummipuffer vom Transport klebt. Nagelneu also. Ist gekauft!
Wir fahren zurück zum Chevy, in dem noch unser Gepäck ist. Aber: keine Chance, die Sachen in den Kofferraum zu quetschen. Also zurück mit dem Flitzer und gegen einen echten Full Size getauscht. Zum Glück steht gerade ein Pontiac Grand Prix herrenlos herum, den schnappe ich mir und fahre wieder zum Gepäck. Passt! Aber etwas fehlt: meine Umhängetasche mit allen Reiseunterlagen, Pässen, Geld und Kreditkarten. Die hatte ich auf den Rücksitz des kleineren Wagens geschmissen. Jetzt aber fix, bevor der vom Hof rollt! Gerade noch rechtzeitig: der nächste Kunde stellt sich gerade die Spiegel ein. Da geht der Adrenalinspiegel denn doch nach oben.
State Line Hopping
Nach den Tagen auf einsamen Wüstenhighways ist der Verkehr rund um Las Vegas der Horror. Die halbe Stadt ist eine Baustelle, der Interstate in einem erbärmlichen Zustand, dazu muss man aufpassen, selbst nicht zu sehr von den glitzernden Hotels abgelenkt zu werden. Aber so wie die Stadt irgendwann wie eine Fata Morgana im Rückspiegel verschwindet, so reduziert sich auch die Menge der Autos pro Meile und es geht mit Höchstgeschwindigkeit von immerhin erlaubten 75 ein kurzes Stück durch Arizona und dann über eine weitere Staatsgrenze nach Utah. Hier schlängelt sich die Autobahn durch die steilen Canyons des Virgin River, der bekanntlich auch das traumhafte Tal des Zion Nationalparks geschaffen hat.
Zion ist uns als liebster Park von der letzten Reise durch den Westen in Erinnerung – nur so ist es zu erklären, dass wir den nun als nächstes ansteuern. Schlauer wäre es, in Hurricane die südliche Route Richtung Fredonia zu wählen, aber schlauer ist man immer erst hinterher, nämlich nachdem man im Zion Park am Tunnel im Stau gestanden hat. Der Tunnel, durch den der Highway 9 im Süden von Zion Richtung Osten führt, ist ein Nadelöhr bei der Reise durch diese Gegend. Da der in den 1920er Jahren gebaut wurde, als Autos noch klein und selten waren, ist er dem heutigen Verkehr kaum mehr gewachsen. Vor allem nicht, wenn Busse und Wohnmobile durch wollen – und von denen gibt es reichlich hier. Die können den Tunnel nur in der Fahrbahnmitte durchfahren. Also muss eine Spur gesperrt werden. Das geht den ganzen Tag so, immer abwechselnd. Dazu ist direkt hinter dem Tunnel vor einigen Tagen ein großer Erdrutsch auf die Straße abgegangen, dessen Hinterlassenschaften bei laufendem Betrieb beseitigt werden müssen.
Die 89 ist der letzte Highway für heute
Alles in allem kostet uns dieser Weg eine gute Stunde extra. Die grandiose Kulisse entlang der Straße macht die Sache allerdings ein wenig erträglicher. In Mount Carmel Junction erreichen wir schließlich die 89, den letzten Highway für heute, denn der geht direkt nach Page. Gleich nach dem Abbiegen rennt uns eine Schar wilder Truthähne vors Auto. Den ersten drei Tieren rette ich durch eine Vollbremsung das Leben, der Rest entschließt sich, die Straße fliegend zu überqueren. Gute Idee!
Die 89 ist dann eine echte Traumstraße. Zunächst geht es durch die leuchtenden Ausläufer der Coral Pink Sand Dunes, dann schieben sich hinter Kanab von links die Felsen des Vermillion Cliffs, von rechts die des Kaibab
Plateaus heran. Die tief stehende Sonne taucht die Kulisse in ein sagenhaftes Licht, das durch einige dunkle Wolken variiert wird. Willkommen im Red Rock Country!
Von weitem sieht man dann schon die rauchenden Schornsteine des Navajo Kohlekraftwerks, ein völlig unwirklicher Anblick, der an das unsagbar verschandelnde Kraftwerk in der ansonsten idyllischen Morro Bay an der Pazifikküste erinnert. Aber hey, irgendwo muss der Strom ja herkommen und mit Staudämmen allein, lässt sich Las Vegas nicht zum Leuchten bringen.
Kurz vor dem Kraftwerk liegt jedenfalls Page, Arizona. Es geht über eine Brücke neben dem Glen Canyon Dam, der hier den Colorado River in den Lake Powell, den größten Stausee der USA, verwandelt. Dann ist die Fahrerei für heute beendet. Reicht aber auch.
Gegen 18 Uhr checken wir im Holiday Inn Express ein und freuen uns über ein riesiges Zimmer mit sauberem Bad, in dem alles funktioniert und an seinem sinnvollen Platz angebracht ist. Ein großer Fortschritt gegenüber der Furnace Creek Ranch. Da wir außer einem Stückchen Kuchen und einem Muffin den ganzen Tag nichts gegessen haben, sind wir völlig ausgehungert. Diesem Zustand Abhilfe verschafft ein Besuch des Dam Grill. Das Essen ist extrem lecker hier, genauso wie das Bier. Und die Portionen sehr, sehr groß. Nachdem wir gierig das frische Brot und die Appetizer (Onion Rings & Buffalo Wings) verschlungen haben, dämmert’s uns, dass vielleicht die Augen doch größer als der Magen waren. Burger und Ribs schaffen wir nicht annähernd. Und das will bei mir was heißen...
Gefahren: 452 Meilen / 727 Kilometer
Hotel: Holiday Inn Express, Page - 70 EUR via FTI