2023 Schweiz Tag 2
Aletschgletscher

Mo, 2. Oktober 2023

TOP OF EUROPE

Zehn Stunden Sonnenschein sagt der Wetterbericht voraus. Da bietet es sich an, heute so viele spektakuläre Ausblicke wie möglich mitzunehmen, und dafür bietet sich wiederum die Fahrt auf das Jungfraujoch an, Europas höchstgelegenen Bahnhof.


Wenn man schon in der Jungfrau-Region ist, darf man das Jungfraujoch eigentlich nicht auslassen. Ja, die Fahrt dorthin ist irre teuer. Ja, es werden wahnsinnig viele Touristen da oben herumrennen. Aber allein das Unterfangen, eine Bahnstrecke durch ein Bergmassiv auf einen Grat in 3.454 Meter Höhe und damit in eine Wunderwelt aus Eis, Schnee und Fels zu bauen, nötigt schon Bewunderung ab. 


Good Morning, Eiger!

Ich weiß von meinem Besuch in 2019, dass der Blick auf den Aletschgletscher absolut sagenhaft ist. Damals hatten wir die Bergstation allerdings für uns – 150 Partygäste der BigCityBeats WORLD CLUB DOME Snow Edition – allein, feierten mit allerlei prominenten DJs im Gletscher und auf der Aussichtsplattform direkt unter dem Sphinx-Observatorium. So ein exklusives Erlebnis kann ich Conny heute nicht bieten, aber der Ausflug lässt sich noch ein bisschen ausschmücken.


Hausaufgaben erledigen, Geld sparen


Eine Wissenschaft für sich ist es, den günstigsten Preis für eine Fahrt auf das Jungfraujoch zu ermitteln. Die einfache Strecke ab Lauterbrunnen kostet 113,80 Franken. Es gibt allerdings eine unübersichtliche Vielzahl von Rabattmöglichkeiten: Jungfrau Travel Pass, Berner Oberland Pass, Swiss Half Fare Pass, Swiss Travel Pass… Man sollte sich nicht davor drücken, vor einer Reise in die Schweiz die verschiedenen Angebote zu vergleichen.


Ich hatte mich für den Swiss Half Fare Pass entschieden. Der kostet 120 Franken pro Person und, wie der Name schon sagt, halbiert die Fahrpreise - auch auf das Jungfraujoch. Mit dem Ausflug allein hat man also diese Mehrkosten schon fast wieder reingeholt.


Wir wollen nicht auf direktem Weg von Mürren aufs Joch, sondern unterwegs in Wengen aus dem Zug steigen und mit der Seilbahn einen Abstecher zum Männlichen unternehmen, von da zum Bahnhof Kleine Scheidegg wandern und dort in die Jungfraubahn steigen. Ich vermute, dass es dazu zwei separate Tickets braucht, will mich aber lieber auf das fachkundige Personal an der Seilbahnstation in Mürren verlassen. Nur ist die Dame am Schalter gar nicht so fachkundig. Sie könne uns höchstens Fahrkarten bis Lauterbrunnen ausstellen. Dann buche ich das Ganze lieber gleich über die SBB-App, meine ich, worauf sie antwortet, dass sie vermutet, das ginge. Ach was!


Also kaufe ich uns erst einmal Strecken-Billets von Mürren bis Männlichen. Halber Preis bedeutet 24,20 Franken für die Seilbahnen runter nach Gimmelwald und Stechelberg, den Bus nach Lauterbrunnen, die Bahn nach Wengen und die Gondel zur Bergstation. Ob wir da jemals ankommen?


Lieber im November?


Natürlich läuft alles mit schweizerischer Präzision ab. Nach einer Stunde und elf Minuten sind wir oben. Unterwegs bekamen wir allerdings einen Vorgeschmack auf den Trubel, der uns heute noch erwarten würde. Die Zahnradbahn nach Wengen, die auch die Fahrgäste Richtung Jungfrau transportiert, war schon ziemlich voll. "This is insane”, meint eine Amerikanerin. “I should have come in November.”


Bergbahn Lauterbrunnen - Wengen

Auch die Seilbahn von Wengen auf den Männlichen ist gut gefüllt. Sie hat ein besonders albernes Special Feature: Für 5 Franken extra kann man einen “Royal Ride” buchen und auf einem Balkon auf dem Dach der Gondel mitfahren. Der Haken ist, dass die Wendeltreppe da rauf allein fast die halbe Kabine ausfüllt, man damit die Fahrt für alle anderen also unbequemer gemacht hat.


Von der Bergstation ist es ein gemütlicher Spaziergang zum Gipfel des Männlichen, den eine Krone ziert – die Aussichtsplattform. Herrlich ist der Blick auf den Thunersee, in das tief eingeschnittene Lauterbrunnental und natürlich auf die imposanten Drei- und Viertausender drumherum. Mit seinen 2.342 Metern zählt der Männlichen noch zu den Voralpen, ist aber Mittelpunkt eines 100 Kilometer Piste umfassenden Skigebiets.


Blick ins Lauterbrunnental
Berghaus Männlichen
Berghaus Männlichen
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Panoramaweg Männlichen - Kleine Scheidegg
Panoramaweg Männlichen - Kleine Scheidegg
Panoramaweg Männlichen - Kleine Scheidegg
Panoramaweg Männlichen - Kleine Scheidegg
Panoramaweg Männlichen - Kleine Scheidegg
Panoramaweg Männlichen - Kleine Scheidegg
Kleine Scheidegg
Kleine Scheidegg

Nach einer kurzen Rast am Berghaus Männlichen starten wir in die erste kleine Wanderung des Urlaubs, den Panoramaweg zur Kleinen Scheidegg. Der Weg verläuft über den Bergrücken des Männlichen mit Grindelwald auf der einen, dem Lauterbrunnental auf der anderen Seite und der Eiger-Nordwand voraus. Sehr beeindruckend. In diese Richtung hat man nicht nur die beste Aussicht, es geht auch fast durchgehend leicht bergab. Entsprechend beliebt ist dieser Weg. Sogar mit Kinderwagen versuchen sich einige daran. Wäre mir dann doch zu holprig. 


Von der Kleinen Scheidegg geht es auf das Jungfraujoch


Um kurz nach eins kommen wir am Bahnhof Kleine Scheidegg an. Das passt gut, denn um 13:25 Uhr fährt der nächste Zug aufs Jungfraujoch. In der SBB-App kaufe ich uns die passenden Fahrkarten: Nach Mürren via Jungfraujoch für jeweils 90,70 Franken. Nie im Leben würde ich hier den vollen Preis zahlen!


Als wir uns am Bahnsteig auf eine Bank setzen, spricht uns eine Frau an und fragt, ob wir kurz auf ihren Hund aufpassen könnten, sie müsste dem mal etwas zu trinken besorgen. Sie entschuldigt sich, wie unorganisiert sie sei. Kein Problem, der Hund bleibt brav bei uns sitzen, während sie auf der Toilette eine Plastiktüte mit Wasser füllt. Sie hat nicht übertrieben, sie ist wirklich wahnsinnig unorganisiert... Wir überlassen ihr eine unserer leergetrunkenen Flaschen.

Fast allein im Zug


Die Bahn ist dann ziemlich leer. Sehr angenehm. Erster Stopp ist die Station Eigergletscher. Hier endet die neue Express-Seilbahn aus Grindelwald. Die benötigt nur 15 Minuten aus dem Tal und damit 43 Minuten weniger als die Zahnradbahn von 1893. Praktisch für Skifahrerinnen und Touristen mit straffem Zeitplan. Fast eine halbe Milliarde Franken hat der Bau der Seilbahn gekostet. Eine. Halbe. Milliarde. Der Eiger Express gilt als teuerstes Seilbahnprojekt der Alpen.


Die Weiterfahrt geht dann durch den Berg, hinter der legendären Nordwand des Eigers entlang. Bis 2016 hielt der Zug noch in der Wand, konnte man aus Fenstern in den Abgrund blicken. Zugunsten eines schnelleren Betriebs mit Umläufen im Halbstundentakt wurde dieser Halt aufgegeben.


Nach einer Kurve im Eiger auf dessen Rückseite angekommen, kann man aber noch immer am Eismeer aussteigen und einen Blick in die Gletscherwelt werfen. Danach geht es schnurgerade durch den Mönch auf den Grat zur Jungfrau, mit 4.158 Metern der höchste Berg des Dreigestirns. Ursprünglich sollte die Bahn bis ganz zum Gipfel gehen, aus wirtschaftlichen Gründen blieb es aber beim Bau bis zum Jungfraujoch. Am 1. August 1912 wurde die Strecke nach 16 Jahren Bauzeit eröffnet. Schon im ersten Jahr zählte sie 77.000 Fahrgäste, mittlerweile sind es an die eine Million jährlich. Und gefühlt sind die jetzt gerade alle oben.


Das Jungfraujoch ist ein Zirkus


Die Ankunft auf dem Jungfraujoch ist wie die Landung in einem Bienenstock. Hilfe! Wir verlaufen uns sofort in dem Gewirr aus Treppen und Gängen und finden uns plötzlich im "Lindt Swiss Chocolate Heaven" wieder, einem Schoki-Laden. Naja, nicht so schlimm. Kaufen wir halt Schokolade. 


Eigergletscher
Eigergletscher
Jungfraubahn
Aletschgletscher
Aletschgletscher
Aletschgletscher
Aletschgletscher
Aletschgletscher
Aletschgletscher
Jungfraujoch
Mönch
Blick zum Männlichen
Jungfraugrat

Dann suchen wir den Ausgang zum Gletscher. Dort wurde ein Abenteuerspielplatz mit Zip-Lines und Rodelbahnen eingerichtet. Als ob es noch nicht Erlebnis genug wäre, zwischen Mönch und Jungfrau auf dem Aletschgletscher durch den Schnee zu laufen… Uns ist das viel zu viel Zirkus hier.


Jungfraubahn
Mönch
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Jungfraubahn

Ich wäre eigentlich gerne zur Mönchsjochhütte gewandert, auf 3.650 Metern die höchste bewirtschaftete Hütte der Schweiz, eine knappe Stunde vom Jungfraujoch entfernt. Allerdings ist es längst zwei Uhr vorbei und Mittagessen gibt es auf der Hütte nur bis um drei. Also knicken wir das mit der Gletscherwanderung.


Zurück in der Station nehmen wir den Aufzug zur Aussichtsplattform und schlittern anschließend noch durch die Gänge des Eispalasts im Innern des Gletschers. Eineinhalb Stunden nach Ankunft auf dem Jungfraujoch haben wir genug vom Trubel. Wir stellen uns in die Schlange für die nächste Bahn. Die ist nun bis auf den letzten Platz besetzt. Dafür ist der mittägliche Betrieb an der Kleinen Scheidegg abgeflaut. Da gönnen wir uns noch ein Kaltgetränk in der Sonne.


Eine Bahn-, eine Bus- und zwei Seilbahnfahrten später sind wir gegen 19 Uhr zurück in Mürren. Herrlich ruhig kommt uns das Dorf vor, auch wenn noch einige Besucher:innen unterwegs sind. Sogar die zum Hotel Alpina gehörende Terrasse ist noch gut besetzt, obwohl die Sonne gerade verschwunden ist. Wir entscheiden uns spontan für eine Einkehr zum Abendessen, für Rösti und Fondue. Die Bedienung meint, sie hätte noch nie erlebt, dass die Leute im Oktober abends noch draußen sitzen. Nach einem Sommer der Temperaturrekorde schreitet der Klimawandel in den Schweizer Alpen weiter in großen Schritten voran.


Unterkunft: Chalet Raufthubel, Mürren

Wanderung: 6,5 km / Höhenmeter: +120 / -285 m


Nützliche Links:

Jungfrau Region - offizielle Tourismus-Website 

SBB - Homepage der Schweizerischen Bundesbahn

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