2019 AMS 3
Banksy: Laugh Now

Mi, 8. Mai 2019

EIN TAG - VIER MUSEEN

Heute ist der Tag mit den schlechtesten Wetteraussichten. Regenwahrscheinlichkeit 80 bis 100 Prozent. Da ist Museum-Hopping angesagt.

Wir haben eh die Woche erwischt, in der sich der Mai eine Auszeit nimmt und so tut, als wäre er März. Aber heute soll es wirklich mehr oder weniger den ganzen Tag regnen. So ein Tag ist natürlich prädestiniert dafür, ihn im Museum zu verbringen und allein für das Rijksmuseum bräuchte man eigentlich zwei davon. Das Problem: Conny hat so gar keine Lust auf Kunst. Also muss ich da etwas Abwechslung reinbringen.


An der Museumplein war uns vorgestern schon das Moco, das Modern Contemporary Museum, aufgefallen, denn da gibt es jede Menge Werke von Banksy zu sehen. Street Art ist so ziemlich die einzige Kunst, auf die sich Conny gerne einlässt, also ist das schon mal gesetzt.


Pancakes zum Frühstück


Eine Location zum Frühstücken auf dem Weg ist auch schnell gefunden, das Bakers & Roasters. Das Café ist fast genauso instagramable wie Banksy und dementsprechend gut gefüllt mit jungen Menschen. Wir haben Glück, noch einen Tisch zu ergattern. Hinter uns bildet sich eine Schlange vor der Tür.


Das Bakers & Roasters ist nicht gerade günstig, dafür das Essen aus ökologisch halbwegs unbedenklich produzierten Zutaten gemacht und sehr lecker. Die Macher bezeichnen ihren Laden als “New Zealand style cafe served with a heavy dose of Brazil”. Keine schlechte Mischung.


Bei Banksy & Co


Das Moco ist dann nur zehn Minuten Fußweg entfernt. Karten hatten wir erst für 11 Uhr reserviert, weil es noch nicht so voll ist, dürfen wir aber schon 20 Minuten früher rein. Das Museum ist in einer alten Stadtvilla gleich neben dem Van Gogh Museum untergebracht.


Man beginnt den Rundgang unterm Dach bei Yayoi Kusama, Andy Warhol und Jeff Koons und trifft dann unterwegs auf ganz viel Banksy. Die Ausstellung umfasst einige seiner bekanntesten Werke - und ist natürlich nicht vom Künstler authorisiert. Der macht sich ja gerne lustig über den ganzen Kunstbetrieb, wie überhaupt diskutabel ist, ob man Kunst von der Straße nun in Museen aufhängen müsste. Auf jeden Fall bekommt man damit ein sehr junges Publikum begeistert und das ist ja allein schon was wert.


Neben Banksy sind Daniel Arsham mehrere Räume im Haus gewidmet. Der macht auch ziemlich abgefahrene Sachen und lässt etwa Alltagsgegenstände und vertraute Motive der Pop-Kultur wie Jahrtausende alt erscheinen.


Nach einer guten Stunde sind wir durch mit dem Moco - genau rechtzeitig, denn so langsam wird es sehr voll. Vor allem unter asiatischen Besuchern scheint das Museum alles andere als ein Geheimtipp zu sein. Kein Wunder, darf man hier doch alles fotografieren. 


Draußen hat es sich richtig schön eingeregnet. Daher beschließen wir, mit der Straßenbahn weiterzufahren. Für acht Euro gibt es vom Automaten an der Haltestelle Rijksmuseum eine Tageskarte. ÖPNV-Tickets kann man in Amsterdam auch immer direkt in der Tram kaufen, dort sitzt ein echter Mensch hinter einem Schalter.

Banksy samt Mauer ausgeschnitten
True!
Banksy: Keep It Real
Banksy: Mickey Snake
Os Gemeos: The Long Way Home
Banksy: Cardinal Sin
Imagine...
Conny auf Streifen
Daniel Arsham
Daniel Arsham: Connecting Time
Daniel Arsham: Connecting Time
Daniel Arsham: Wrapped Tweety
Daniel Arsham: versteinertes Laptop
Treppenhaus im Moco
Museum Garden
Museum Garden
Yayoi Kusama: Pumpkin
Roy Lichtenstein - 3D
Roy Lichtenstein - 3D
Banksy: Rude Policeman
Banksy: Flower Thrower
Banksy: Beanfield
Banksy: Smiley Copper
Banksy: Girl with Balloon
Banksy: Mona Lisa
Banksy: Home Sweet Home
Banksy: Michelangelo
Daniel Arsham: Connecting Time
Daniel Arsham: Connecting Time
Daniel Arsham: Connecting Time
Daniel Arsham: Calcified Room
Daniel Arsham: Connecting Time
Daniel Arsham: Amethyst Ball Cavern

Geschichtsstunde im Amsterdam Museum


Wir fahren zum Spui-Platz, von da ist es nicht weit zum Amsterdam Museum, dem Museum für Stadtgeschichte. Die Dauerausstellung Amsterdam DNA kann man mit dem Audio Guide locker in einer Stunde durcheilen, ich lasse mir allerdings ein bisschen mehr Zeit.


Nach dem Museum schauen wir im benachbarten Begijnhof vorbei, eine versteckte Oase mit winzigen Häuschen, die sich um einen grünen Innenhof mit einer Kirche im Mittelpunkt gruppieren. Diese Kirche ist die 1392 erbaute Engelse Kerk. Die gehörte einst den Beginen, einer katholischen Gemeinschaft unverheirateter und verwitweter Frauen, fiel dann gegen Ende des 16. Jahrhunderts, als Amsterdam Teil der Utrechter Union wurde, in die Hände der Protestanten, die die Kirche an die heimatlosen englischen und schottischen Presbyterianer vermieteten - zu denen auch die Pilgerväter gehörten. Die segelten bekanntlich 1620 mit der Mayflower über den Atlantik, um Neu-England zu gründen. Was es damals schon drüben in Amerika gab: Nieuw Amsterdam, das spätere New York.  

Die Beginen mussten sich in einem der Häuser eine “geheime” Kapelle für ihre Gottesdienste einrichten, gleich gegenüber der nun protestantischen Engelse Kerk. So liefert der Begijnhof ein sehr anschauliches Beispiel für die von Interessenskonflikten, aber eben vor allem auch von Toleranz geprägten Geschichte der Stadt. Mit dem Houten Huiz befindet sich in dem Hof auch das älteste Holzhaus der Niederlande. Das steht da seit 1465. Der große Stadtbrand von Amsterdam war da immerhin schon 44 Jahre her.


Die Grachtenstadt ist Weltkulturerbe


Wir flüchten vor dem noch immer grausligen Wetter am Spui zufällig in das Café Hoppe,  eine überaus geschichtsträchtige Kneipe, die es seit fast 350 Jahren gibt. Kurz mit Kaffee und Bier gestärkt und weiter geht es in das nächste Museum, das Grachtenhuis. Hier wird mit allerlei coolen technischen Gimmicks die Entwicklung der Kanalstadt erzählt. Man muss ja wirklich zugeben, dass das mit den Grachten nicht nur eine praktische, sondern insgesamt einfach fantastische Idee der Stadtplaner war, die Amsterdam noch Jahrhunderte später unvergleichlich liebens- und lebenswert macht. Fand übrigens auch die UNESCO, die den Grachtengürtel 2010 zum Weltkulturerbe erklärte.


Grachtenstadt Amsterdam
Grachtenstadt Amsterdam
Grachtenstadt Amsterdam
Grachtenstadt Amsterdam
Grachtenstadt Amsterdam
Grachtenstadt Amsterdam
Grachtenstadt Amsterdam
Grachtenstadt Amsterdam

Nach einer Stunde haben wir auch Museum Nummer 3 abgehakt. Der Magen könnte einen Happen vertragen und der Lonely Planet verrät, dass es ein paar Straßen weiter bei Vleminckx die besten Pommes der Stadt gibt. Die Schlange vor dem kleinen Imbiss scheint uns Bestätigung genug. Tatsächlich sind die aber nun auch nicht sooo außergewöhnlich, dass man dafür einen Umweg laufen müsste. Die Auswahl an Soßen ist allerdings beachtlich.


Nun haben wir uns eine Pause verdient und fahren mit der Straßenbahn zurück zur Prinsengracht auf eine kleine Siesta. Am Abend steht der vierte Museumsbesuch des Tages an, das Anne Frank Huis. Unweit davon, in Jordaan, gibt es die überaus angesagte Pizzeria La Perla, wo wir einen Tisch reserviert haben. Zum Glück, denn das kleine Lokal ist proppenvoll. Zurecht, denn die Pizza ist großartig.


Das Haus der Franks ist Museum Nummer 4


Nun also zu Anne Frank. Man kann schlecht Amsterdam besuchen und den Ort, an dem sich die Familie Frank zusammen mit weiteren Juden mehr als zwei Jahre lang vor der Gestapo versteckte, ignorieren. Der Touristenandrang rund um das Haus wirkt im ersten Moment abschreckend, die Warteschlange ist - selbst am Abend und obwohl man nur mit Reservierung zu einer bestimmten Uhrzeit überhaupt reinkommt - enorm. Mit einem Audiogerät ausgestattet durchläuft man die Geschichte der Flucht der Franks hörend das Gebäude bis in das hinter einem Bücherregal versteckte Hinterhaus. Die Besucher werden dabei immer stiller.


Was den Besuch des Anne Frank Huis zu einer wertvollen, eindrücklichen Erfahrung macht, ist, dass wir durch den Ort mit all den Spuren der ehemaligen Bewohner, über die man durch Annes Tagebuch so viel weiß, unmittelbar mit dieser schrecklichen Zeit in Berührung kommen, viel direkter als das jedes Geschichtsbuch und jede Doku im Fernsehen je kann. Es geschah hier, es geschah vor den Augen derselben Welt, in derselben Stadt, in der wir heute selbst sind. Und mit Anne Frank haben wir ein mittlerweile zur Ikone gewordenes Gesicht dazu.


Jede Vorstellungskraft sprengend ist, dass es sechs Millionen Anne Franks gab, deren Schicksal wir zumeist nicht so genau kennen, die genauso vertrieben, erschlagen, vergast, erschossen oder auf tausend andere bestialische Arten aus ihrem ganz normalen Leben gerissen wurden. Vor der deutschen Besatzung hatte Amsterdam 80.000 jüdische Einwohner, ein Zehntel der gesamten Bevölkerung. Überlebt haben davon nur 10.000.


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Das Tagebuch gehört zum Erbe der Menschheit


Die Franks wurden am 3. September 1944 mit dem letzten Zug aus dem Durchgangslager Westerbork nach Auschwitz deportiert. Anne Frank starb schließlich im Februar 1945, also drei Monate vor Ende des Krieges, in Bergen-Belsen. Von den im Hinterhaus untergetauchten Juden überlebte nur ihr Vater Otto den Holocaust. Er ging zurück nach Amsterdam, fand die Tagebücher der Tochter und widmete sein Leben deren Verbreitung. In 70 Sprachen übersetzt und in zahlreichen Filmen und Theaterstücken verarbeitet gehört das Tagebuch der Anne Frank, das im Original Het Achterhuis – „Das Hinterhaus“ - heißt, zum Weltdokumentenerbe der UNESCO.


Fast eineinhalb Stunden verbringen wir im Anne Frank Huis. Die sollte man sich auf jeden Fall Zeit dafür nehmen.


Als wir den Heimweg antreten liegt ein herrlich blaues Licht über der Stadt. Die Regenwolken haben sich verzogen. Wir spazieren die Prinsengracht entlang, wo man überall in die nun hell erleuchteten Häuser schauen kann. Die Niederländer haben es ja generell nicht so mit Vorhängen. Wobei man angesichts der allesamt bildbandwürdigen Inneneinrichtungen auch denken könnte, dass die Leute einfach mit ihrem guten Geschmack angeben wollen. Wir können selten widerstehen, wir lieben es, in fremde Wohnungen zu schauen.


Nun ist die Stadt nur scheinbar friedlich, in Wahrheit herrscht heute Abend Ausnahmezustand in Amsterdam. Ajax spielt im Champions League Halbfinale gegen Tottenham und führt bereits zwei zu null. Bei Halbzeit strömen die Menschen aus den Kneipen, steigen die ersten Feuerwerksraketen auf, sind Hupkonzerte zu hören. Anscheinend haben die alle das andere Halbfinale am Abend vorher nicht gesehen, als Liverpool - nach dem Hinspiel in Barcelona vermeintlich aussichtslos nulldrei hintenliegend - in einem denkwürdigen Spiel noch den Einzug ins Finale schaffte. Ich bin lange genug Fußballfan, um misstrauisch gegenüber frühzeitiger Jubelstimmung zu sein.


Drama, Drama, Drama


Wie auch immer: Ich muss jetzt wenigstens die zweite Halbzeit selbst auch noch mitbekommen. Conny geht allein nach Hause. Ich schaue am Amstelveld vorbei. Hier hat ein Restaurant seine Terrasse leergeräumt und mit zwei Fernsehern ausgestattet, vor denen eine Menschentraube fiebert, zwischen der es kein Durchkommen gibt. Also weiter Richtung Rembrandtplein, dem Epizentrum des Nachtlebens im Viertel. Auf dem Weg bekomme ich entsetztes Aufstöhnen mit - das Spiel steht unentschieden. Und ich sach noch …


Vor dem De Heeren Van Aemstel ergattere ich einen Stehplatz mit Blick durch ein Fenster auf die Leinwand drinnen, zwar etwas sichtbehindert, aber besser als nichts. Rein kommt man eh nirgends mehr. Das Spiel wogt die letzte halbe Stunde hin und her, für die Ajax-Fans ist es ein Wechselbad aus Euphorie und Verzweiflung. Ein Unentschieden würde ja reichen. Dann würde diese Stadt explodieren.


Und als alle schon ihre Handys in der Hand haben, um den jeden Moment einsetzenden Jubelsturm festzuhalten, fällt in der sechsten Minute der Nachspielzeit der Siegtreffer. Für Tottenham. Es ist, also ob man einen Stecker gezogen hätte. Für einen Moment ist es still, herrscht eine Schockstarre. Dann pfeift der Schiedsrichter ab und wie eine giftige Wolke machen sich Trauer, Wut und Enttäuschung breit. Wow, das war episch!